XXXV. ASE Planetary Congress Noordwijk – ISS und Updates der Raumfahrtbehörden




Vom 29. September bis zum 6. Oktober 2024 fand unter dem Motto „Generation Space – Shaping the future together“ der XXXV. ASE Planetary Congress in den Niederlanden statt. Themen in der zweiten technischen Vortragsreihe waren die Internationale Raumstation und Updates der Raumfahrtbehörden.

Autoren: Ingo Muntenaar und Kirsten Müller, Quelle: Kongressbesuch.

Die technischen Vorträge am zweiten Kongresstag wurden ebenfalls im ESTEC, unter dem Vorsitz des ehemaligen ESA-Astronauten Pedro Duque (STS-95; Soyuz TMA-3), gehalten.

ESA

Matthias Maurer gab ein Update zu den ESA-Aktivitäten. Am 22. April 2024 haben die sechs neuesten ESA-Astronautinnen und -Astronauten Sophie Adenot, Rosemary Coogan, Pablo Alvarez Fernández, Raphaël Liègeois und Marco Sieber ihre Astronautenzertifikate erhalten. Sophie Adenot wird ihren ersten Raumflug 2026 machen, Raphaël Liègeois nach ihr. Es gab zwei Raumflüge von ESA-Astronauten: der Däne Andreas Mogensen war mit seiner Huginn-Mission Teil der ISS-Expeditionen 70 und 71 und wurde auf der ISS von der Privatmission Axiom-3 mit dem schwedischen ESA-Reserveastronauten Markus Wandt besucht. Für 2024 und 2025 sind ansonsten keine Langzeitmissionen mehr von europäischen Astronauten geplant.

ESA-Astronautenklasse 2022 beim Abschluss ihrer Grundausbildung am 22. April 2024 Bild: ESA
ESA-Astronautenklasse 2022 beim Abschluss ihrer Grundausbildung am 22. April 2024 Bild: ESA

Für den Rücktransport von Fracht aus dem LEO (Low Earth Orbit, niedrigen Erdorbit) sind im Mai 2024 zwei Verträge, mit TEX und mit TAS-1, unterzeichnet worden. Einer davon wird kommendes Jahr verlängert. Auch wurde das European Service Module ESM-3 am KSC abgeliefert und man ist dabei, ESM-4 bis ESM-6 zu integrieren. Für das Mondlandeelement (LDE, Lunar Descent Element) Argonaut, das Teil von Artemis werden soll, wurde TAS-1 als primärer Vertragspartner ausgewählt. Im Oktober wird die Auswahl eines Triebwerkes erwartet. Für das ExoMars / Rosalind Franklin-Projekt ist zwischen der ESA und der NASA ein Memorandum of Understanding unterschrieben worden. Auch fand am 9. Juli 2024 der Erstflug einer Ariane-6 statt. Recht ausführlich ging Maurer auf LUNA, die Anlage zur analogen Mondsimulation auf dem DLR-Gelände in Köln-Porz, ein. Diese stand vor einem Jahr noch nicht und wurde am 25. September 2024 eröffnet. Im Innenbereich wurde mit künstlichem Regolith die Mondoberfläche nachempfunden. Die Anlage verfügt über einen Sonnensimulator, ein System zur Reduzierung von Schwerkraft, unterstützende Kontroll- und Laboreinrichtungen, Raumanzüge zur Simulation und regenerative Energiesysteme und ermöglicht auch die Simulation mit Rovern und Robotern, außerdem wird dort am Projekt EDEN-LUNA zur Entwicklung von Pflanzenzucht zur Ernährung in geschlossenen Systemen gearbeitet. Es wird auch eng mit der benachbarten :envihab-Anlage des DLR für Raumfahrtmedizin zusammengearbeitet.

JAXA

Der japanische Raumfahrer Koichi Wakata (5 Raumflüge: STS-72; STS-92; STS-119 / ISS-18 / ISS-19 / ISS-20 / STS-127; Soyuz TMA-11M / ISS-38 / ISS-39; SpaceX Crew-5 / ISS-68) hat ein Update über die japanische Raumfahrtorganisation JAXA gegeben. Wakata erwähnte gleich zu Beginn seines Vortrags, dass er nicht als Repräsentant von JAXA spricht, sondern mangels JAXA-Vertreter beim ASE-Kongress lediglich die von JAXA vorbereiteten Folien vorträgt.

Koichi Wakata ist am 31. März 2024 aus dem japanischen Astronautenkorps ausgetreten und hat sich der privaten Raumfahrtfirma Axiom Space angeschlossen. Diese Firma repräsentiert er im asiatisch-pazifischen Raum.

