WISE: Kein Planet X im äußeren Sonnensystem

Im Rahmen der Auswertung der mit dem Infrarotteleskop WISE gewonnenen Daten stießen die Wissenschaftler auf mehrere Tausend zuvor unbekannte Sterne und eine Vielzahl neu entdeckter Asteroiden. Die Existenz eines größeren Planeten, welcher bisher unentdeckt in unserem äußeren Sonnensystem die Sonne umkreist, kann dagegen ausgeschlossen werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL.

NASA, JPL-Caltech, Gemini Observatory, AURA, NSF
Das Doppelsystem WISE J104915.57-531906. In der WISE-Aufnahme konnten die beiden Braunen Zwerge, welche in einer Entfernung von etwa 6,5 Lichtjahren zur Sonne ein Sternpaar bilden, nicht getrennt abgebildet werden. Dies gelang jedoch im Rahmen von nachfolgenden Beobachtungen mit dem GEMINI-South-Teleskop in Chile, dessen Hauptspiegel über einen Durchmesser von 8,1 Metern verfügt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Gemini Observatory, AURA, NSF)

Bereits am 14. Dezember 2009 startete die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA das Weltraumteleskop WISE (kurz für Wide-field Infrared Survey Explorer). Das wissenschaftliche Ziel dieser Mission bestand in einer vollständigen Kartierung des Himmels in vier verschiedenen infraroten Wellenlängenbereichen. Bei der Auswertung des umfangreichen Datenmaterials, welches das WISE-Teleskop in den folgenden Monaten seiner Primärmission von fast 750 Millionen kosmischen Objekten gesammelt hat, stießen die Astronomen unter anderem auf eine große Anzahl von bisher unentdeckten Supermassereichen Schwarzen Löchern und eine zuvor unbekannte Galaxienklasse (Raumfahrer.net berichtete).

In einem Umkreis von 500 Lichtjahren um unser Sonnensystem entdeckten die Astronomen zudem 3.525 zuvor unbekannte Sterne und Braune Zwerge. Zwei dieser Braunen Zwerge bilden dabei ein Doppelsystem, welches sich lediglich etwa 6,5 Lichtjahre von der Sonne entfernt befindet (Raumfahrer.net berichtete). Und auch in unserem Sonnensystem konnten mittels der WISE-Daten mehrere Zehntausend Asteroiden und etwa zwei Dutzend Kometen entdeckt werden.

„Wir haben Objekte entdeckt, die zuvor komplett übersehen wurden“, so Davy Kirkpatrick von dem für die Datenauswertung zuständigen Infrared and Processing Analysis Center der NASA am California Institute of Technology (CIT) in Pasadena/Kalifornien.

Kein „Planet X“ jenseits von Neptun
Bei diesen neu entdeckten Asteroiden handelt es sich jedoch durchweg um relativ kleine Objekte mit Durchmessern von maximal wenigen Kilometern, welche sich zudem größtenteils innerhalb der Umlaufbahn des Jupiters um die Sonne bewegen. Anzeichen für einen massereichen Gasplaneten, welcher laut verschiedenen Theorien weit jenseits des Planeten Neptun im Bereich der Oortschen Wolke um die Sonne kreisen soll, wurden dagegen nicht gefunden.

Dieser hypothetische Planet, auch als „Planet X“ oder „Tyche“ bezeichnet, wurde in der Vergangenheit mehrfach von diversen Verschwörungstheoretikern und „Weltuntergangspropheten“ ins Spiel gebracht, um einen angeblich bevorstehenden, durch eine Kollision mit der Erde hervorgerufenen Weltuntergang heraufzubeschwören.

Allerdings verfügt die Theorie eines bisher unentdeckten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems auch über einen wissenschaftlichen Hintergrund, denn die derzeitigen Modelle zur Entstehung unseres Sonnensystems und der anschließend erfolgenden Veränderungen der Planetenumlaufbahnen lässt die Existenz eines weiteren Planeten durchaus denkbar erscheinen.

