Täglich schlagen auf dem Mond Meteoriten ein, die insgesamt über eine Tonne wiegen. Die Größe und Form dieser Geschosse ist sehr unterschiedlich und reicht vom Kometen-Staubpartikel bis zum ausgewachsenen Asteroiden. Während diese Körper in der Erdatmosphäre verglühen würden, schlagen sie auf dem atmosphärenlosen Mond ungebremst ein.
Ein Beitrag von Eric Honstrass. Quelle: NASA.
Die Apollo-Astronauten wurden von diesen Geschossen nie belästigt. Die Größe der Mondoberfläche, entspricht etwa der des Kontinentes Afrika. „Verteilt man die Einschläge über ein so großes Gebiet, ist die Wahrscheinlichkeit, getroffen zu werden sehr gering“, erklärt Bill Cooke vom Meteoroid Environment Office. Zudem sei es hilfreich gewesen, dass die Astronauten nicht lange verblieben sind: Zählt man alle Apollo-Missionen zusammen, waren sie weniger als zwei Wochen auf der Mondoberfläche. „Die Wahrscheinlichkeit, während eines so kurzen Aufenthaltes getroffen zu werden, war wiederum sehr gering.“
Und was ist beim nächsten Mal? Der Vision für die Erforschung des Weltraumes folgend, entsendet die NASA bald wieder Astronauten zum Mond, die dort länger bleiben und größere Basen aufbauen sollen, als es die Apollo-Astronauten taten. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Wertvolles getroffen werden könnte, wird dadurch steigen. Sollte die NASA darüber besorgt sein? Der Antwort dieser Frage gehen Cooke und dessen Kollegin Anne Dieckmann nach.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, „wir haben wirklich keine Ahnung, wie viele Meteoriten den Mond täglich treffen“, erläutert Cooke. „Unsere besten Schätzungen sind vom ‚Standard-Meteoriten-Modell‘ hergeleitet, das die NASA für die Abschätzung der Risiken für die Raumstation und das Space Shuttle verwendet.“ Das Problem dabei ist, dass dieses Standard-Modell vorwiegend auf Daten der Erdbeobachtung basiert – also auf Satellitenaufzeichnungen und menschlichen Beobachtungen derjenigen Objekte, die in die Erdatmosphäre geraten oder am Nachthimmel geortet werden. „Dieses Standardmodell dürfte für den Mond nicht sonderlich gut funktionieren.“
Für den Mond bräuchten sie mehr Daten, erklärt Cooke. Glücklicherweise gibt es diese Daten bereits: Von den Apollo-Missionen.
Anhaltspunkte, wie oft und wie schwer der Mond getroffen wird, finden sich in den Daten der Seismometer, die zwischen 1969 und 1972 während der Apollo-Missionen 12, 14, 15 und 16 aufgestellt wurden. Diese arbeiteten, bis die NASA sie im Jahre 1977 abschaltete. Jahrelang zeichneten sie alle Arten von Beben und Schockwellen auf, inklusive beinahe 3.000 Mondbeben, 1.700 Meteoriteneinschläge und neun Raumfahrzeuge, die geplant auf dem Mond aufschlugen. All diese Daten wurden zu Analysezwecken zur Erde gesandt.
„Interessante Daten haben wir hier,“ meint Cooke. „Von etwa 12.000 Ereignissen konnte weniger als die Hälfte mit bekannten Phänomenen erklärt werden. Es gibt tausende Erschütterungen, die verursacht wurden durch … keiner weiß, wodurch.“
Er hat eine Ahnung: „Viele von ihnen könnten Einschläge von Meteoriten sein.“
„Die Wissenschaftler der Apollo-Missionen waren brillant, aber sie hatten nicht den Segen moderner Computer. Wir hingegen schon“, sagt Cooke. Er und Dieckmann laden nun die alten seismischen Daten in die Rechner des MSFC, in denen Berechnungen durchgeführt werden, die in dieser Geschwindigkeit vor 30 Jahren unmöglich waren. Neue Algorithmen werden zügig getestet, um bislang unbekannte Einschläge zu erkennen.
Besonders wichtig für die Analyse sind die neun von Menschenhand erzeugten Einschläge. „Die NASA ließ einige Raumschiffe bewusst auf dem Mond aufschlagen, während die Seismometer arbeiteten“, erklärt er. „Hierbei handelte es sich um leere Aufstiegsstufen von vier Mondmodulen ( Apollo12, 14, 15 und 17) und die SIV-B Stufen von fünf Saturn-Raketen ( Apollo13 – 17).“ Ihre seismische Wellenform zeigt den Forschern, wie ein Einschlag aussehen sollte.
Ebenfalls im Jahre 1972 schlug ein 1.100 kg schwerer Asteroid auf dem Mond, nördlich des Mare Nubium ein. Hierbei handelte es sich um einen bedeutenden Einschlag, der von allen vier seismologischen Stationen aufgezeichnet wurde. „Sehen wir uns die seismische Kurve dieses Asteroiden an“, erklärt Cooke, „sehen wir dieselben Charakteristika wie bei den künstlichen Einschlägen – ein guter Hinweis darauf, dass wir wissen, was wir tun.“
Cooke und Diekmann werden in den seismischen Aufzeichnungen von Apollo nach Einschlägen suchen, indem sie die bekannten seismischen Kurven als Referenz benutzen. Theoretisch sollten sie in der Lage sein, Einschläge von Objekten zu finden, die nicht kleiner als zehn Zentimeter sind und mindestens ein Kilogramm wiegen. „Zehn Zentimeter klingt nicht viel, aber mit den im Kosmos typischen Geschwindigkeiten kann ein zehn Zentimeter großer Meteorit einen Krater von der Größe Ihres Schreibtisches reißen.“
Nach dem Standard-Modell treffen solche Objekte den Mond beinahe 400 Mal pro Jahr – mehr als einer pro Tag. Der Apollo-Datensatz kann diese Vorhersage testen … und viele weitere.
Die Analyse beginnt erst. „Wir hoffen, viele Einschläge zu finden“, sagt er. Ungeachtet von der letztendlichen Anzahl wird ihre Arbeit von Wert sein. „Wir entwickeln neue Algorithmen, um in den seismologischen Aufzeichnungen Meteoriteneinschläge zu finden.“ Möglicherweise, so glaubt Cooke, werden zukünftige Seismometer auf dem Mond und dem Mars postiert, um Beben und Einschläge aufzuzeichnen. Und wenn die Daten anfangen einzutreffen, „werden wir bereit sein.“