Die von Wakata vorgestellte Organisationsstruktur des JAXA Management Boards sieht zwei altbekannte japanische Raumfahrer. Dr. Chiaki Mukai (2 Raumflüge: STS-65; STS-95) hält die Position der Beraterin des JAXA-Generaldirektors. Akihiko Hoshide (3 Raumflüge: STS-124; Soyuz TMA-05M / ISS-32 / ISS-33; SpaeX Crew-2 / ISS-65 / ISS-66) kam am 9. November 2021 von seinem Langzeitflug zurück und hat im Management Board die Position des stellvertretenden Programm Managers übernommen.

Der Status der weiteren aktiven japanischen Raumfahrer sieht wie folgt aus:

Satoshi Furukawa (2 Raumflüge: Soyuz TMA-02M / ISS-28 / ISS-29; SpaceX Crew-7 / ISS-69 / ISS-70) befindet sich nach der Landung von SpaceX Crew-7 und somit der Beendigung seines Langzeitaufenthalts auf der ISS am 12. März 2024 in der Regenerationsphase.

Kimiya Yui (1 Raumflug: Soyuz TMA-17M / ISS-44 / ISS-45) befindet sich gerade im Training für eine Langzeitmission auf der Internationalen Raumstation und ist als Missionsspezialist für den ersten kommerziellen Flug des Boeing CST-100 Starliner nominiert.

Takuya Onishi (1 Raumflug: Soyuz MS / ISS-48 / ISS-49) hat im September an der ESA-Analogmission PANGAEA ((Planetary Analogue Geological and Astrobiological Exercise for Astronauts). Der PANGAEA-Ausbildungskurs soll den Astronauten die grundlegenden Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten im Bereich Feldgeologie und Astrobiologie vermitteln, die sie benötigen, um bei künftigen Planetenerkundungsmissionen zum Mond und zum Mars als Wissenschaftler im Einsatz zu sein. Mittlerweile ist er als Missionspezialist für die im Februar angesetzte Mission SpaceX Crew-10 eingeteilt worden. Daher befindet er sich derzeit im Training für eine Langzeitmission.

Norishige Kanai (1 Raumflug: Soyuz MS-07 / ISS-54 / ISS-55) befindet sich ebenfalls im Training und wartet auf die Nominierung zu seinem nächsten Raumflug. Zur Zeit unterstützt er u. a. ausländische Studenten beim Kibo-Nutzungsprogramm.

Seit dem Januar 2024 unterstützt Akihiko Hoshide das JAXA-Büro in Houston als Senior Manager. Gleichzeitig ist er die Verbindungsperson der JAXA zum Astronautenbüro der NASA.

Die beiden am 28. Februar 2023 ausgewählten neuen japanischen Astronauten Ayu Yoneda und Makoto Suwa befinden sich weiterhin im Basistraining. Im April 2024 haben sie die ESA-Einrichtungen besucht und an einer Parabelflugkampagne der ESA teilgenommen. Als nächstes werden sie die NASA-Einrichtungen kennenlernen und u. a. Trainings im Bereich Robotik erhalten. Nach derzeitiger Planung (Stand 1. Oktober 2024) wird erwartet, dass die beiden Nachwuchsraumfahrer im November 2024 ihr Basistraining abschließen. Danach folgt die Zertifizierung.

Die Planungen für die neuen Mondmissionen im Artemis-Programm schreiten voran. Als eines der drei ersten Experimente ist das LDA (Lunar Dielectric Analyzer) für Artemis-III ausgewählt worden. Dieses Experiment wird federführend durch die University of Tokyo betreut und von JAXA unterstützt.

NASA und das japanische Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie (MEXT – Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology) haben am 9. April 2024 ein Abkommen zur Förderung der nachhaltigen Erforschung des Mondes durch den Menschen unterzeichnet.

Japan wird einen druckbeaufschlagten Rover für die Erkundung des Mondes mit Besatzung entwerfen, entwickeln und betreiben. Dabei kann dieser Rover astronautisch oder robotisch betrieben werden. Die NASA wird für den Start und die Landung des Rovers zum Mond sorgen und japanischen Astronauten zwei Gelegenheiten bieten, die Mondoberfläche zu betreten.