Im Jahr 1999 analysierten zudem mehrere Astronomen die Bahnen von verschiedenen langperiodischen Kometen. Dabei gelangten sie zu dem Ergebnis, dass ein bisher unbekannter Planet bei den Kometen der Oortschen Wolke regelmäßige Bahnstörungen verursachen könnte. Diese Objekte würden dabei auf hoch elliptischen Kometenbahnen in das innere Sonnensystem gelenkt. Allerdings müsste die Masse dieses hypothetischen Planeten zu deutlich erkennbaren Störungen in den Umlaufbahnen der Planeten, Zwergplaneten und Asteroiden des äußeren Sonnensystems führen. Da derartige Störungen bisher noch nicht nachgewiesen werden konnten, müsste sich der „Planet X“ – sollte er denn überhaupt existieren – sehr weit jenseits der Umlaufbahn des Neptun befinden.

Penn State University
Die Daten von WISE zeigen keine Hinweise auf die Existenz eines bisher unentdeckten größeren Gasplaneten in den Bereichen des äußeren Sonnensystems. Diese Grafik gibt die Entfernung und die minimale Masse wieder, über die ein Planet verfügen muss, um von WISE aufgespürt zu werden.
(Bild: Penn State University)

Dank der WISE-Aufnahmen konnten die mit der Auswertung beschäftigten Astronomen jetzt die Theorie eines weiteren, bisher unentdeckten Planeten überprüfen, denn die von WISE im infraroten Bereich des Lichts gewonnenen Daten sind sehr gut dazu geeignet, um auch nach extrem lichtschwachen Objekten innerhalb unseres Sonnensystems zu suchen.

Innerhalb einer Entfernung von 10.000 Astronomischen Einheiten zur Sonne, so die Astronomen, kann die Existenz eines saturngroßen Planeten ausgeschlossen werden. Bis zu einer Entfernung von 26.000 Astronomischen Einheiten – dies entspricht in etwa einem Viertel des vermutlichen Durchmessers der Oortschen Wolke – ist zudem auch das Vorhandensein eines von seiner Masse her mit dem Jupiter vergleichbaren Planeten ausgeschlossen. Zum Vergleich: Mit einer Astronomischen Einheit (kurz „AE“) beschreiben Astronomen die mittlere Distanz zwischen der Erde und der Sonne. Eine AE entspricht etwa 150 Millionen Kilometern.

Und auch kein „Begleitstern“ der Sonne
„Wir gehen davon aus, dass es in den WISE-Daten noch mehr Sterne gibt, die wir bisher noch nicht entdeckt haben“, so Ned Wright von der University of California in Los Angeles/USA, der für die WISE-Mission verantwortliche Wissenschaftler. „Wir kennen die Umgebung unseres Sonnensystems nicht so gut, wie man vielleicht denken mag.“ Diese bisher unentdeckten Sterne würden sich dabei allerdings in mehreren Lichtjahren Entfernung zu unserem Sonnensystem bewegen.
„Sterne oder Braune Zwerge, die uns vergleichsweise nahe sind, verraten sich bei zeitversetzten Beobachtungen in Relation zu entfernteren Objekten durch eine stärkere Positionsveränderung am Himmel“, so Davy Kirkpatrick weiter. Relativ nahe bei der Sonne befindliche Sterne würden sich dabei aufgrund ihrer hohen Eigenbewegung bemerkbar machen, so Ned Wright.

„Im äußeren Sonnensystem existiert sehr wahrscheinlich kein größeren Gasplaneten und auch kein kleinerer stellarer Begleiter der Sonne“, so Kevin Luhman vom Center for Exoplanets and Habitable Worlds an der Penn State University/USA. Auch die Existenz von Nemesis – so der Name für einen eventuell existierenden Begleitstern der Sonne – kann demzufolge ausgeschlossen werden.

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