Zenit

1985 stellte die Sowjetunion für den Westen sehr überraschend eine neue Trägerrakete in Dienst.

Autor: Karl Urban und Stefan Heykes

Geschichte

Zenit auf der Startrampe

1985 stellte die Sowjetunion für den Westen sehr überraschend eine neue Trägerrakete in den Dienst. Das Erstaunen war durch die Tatsache begründet, dass die UdSSR ähnlich wie die USA seit über 20 Jahren keinen neuen Satellitenträger mehr entwickelt hatte. Im Westen nahm man nun an, man wolle die Lücke zwischen der Sojus (7 Tonnen Nutzlast) und der Proton (22 Tonnen) schließen. Erst 1987 stellte sich der wahre Grund für die Entwicklung der Zenith heraus. Am 15. Mai 1987 startete die erste Energija, die frisch entwickelte Rakete für den Buran-Raumtransporter.

Die Zenit-Rakete hatte dabei die Aufgabe des Boosters, von denen bis zu vier rund um die Hauptstufe der Energija angeordnet wurden. Man hatte also die eigentlich für die Energija als Zusatzbooster entwickelte Stufe als eigenen Satellitenträger eingesetzt, indem man ihr eine zweite Stufe aufsetzte. Das ursprüngliche Vorhaben der Sowjetunion, die Zenit als vollständigen Ersatz für Wostok-, Molnja- und Sojus-Raketen einzusetzen, wurde durch den Zusammenbruch der UdSSR vereitelt. Die in der Ukraine gefertigte Rakete musste nun als „ausländische“ Trägerrakete bezahlt werden. Um einen russischen Ersatz zu haben, wird derzeit die Angara 3 entwickelt, die die gleiche Nutzlast erreichen kann.

Die Technik

Die Entwicklungszeit der Zenit betrug neun Jahre, von 1976 bis 1985. Sie verwendet die russische Standard-Treibstoffkombination Kerosin und LOX (Flüssigsauerstoff). Es gibt allerdings einige Unterschiede zu „normalen“ sowjetischen Raketen. Sie arbeitet mit einer adaptiven Steuerung, das heißt, sie kann Flugabweichungen automatisch ausgleichen. Außerdem wird die Zenit heiß gezündet. Dabei findet die Zündung der zweiten Stufe erst nach der Abtrennung der ersten statt. Die Zündung der zweiten und dritten Stufe musste bei älteren Raketenmodellen schon vor dem Abtrennen der unteren Stufe vorgenommen werden, da man noch zu wenig Erfahrung mit der Zündung in Schwerelosigkeit hatte.

Das Triebwerk der Zenit ist mit einem Startschub von 7.259 kN das stärkste je gebaute und übersteigt sogar das der amerikanischen Saturn V. Die Düsen der Rakete sind schwenkbar, so dass nicht, wie bei älteren Modellen, extra Manövriertriebwerke eingebaut werden mussten. In der Oberstufe befinden sich zusätzlich vier schwenkbare Steuerdüsen, die zusätzliche Feinabstimmungen der Bahn vornehmen können. Über einen Laserlink werden Daten von über 1.000 Sensoren in der Zenith zur Erde übertragen, was auch eine nachträglich Umprogrammierung der Rakete möglich macht. Die Zenit trifft trotz oder vielmehr gerade wegen ihrer ausgereiften Technik auf die Grenzen des Machbaren mit der konventionellen Raketentechnologie. So erklären sich auch die vielen Ausfälle, die die Zenit bisher ertragen musste.