Koichi Wakata stellt japanischen Mondrover vor Bild: Nathan Reinds
Koichi Wakata stellt japanischen Mondrover vor
Bild: Nathan Reinds

Nach Auskunft von Koichi Wakata soll der Rover von Toyota Motor Corporation entwickelt und gebaut werden. Zur Zeit macht man sich Gedanken, ob dieses Vehikel ein Sichtfenster bekommt, oder aber mittels Kameras die Außenansicht auf Monitoren innerhalb der Kabine darstellt. Strukturingenieure halten die Möglichkeit von Sichtfenstern innerhalb eines druckbeaufschlagten Systems, welches auch Schläge durch Bodenunebenheiten aufnehmen muss, für einen Albtraum. Astronauten dagegen bevorzugen aber genau solche Fenster, weil sie dann genau sehen können, wohin sie fahren. Gleichzeitig haben sie die Umgebung ohne gravierende Sichtfeldeinschränkung im Blick.

Mit dem Zwischenruf „Die Qualität und Lebensdauer der japanischen Autos muss aber stimmen“ aus dem Publikum wurde der Vortrag von Koichi Wakata beendet.

NASA

Der nächste Statusreport wurde von Mike Fincke (3 Flüge: Soyuz TMA-4 / ISS-09; Soyuz TMA-13 / ISS-18; STS-134) als Repräsentant der NASA gegeben. Als langjähriges Mitglied des NASA-Astronautenkorps hat er natürlich einen sehr tiefen Einblick in seine Organisation. Das Motto des Astronautenkorps lautet: „We train and fly for the benefit of humankind and provide crew perspective and leadership for all aspects of human space exploration“, was übersetzt werden kann mit: „Wir trainieren und fliegen zum Wohle der Menschheit und bieten aus der Astronautenperspektive die Sichtweise und die Führungsqualitäten für alle Aspekte der menschlichen Erforschung des Weltraums.“

Danach gab er eine sehr ausführliche Übersicht über die Zusammensetzung des Astronautenkorps. Im Jahr 2000 hatte das Korps eine maximale Größe von beinahe 150 Astronauten. Diese ist auf momentan 48 Raumfahrer zusammengeschrumpft. Damit hat die NASA die kleinste Kadergröße seit fast 20 Jahren durchschritten. Dabei muss sich der Astronautenkader folgenden Herausforderungen stellen:

  • Zielvorgaben der NASA für Weltraumflüge erreichen
  • Wartung der Internationalen Raumstation und Entwicklung / Ermöglichung des Stationsbetriebs in der niedrigen Erdumlaufbahn
  • Durchführung von astronautischen Raumfahrtmissionen mit unterschiedlichen Raumfahrzeugen
  • Unterstützung bei der Konzeption und Entwicklung anderer Fahrzeuge und Systeme für Artemis-Missionen

Dabei liegen die Prioritäten bei folgenden Hauptaktivitäten:

  • Raumflugbetrieb
  • Unterstützung aktueller und künftiger Weltraummissionen
  • Unterstützung der Ausbildung von Raumflugbesatzungen
  • Erlangung technischer Fertigkeiten
  • Technische Arbeiten:
  • Führung und / oder technische Unterstützung des Astronautenbüros
  • Erstellen / Überprüfen der Bürorichtlinien
  • Vertretung des Astronautenbüros in JSC- oder NASA-Gremien/Ausschüssen
  • qualitativ hochwertige Public Relations-Unterstützung für Pflichtveranstaltungen und Veranstaltungen mit hoher Priorität
  • Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit:
  • sicherer T-38 Flugbetrieb zum Erreichen der Flugstundenziele
  • Erhaltung / Verbesserung der technischen Fähigkeiten für Flug- und Unterstützungssimulationen
  • Aufrechterhaltung der körperlichen Fitness
  • sonstige Unterstützung:
  • Zeit für berufliche Weiterentwicklung und Aufrechterhaltung der Gesundheit
  • Sicherstellung der Erledigung aller Verwaltungsaufgaben
  • Bieten hochwertiger PR-Unterstützung

Die NASA-Astronautenklasse 23 „The Flies“, die am 06.12.2021 ausgewählt wurde, hat ihre Grundausbildung am 5. März 2024 abgeschlossen. Zu den 10 neuen Astronauten (Nicole S. Ayers, Marcos G. Berrios, Christina M. Birch, Deniz M. Burnham, Luke D. Delaney, André M. B. Douglas, Jack S. Hathaway, Anil S. Menon, Christopher L. Williams, Jessica O. Wittner) gesellen sich noch zwei Raumfahrer aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (Nora Al Matrooshi, Mohammad Al Mulla), die ebenfalls ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben und nun auf ihre Flugnominierung warten.

Der Astronaut Josh Cassada (1 Raumflug: SpaceX Crew-5 / ISS-68) hat nach nur einem Raumflug seine Astronautentätigkeit zum 1. Oktober 2024 bei der NASA beendet.

