Wenig romantisch hört er auf den Namen PSR J0108-1431 und ist mit seinen 200 Millionen Jahren ein absolutes Fossil in seiner Familie. Doch wie es manchmal nun mal so ist, gilt auch hier: Je oller, je doller, denn J0108 (wie er der Einfachheit halber auch genannt wird) ist zwar uralt, doch überraschend aktiv.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Eigene Recherchen.
Mit seinem Alter verbessert er nicht nur die bisherige Rekordmarke für einzelnstehende Pulsare um das Zehnfache, er ist mit einer Entfernung von nur 770 Lichtjahren auch einer der nächstgelegenen Vertreter der Klasse der Röntgenemitter. Alles andere als bettlägerig ist der „rüstige Rentner“ obendrein, wie vergleichende Messresultate einer 2001er Radiomessung zur 2007er Röntgenmessung beweisen. Die Position der Röntgenquelle unterscheidet sich ein wenig von der der Radioquelle, was eine relative Eigenbewegung des Neutronensterns von über 700.000 km/h impliziert.
Der Ausdruck „Pulsar“ ist ein Kunstbegriff und bezeichnet einen schnell rotierenden Neutronenstern. Ein solcher Neutronenstern wiederum ist der stark komprimierte Überrest eines zuvor in einer Supernova vergangenen massereichen Sterns. Etwa 1,4 bis 3,0 (Rest)-Sonnenmassen des Muttersterns vereinigt so ein exotisches Objekt auf kleinstem Raum von vielleicht 20 km Durchmesser auf sich und macht den Neutronenstern dadurch zu dem dichtesten Körper des bekannten Universums, übertroffen nur noch von Massemonstern wie den Schwarzen Löchern in ihren verschiedenen Ausprägungen. Darüber hinaus – und das ist eminent für eine spätere Detektion – behält der Neutronenstern seinen Drehimpuls bei.
Da sich nach dem Gesetzt der Impulserhaltung bei einem resultierenden Drehmoment eines beliebigen Systems von null, der Drehimpuls als Erhaltungsgröße darstellt, beschleunigt sich die Rotation in Verbindung mit der erheblichen Verkleinerung der räumlichen Ausdehnung stark, so dass die Rotationsdauer nur noch Sekunden oder gar Sekundenbruchteile beträgt. Ohne Begleiter liegt die durchschnittliche Rotationsdauer eines Pulsars zwischen 0,01 und 8 Sekunden und verringert sich durch das Abstrahlen seiner Energie um etwa 10-15 s pro Sekunde, was seine Lebensdauer auf etwa 10 bis 20 Millionen Jahre beschränken würde. Bis eben J0108 uns eines Besseren belehrte, denn trotz seines immensen Alters rotiert er noch immer mit gut einer Umdrehung je Sekunde.
Typischerweise weicht die Magnetachse, entlang derer die Strahlung in den Raum entweicht, während der Rotation von der Rotationsachse ab. Liegen wir mit der Erde nun zufällig auf ihrer Sichtlinie, empfangen wir wie von einem Leuchtturm regelmäßig wiederkehrende Signale.
Einiges der auf diese Weise abgestrahlten Energie von J0108 macht sich im Röntgenspektrum bemerkbar. Die Effizienz dieses Energieumwandlungsprozesses ist bei J0108 jedoch höher als bei jedem anderen bisher bekannten Pulsar, was nicht unwesentlich zu seinem hohen Lebensalter beigetragen haben dürfte.
Möglicherweise emittiert der Pulsar durch den Ausstoß von Partikeln, die um magnetische Felder spiralen und durch Emissionen von aufgeheizten Gebieten um seine Pole, gleich zwei Formen der hochenergetischen Röntgenstrahlung. Leider ist es seither nicht gelungen, Temperaturen und Größe der aufgeheizten Polregionen im Detail zu vermessen, was wertvolle Einblicke in die außerordentlichen Oberflächeneigenschaften eines Neutronensterns und den Prozessen, die zur Beschleunigung der geladenen Partikel führen, gewähren würde.
Jedoch bestätigt der Befund, dass „sterbende Pulsare“ durchaus hocheffiziente Röntgenemitter darstellen und nährt die Annahme, dass zukünftig noch einige der im Alter weit fortgeschrittenen Neutronensterne anhand ihrer Röntgenstrahlung aufgespürt werden können, was nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich der Klassifikationsbegriff der Pulsare nach J08108 eben nicht mehr ausschließlich auf die bisher untersuchten jungen hellen Pulsare beschränken kann, von enormer Bedeutung ist.