Kooperation mit dem Westen

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR war man bestrebt, auch die Rakete im Westen zu vermarkten. Die zu weit nördlich startende Zenit hatte aber trotz ihrer Leistungsfähigkeit im Geschäft für geostationäre Satelliten kaum eine Chance. Satelliten für geostationäre Umlaufbahnen waren Anfang der 1990er Jahre dominierend auf dem Markt. In den späten 1990ern wandelte sich dieses Bild. Den ersten Durchbruch verzeichnete man aber erst, als sich Lockheed entschloss, eine modifizierte Version des Zenit-Triebwerks RD-171 in der amerikanischen Atlas-Trägerrakete einzusetzen. Dies ist das erste Mal, dass amerikanische Raketentechnologie mit ehemals sowjetischer kombiniert wird. Sowohl die Übergangsversion Atlas III als auch die aktuelle Atlas V setzen das RD-180, das im Prinzip ein halbiertes RD-171 ist, mit Erfolg ein. Allerdings sind diese beiden Triebwerke entgegen erster Planungen nur noch zu 50% identisch, so dass es relativ wenige Synergien in der Produktion gibt.

Zenith 3SL

Durch die Integration in das Unternehmen Sea Launch ist der Zenit ein erneuter Aufstieg vergönnt. Sea Launch ist ein Zusammenschluss von internationalen Raumfahrtunternehmen, welcher sich das Ziel gesetzt hat, auch die Zenit auf dem Markt zu etablieren. So werden von einer ehemaligen Bohrplattform im Pazifik modifizierte Raketenmodelle gestartet.

Bei der Zenit 3SL wird als Oberstufe der Block-DM der russischen Proton verwendet. Damit kann die Zenit eine Nutzlast von 5,9 Tonnen in einen geostationären Orbit transportieren. Der dritte Start am 13. März 2000 schlug fehl. Danach konnte Sea Launch allerdings den Betrieb wieder aufnehmen und jahrelang erfolgreich starten. Ein weiterer Fehlstart passierte am 30. Januar 2007, als die Zenit kurz nach dem Abheben explodierte und die Startplattform Odyssey beschädigte. Danach konnte der Betrieb zwar wieder aufgenommen werden, allerdings musste Sea Launch 2009 Insolvenz anmelden.

Zenit 3SLB

Unter der Bezeichnung Zenit 3SLB wurde eine leicht modifizierte Zenit 3SL von Baikonur aus gestartet. Diese wurde vom Sea-Launch-Tocherunternehmen Land Launch vermarktet. Aufgrund des ungünstigeren Startplatzes liegt die Nutzlast deutlich geringer (3,6 Tonnen in den GTO), allerdings wird dies teilweise durch die günstigere Startabfertigung aufgewogen. Die Zenit 3SLB wurde 2008 und 2009 insgesamt viermal erfolgreich gestartet. Die kommerzielle Zukunft dieser Rakete ist aufgrund der Insolvenz von Sea Launch unsicher. Allerdings gibt es Bestrebungen, den Betrieb wieder aufzunehmen.

Zenit 3F

Die einzige Variante, die derzeit im Einsatz ist, ist die Zenit 3F. Sie hatte ihren Erststart am 20. Januar 2011 mit dem Wettersatelliten Elektro-L. Bei dieser Rakete wurden die ersten beiden Stufen der Zenit 3SLB unverändert übernommen, aber statt Block-DM verwendet man die neue Oberstufe Fregat-SB (daher das F im Namen). Es handelt sich hier um eine Abwandlung der Fregat-Oberstufe der Sojus 2/FG, bei der ein zusätzlicher Abwurftank eingesetzt wird. Im Vergleich zur Basis-Fregat ergibt sich daher ein höheres Gewicht und somit eine höhere Leistung. Die Fregat-SB ist allerdings kleiner als der Block-DM. Dafür ist die Fregat-SB sehr viel flexibler und für mehrfache Zündungen ausgelegt. Damit kann sie praktisch jeden Orbit erreichen.

In den kommenden Jahren soll die Zenit 3F einer der wichtigsten Träger des russischen Forschungsprogramms werden. Neben den Elektro-L-Satelliten wird sie auch Teleskope der Spektr-Reihe oder die Marssonde Phobos-Grunt transportieren. Allerdings wird Russland diese Rakete vorraussichtlich nur für einige Jahre im Dienst halten, da die Zenit zumindest für russische Flüge von der Angara 3 ersetzt werden soll. Damit hängt die Zukunft der Zenit von der Entwicklung bei Sea Launch ab, nur auf dem kommerziellen Markt kann die Zenit eine Zukunft haben.

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