Aktive Astronautinnen und Astronauten der NASA Anfang Oktober 2024 Bild: Kirsten Müller
Aktive Astronautinnen und Astronauten der NASA Anfang Oktober 2024 Bild: Kirsten Müller

Damit ergibt sich die oben bereits erwähnte Größe des NASA-Astronautenkaders. Von diesen Raumfahrern sind zur Zeit 45 Raumfahrer als aktiv gelistet. 11 Astronauten haben Führungspositionen im Astronautenbüro, wobei das Astronautenbüro derzeit von Joseph M. Acaba (3 Raumflüge: STS-119; Soyuz TMA-04M / ISS-31 / ISS-32; Soyuz MS-06 / ISS-53 / ISS-54) geleitet wird. Unterstützt wird er in der Leitungsfunktion durch Shannon Walker (2 Raumflüge: Soyuz TMA-19 / ISS-24 / SS-25; SpaceX Crew-1 / ISS-64 / ISS-65). Weitere Assistenz gibt es in den Bereichen:

  • International Space Station (Assistenz: Stephen G. Bowen)
  • EVA / Robotic + NextEMU (Assistenz: Nicole V. A. Mann)
  • kommerzielle Besatzungen (Assistenz: Robert T. Hines, Jr.)
  • Artemis:
  • Orion / Space Launch System / Exploration Ground Systems (Assistenz: Randolph J. Bresnik)
  • Human Landing System (Assistenz Raja Chari)
  • Gateway (Assistenz: Stanley G. Love)
  • Extravehicular Activity (EVA) and Human Surface Mobility (HSM) Program EHP (Assistenz: Kayla S. Barron)

Das Astronautenbüro ist in die folgenden Sparten aufgeteilt:

  • zugewiesene Besatzungen (Abteilungsleiterin: Jessica A. Watkins; Stellvertreter: Francisco C. Rubio)
  • Crew-Betrieb (Abteilungsleiter: James M. Kelly; Stellvertreter: Joe F. Edwards)
  • Missionsunterstützung Besatzungen (Abteilungsleiterin: M. Behnken; Stellvertreterin: Kathleen H. Rubins)
  • 3D Druck-Labor (Abteilungsleiter: Lee M. Morin; Stellvertreter: Stanley G. Love)

Derzeit (Stand 1. Oktober 2024) befinden sich sechs NASA-Astronauten im Weltraum. Drei Raumfahrer befinden sich in der mindestens sechsmonatigen Regenerationsphase nach ihrem jeweiligen Langzeitflug. Zwei Astronauten sind derzeit nicht in Houston ansässig, sondern haben andere Tätigkeiten (z. B. Lehrtätigkeiten) außerhalb des Astronautenbüros übernommen. 20 NASA-Astronauten bereiten sich gerade auf ihren Raumflug als Stammbesatzung oder Ersatzbesatzung vor.

Der Zyklus vom Astronautentraining bis zum Raumflug erfolgt nach dem folgenden zeitlichen Ablauf: Das ASCAN (Astronaut Candidate) Training dauert 2 Jahre und beinhaltet Grundkenntnisse in den Bereichen Wissenschaften, Einführung in ISS Systeme, T-38 Flugbetrieb, Umgang mit robotischen Systemen, Erlernen russischer Sprachkenntnisse, Überlebenstraining an Land und auf See). Nach dem Basistraining werden die Astronaut:innen ihre Kenntnisse in den Gebieten ISS Systeme, EVA, robotische Systeme, T-38 Flugbetrieb, russische Sprachkenntnisse und Leitungsfunktionen im Management weiter vertiefen. Daneben werden sie unterstützende Tätigkeiten im Raumflugbetrieb wahrnehmen. Diese Wartezeit vor der Nominierung zu einem Raumflug, auch als „Pre-Assignment Training“ bekannt, kann zwischen einem bis sieben Jahre dauern. Ist die Person erst einmal als Besatzungsmitglied einer Raumflugmission zugewiesen, folgt das in der Regel auf 2 Jahre angesetzte missionsspezifische Training. Nach der Langzeitmission, die im Normalfall ein halbes Jahr dauert, schließt sich das Regenerationsprogramm an. Danach nimmt die Person wieder unterstützende Aufgaben in einer NASA-Abteilung war, ehe sie wieder einer Raumflugmission zugeordnet wird.

Die Aufgabenvielfalt verlangt dem kleinen Astronautenkader sehr viel ab. Eine Frage einer ehemaligen Astronautin, ob man denn bereits das Regierungsprogramm wahrgenommen hätte, wonach ehemalige Regierungsbeamte (Anmerkung der Redaktion: NASA ist eine Regierungsorganisation) für ihren ehemaligen Arbeitgeber ohne Einhaltung ausufernder bürokratischer Prozesse, ein weiteres Jahr tätig werden können, wurde positiv aufgenommen. Es bleibt abzuwarten, ob die NASA von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird.

Am Horizont zeichnet sich dann doch wieder etwas Entspannung für den Zeitraum nach dem Sommer 2027 ab. Dann wird eine neue Astronautenklasse ihre Grundausbildung abgeschlossen haben. Die nächste Astronautengruppe, die in 2025 ihre Ausbildung starten wird, beginnt in den nächsten Tagen die erste Interviewrunde beim Johnson Space Center. In einer weiteren Interviewrunde, die voraussichtlich Anfang 2025 stattfinden wird, werden aus den anfänglich mehr als 8000 Bewerbern die möglichen 10 Astronautenkandidat:innen herausgefiltert worden sein, die die NASA-Astronautengruppe 24 bilden.

Das Explorationsprogramm sieht folgende Schritte vor:

  • Commercial Lunar Payload Services: kleine Nutzlasten werden auf die Mondoberfäche gebracht
  • Artemis I: Space Launch System / Orion Testflug ohne Besatzung
  • Artemis II: astronautische Mission in die Mondumlaufbahn mit dem Space Launch System / Orion
  • Gateway: Power Propulsion Element (PPE) und Habitation and Logistics Outpost (HALO) werden gestartet
  • Human Landing System (HLS) wird in die Mondumlaufbahn gebracht
  • Artemis III: erste astronautische Mission zur Mondoberfläche
  • Das Lunar Terrain Vehicle (LTV) wird zur Mondoberfläche gebracht

Die Artemis II Crew besteht aus den folgenden Besatzunsmitgliedern:

  • Reid Wiseman (NASA / Kommandant)
  • Victor Glover (NASA Pilot)
  • Christina Hammock Koch (NASA / Missionsspezialistin)
  • Jeremy Hansen (CSA / Missionsspezialist)

Die Artemis II Mission wurde im September 2023, beim vorherigen ASE Planetary Congress in Bursa / Türkei, von Victor Glover bereits für 2024 angekündigt, allerdings haben technische Probleme zu einer Startverschiebung auf September 2025 geführt. Artemis III, also eine erste astronautische Mondlandung ist nunmehr für September 2026 angesetzt.

Grund für diese Verzögerungen sind technische Probleme mit dem Batteriesystem und dem Thermalkontrollsystem von Orion.

Beim letzten Orion-Testflug sind außerdem sicherheitsrelevante Probleme aufgetaucht, die letztendlich zu einer Missionsverschiebung beigetragen haben. Zum einen wird der Verlust von verkohltem Material aus dem Hitzeschild der Orion-Kapsel beim Wiedereintritt untersucht. Der Abtrag vom Hitzeschild ist höher als vorherberechnet. Momentan wird diskutiert, ob man diesen erhöhten Abtrag vom Thermalschutz toleriert, oder ob es für Artemis II angepasst wird. Dieses gilt aber nicht als das Hauptkriterium für die Startverschiebung. Der Hauptverzögerungsgrund besteht in den Ausfällen von Ventilen im Lebenserhaltungssystem des Raumfahrzeugs.

Weitere Untersuchungen finden bei der Trägerrakete statt. Dort hat sich in der Startphase Isolierschaum der Trägerrakete SLS gelöst. Ein ähnlicher Vorfall hatte im 1. Februar 2003 zum tragischen Verlust der Besatzung der Raumfähre Columbia und des Orbiters beim Wiedereintritt geführt.

Ein weiterer Punkt, der untersucht wird, ist das Fluchtseilbahn-Rettungssystem an der Startrampe, bei dem das Bremssystem nicht richtig funktioniert.

Den Neuigkeiten aus dem Astronautenbüro folgte dann die Berichterstattung über die ISS-Nutzung der NASA seit dem letzten ASE Planetary Congress.

Ab dem 20. Januar 2024 besuchte die Axiom-Crew Ax-3 (M. Lopez-Alegria, W. Villadei, A. Gezeravci, H. M. Wandt) für ungefähr 16 Tage die Internationale Raumstation. Damit erweiterte sich die Raumstationsbesatzung für die Expedition 70, die zu diesem Zeitpunkt aus den Crews Soyuz MS-24 (O. Kononenko, N. Chub, L. O’Hara) und SpaceX Crew-7 (J. Moghbeli, A. Mogensen, S. Furukawa, K. Borisov) bestand.

Anfang September 2024 bestand die Expedition 71 aus den Crews Soyuz MS-24 (O. Kononenko, N. Chub, T. Caldwell-Dyson), SpaceX Crew-8 (M. Dominick, M. Barratt, J. Epps, A. Grebyonkin) und der Boeing CFT-1 Crew (B. Wilmore, S, Williams). Die CFT-1 Crew gehörte ab dem 6. September 2024 offiziell zu Expedition 71. An diesem Tag dockte ihre Raumkapsel Boeing CST-100 Starliner unbemannt von der Internationalen Raumstation ab.

Am 11. September 2024 startete Soyuz MS-26 zur Internationalen Raumstation. An Bord waren die Raumfahrer Aleksei Ovchinin, Ivan Wagner und Donald Pettit. Diese lösten die Soyuz MS-24 Crew ab, welche mit dem Raumfahrzeug Soyuz MS-25 am 23. September 2024 zur Erde zurückkehrte. An Bord waren die Kosmonauten Oleg Kononenko, Nikolai Chub und Tracy Caldwell-Dyson. Das Abdocken von Soyuz MS-25 war gleichzeitig der Beginn der Expedition 72. Mit der Landung konnte Oleg Kononenko ein einmaliges Jubiläum feiern. Auf seinen fünf Langzeitexpeditionen verbrachte er 1110 Tage und 4 Stunden im Weltall. Dieser Weltrekord wird so schnell nicht eingeholt werden.

Sunita Williams und Barry Wilmore wurden am 29. September 2024 offiziell Crewmitglieder von SpaceX Crew-9, nachdem dieses Raumfahrzeug an der ISS angedockt hatte. Die Besatzung dieser Mission bestand ursprünglich aus Kommandant Zena M. Cardman, Pilot Tyler N. Hague und den Missionsspezialisten Stephanie D. Wilson und Aleksandr V. Gorbunov. Diese ursprüngliche Crew wurde später durch die Entscheidung des NASA-Chefastronauten Joe Acaba auf zwei Raumfahrer dezimiert. Letztendlich startete SpaceX Crew-9 mit dem Kommandanten Tyler N. Hague und dem Roscosmos Missionspezialisten Aleksandr V. Gorbunov. Die zwei leer bleibenden Sitze in der SpaceX-Raumkapsel werden durch Sunita Williams und Barry Wilmore belegt werden. Stephanie Wilson und Zena Cardman werden nun einer späteren Raumflugbesatzung zugeordnet.

(Anmerkung der Redaktion: Nach einer Übergabe der Crew-Verantwortlichkeiten sollte die SpaceX Crew-8 am 8. Oktober 2024 im Golf von Mexiko landen. Schlechte Wetterbedingungen und der Durchzug des Hurrikan Milton führten dann zu einer mehr als 2-wöchigen Verzögerung, so dass die Landung von SpaceX Crew-8 erst am Freitag, den 25. Oktober 2024 stattfinden konnte.)

Damit besteht nach mehreren Crew-Wechseln die Besatzung von Expedition 72 nunmehr aus der ISS Kommandantin Sunita Williams und den Flugingenieuren Barry Wilmore, Aleksei Ovchinin, Ivan Wagner, Donald Pettit, Tyler Hague und Aleksandr Gorbunov.

SpaceX Crew-10, bestehend aus den Crewmitgliedern Kommandantin Anne McClain, Pilotin Nichole Ayers, sowie den Missionsspezialisten Takuya Onishi und Kirill Peskov, bereiten sich auf ihren Start zur ISS vor. Dieser wird im Februar 2025 stattfinden. Für Kirill Peskov und Nichole Ayers wird es der erste Raumflug sein. Nichole Ayers ist damit gleichzeitig die erste Astronautin aus der NASA-Auswahlgruppe 23, die in den Weltraum startet.

Im Frühjahr 2025 wird Axiom Space ihre vierte private Mission zur Internationalen Raumstation starten. Auf diesen Flug bereiten sich die frühere NASA-Astronautin Peggy Whitson, der Pilot Shubanshu Shukla (Indien) sowie die Missionsspezialisten Slawosz Uznanski (Polen) und Tibor Kapu (Ungarn) vor. Slawosz Uznanski gehört zu den ESA-Reserveastronauten, die im November 2022 von der ESA ausgewählt wurden.

Voraussichtlich im September 2025 soll dann der erste kommerzielle Starliner Flug zur ISS starten. Als Besatzung wurden ausgewählt: Kommandant Scott D. Tingle, Pilot Mike Fincke, der kanadische Missionsspezialist Joshua Kutryk. Der vierte Missionsspezialist ist möglicherweise der japanische Astronaut Kimiya Yui.

Anschließend gab es noch einzelne Fragen aus dem Auditorium. Die wichtigsten zwei Fragen sollen hier wiedergegeben werden.

Frage von Cady Coleman (3 Flüge: STS-73; STS-93; Soyuz TMA-20 / ISS-26 / ISS-27): „Es gibt in der US-Regierung ein Programm, wonach ehemalige Regierungsbeamte bis zu 6 Monate an ihrem alten Arbeitsplatz aushelfen können. Im Hinblick auf die derzeitige stressige Situation im Astronautenbüro wäre das doch eine gute Sache. Macht die NASA so etwas?“

Antwort von Mike Fincke: „Möchtest Du zurückkommen? Wir nehmen Dich gerne zurück. Aber allen Ernstes. Das ist wirklich ein guter Vorschlag. Ich werde das mal im Astronautenbüro vorbringen.

Als wir damals mit der Internationalen Raumstation anfingen, hatten wir auch viel zu tun. Was haben wir gemacht? Wir haben dann einfach die große Gruppe von 44 Raumfahrern eingestellt (Anmerkung der Redaktion: NASA-Klasse 16, genannt „The Sardines“, ausgewählt am 1. Mai 1996). Unsere technischen Einsätze in den Abteilungen dauerten sehr lange bevor wir dann zu unseren ersten Raumflügen nominiert wurden.

Also diesen exzellenten Vorschlag werde ich mitnehmen. So könnten wir unsere Astronauten im Astronautenbüro entlasten und könnten auch noch von den Erfahrungen partizipieren.“

Frage von Carl „Elvis“ Walz (4 Flüge: STS-51; STS-65; STS-79; STS-108 / ISS-04 / STS-111): „Wie sieht der momentane Status der Internationalen Raumstation aus? Ich habe gehört, das es ein Leck gibt und sehr viel Sauerstoff in den freien Weltraum austritt. Und was wird gerade unternommen, um die Situation zu lösen?“

Antwort von Mike Fincke: „Das ist tatsächlich gerade unser größtes Problem. Vor einigen Jahren haben wir im russischen Teil der Raumstation mehrere Risse in der Aluminiumhaut der Raumstation entdeckt. Sie befinden sich im Übergang vom Servicemodul zur hinteren Schleuse, an der Progress- und Soyuz-Raumschiffe andocken. Die Risse hat man immer wieder mit Flicken und einer Art Epoxydharz verschließen wollen. (Anmerkung der Redaktion: Mike Fincke konnte nicht weiter auf die Art der Reparaturmethode eingehen, da es im russischen Teil der Raumstation und somit in russischer Verantwortung liegt.) Leider ist die Leckrate von Sauerstoff mittlerweile so groß, dass wir die Luke zur Schleuse verschließen (Anmerkung der Redaktion: Der Verlust an Sauerstoff hat im Frühjahr 2024 bei 3.7 lbs./day = 1.68 kg/Tag gelegen). Damit verhindern wir, dass Sauerstoff aus den anderen Modulen austreten kann. Deshalb können wir natürlich den hinteren Andockstutzen so nicht mehr nutzen. Die verbliebenen drei Andockstutzen werden dafür jetzt mehr durch russische Zubringerraumschiffe frequentiert. Zur Zeit wissen wir nicht, warum die Risse entstanden sind, daher konnten wir natürlich auch bisher keine dauerhafte Lösung erarbeiten. Nun, die Raumstation wird zwar erst 2030 aufgegeben und zum Absturz gebracht. Aber wir haben nun erst 2024 und es zeigen sich jetzt schon Abnutzungserscheinungen, die uns das Leben wirklich schwer machen.“

Nach dem Update der NASA wurden die Kongressteilnehmer in die Kaffeepause entlassen. Hinterher ging Mike Fincke in einem separaten Vortrag auf das Starliner-Programm und die Zusammenarbeit zwischen NASA und Boeing ein. Dieses tat er so ausführlich, dass wir in einem separaten Artikel davon berichten.

CSA

Der kanadische Astronaut David Saint-Jacques (Sojus MS-11 / ISS-58 / 59) gab danach ein Update zu den kanadischen Raumfahrtaktivitäten. Mehrere kanadische Raumfahrende werden in den nächsten Jahren an Raumflügen teilnehmen. Starliner 1 – Capcom Joshua Kutryk soll im August 2025 mit USCV 10 (CAN-4, dem vierten kanadischen Langzeitflug) zur Internationalen Raumstation starten. Momentan ist der Flug mit dem CST-100 / Starliner geplant. Jeremy Hansen und seine Back-up-Kollegin Jennifer Sidey-Gibbons trainieren zur Zeit für einen Flug mit Artemis II. Dieser Flug war für September 2025 geplant, wurde aber dann auf 2026 verschoben. Derzeit sind noch zwei weitere Raumflüge in einer ersten Planungsphase. Ein noch nicht benannter kanadischer Raumfahrer soll 2030 mit dem Flug USCV 20 (CAN-5) zur Raumstation fliegen. Eine weitere Fluggelegenheit ergibt sich vielleicht für das Jahr 2033, dann ergäbe sich möglicherweise eine Option für einen noch nicht näher bezeichneten Flug zur geplanten Mondorbitalstation Gateway.

Auch erinnerte David Saint-Jacques in seinem Vortrag an ein Flugjubiläum, welches sich am 5. Oktober 2024 zum 40. Mal jährte: Am 05. Oktober 1984 startete das Space Shuttle Challenger zur Mission STS-41G. Dieser Flug dauerte etwas mehr als acht Tage. An Bord war Marc Garneau, der als Nutzlastspezialist eingesetzt war. Dieser wurde damit der erste kanadische Staatsbürger, der in den Weltraum geflogen ist.

40. Jahrestag des Starts von Marc Garneau als erstem Kanadier in den Weltraum Bild: Kirsten Müller
40. Jahrestag des Starts von Marc Garneau als erstem Kanadier in den Weltraum
Bild: Kirsten Müller

Auf der ISS gibt es für Biowissenschaften drei kanadische Einrichtungen: den Bio-Monitor, den Mobil-O-Graphen und den Bio-Analyzer. Kanada betreibt dort Forschung auf elf Gebieten der Weltraummedizin. Auch wird Kanada die ISS bis 2030 unterstützen mit dem Betreiben des Canadarm2 / Dextre, das sind ewa 2,3 % der ISS-Zusammenarbeit. Canadarm2 wird mehr und mehr vom Boden aus gesteuert und im August 2024 fing er mit NG21 sein 50. frei fliegendes Objekt seit der Installation im Jahr 2009 ein. Für die Zeit nach dem Ende der ISS plant Kanada, sich ab 2029 mit Canadarm-3 an Gateway zu beteiligen. Dieser wird etwas kleiner sein als Canadarm2, wird für Einsätze ohne Crewbeteiligung unabhängiger operieren und soll Außenbordeinsätze unterstützen.

Bei Artemis-II wird Jeremy Hansen der erste Nicht-US-Bürger sein, der die Erdumlaufbahn verlassen und zum Mond fliegen wird. Kanada wird sich auch um 2033 herum an einem Mondfahrzeug beteiligen. Dieses wird man gebrauchen können für logistische Zwecke, für den Transport von Lasten und für Bauarbeiten. Außerdem wird an Programmen zur medizinischen Versorgung und zur Lebensmittelproduktion im tiefen Weltraum gearbeitet.

Nach Ende der Präsentation wurde die folgende Frage gestellt: Da der Canadarm ja eine Kamera ersetzt habe, die vor 25 Jahren entworfen worden war: war dieses ein Gedanke von vor 25 Jahren oder von danach? Saint-Jacques antwortete, dass man erst vor relativ kurzer Zeit auf die Idee gekommen ist, dass der Canadarm manche Verrichtungen auch automatisch tun könne. Ursprünglich wurde größtenteils nur an Bedienung durch Menschen gedacht. Mittlerweile denkt man auch über Software für automatische Bedienung nach. Die zweite Frage galt den kanadischen Beiträgen im Bereich der medizinischen Versorgung der Raumfahrenden. Dieses Gebiet liegt Saint-Jacques als Mediziner besonders am Herzen. Man selektiere zuerst mal besonders gesunde Leute, jedoch müsse im Hinblick auf Langzeitmissionen die medizinische Versorgung verbessert werden. Ähnlich sei das in Kanada selbst in ländlichen Gegenden auch. Man müsse also darüber noch weiter forschen.

Mit diesem Vortrag wurde der technische Teil des zweiten Tages abgeschlossen. Nachmittags fand für die Teilnehmenden des Kongresses ein Rahmenprogramm in Amsterdam in Form eines Konzertes, eines Empfangs beim niederländischen König und eines Abendessens statt.

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