Wie Huygens den Titan sah, roch und fühlte

Die ESA hat auf einer Pressekonferenz in ihrem Hauptquartier in Paris am Freitag weitere Forschungsergebnisse der sehr erfolgreichen Huygens-Mission vorgestellt.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: ESA TV.

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ESA-Pressekonferenz in Paris.
(Bild: ESA/P. Sebirot)

Nach einer Begrüßung durch David Southwood schilderte Jean-Pierre Lebreton detailliert den Verlauf des Abstiegs und der Landung von Huygens aus dem technischen Protokoll der Borddaten. Es begann mit dem planmäßigen Entfalten aller drei Fallschirme. In den oberen Schichten der Atmosphäre sei es stürmischer gewesen als erwartet, die Sonde hätte doch arg an ihrem Fallschirm hin und her geschwungen. Später habe sich das dann gegeben und die Sonde sei eine „stabile Plattform“ für die Instrumente gewesen, insbesondere natürlich die DISR-Kameras. Die Landung auf der Titan-Oberfläche sei wiederum überraschend sanft gewesen, was wohl mit ein Grund dafür war, dass die Sonde die Landung so gut überstand, so lange durchhielt und länger Daten sendete, als Cassini aufnehmen konnte.

Er ging auch noch einmal kurz auf den Datenverlust durch den Ausfall von Datenkanal A ein. Doch anhand der „erstaunlichen, unglaublichen Informationen“ (Zitat), die man aus dem auf der Erde aufgezeichneten Trägersignal gewinnen könne, könne der Verlust wett gemacht werden. Allerdings soll die Auswertung noch Monate dauern.
Lebreton sagte, aus den zahlreichen Daten der einzelnen Instrumente an Bord füge sich jetzt langsam das eine, „große Bild“ vom Titan zusammen. Dann kamen die Experimentleiter zu Wort.

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Die Landestelle von Huygens . Der rote Kreis zeigt den Sichtkreis der DISR-Kameras aus 20 km Höhe (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: ESA/NASA/University of Arizona)

Martin Tomasko (DISR) präsentierte die bereits gezeigten sowie einige neue Bilder vom Titan und die daraus resultierende Sicht der Titan-Oberfläche. Man sei mit dem Landeplatz von Huygens sehr glücklich, denn die Sonde ist – wie von Anfang an geplant war! – fast genau an einer Grenze zwischen einem hellen und einem dunklen Gebiet nieder gegangen, so dass man sowohl auf das helle als auch auf das dunkle Material einen Blick aus der Nähe habe werfen können. Das helle Material sei nicht wirklich „hell“, es habe auch nur eine Reflektivität von 12%, während das dunkle Material eine von 10% habe, so dass ein Mensch auf der Oberfläche des Titan keinen Unterschied würde wahrnehmen können. Wohl aber die Kameras von DISR, die mehr im Infraroten arbeiteten. Die küsten- und kanalartigen Strukturen auf den Bildern seien tatsächlich so zu interpretieren, dass es sich um Abflüsse handele, die von einer Flüssigkeit in den Grund eingeschnitten worden seien. Es wirken die selben physikalischen Erosionsprozesse wie auf der Erde, nur dass hier, auf einer Welt mit einer Oberflächentemperatur von minus 180 Grad Celsius, ganz andere Stoffe eine Rolle spielen als auf der Erde.
Die beherrschende Rolle, die auf der Erde das Wasser einnimmt, spiele auf dem Titan das Methan. Es komme in der Atmosphäre in gasförmiger Form vor und regne in flüssiger Form auf die Oberfläche hinab. Diese Oberfläche besteht im Wesentlichen aus schmutzigem Eis, Wassereis. (Wassereis ist bei minus 180 Grad Celsius so hart, dass es wunderbare Steine und Felsen abgibt. Die uns so vertrauten irdischen Steine und Felsen aus Granit und Basalt sind ja auch nichts Anderes als gefrorene Lava.) Dieses Eisgestein sei mit lockerem, dunklem, organischem Material bedeckt, das sich als Fallout von Schwebeteilchen aus der Atmosphäre bilde. Der Methanregen falle auf die Oberfläche, grabe Kanäle in das dunkle Material und in die Eisfelsen. Das ausgewaschene dunkle Material bedecke den Grund der Kanäle und lasse diese somit dunkel erscheinen gegen die helleren Eisfelsen.

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Helles Eisgestein, ausgewaschenes Material in dunklen Kanälen und das „ausgetrocknete Meer“, über dem einige Wolken oder Nebel schweben.
(Bild: ESA/NASA/University of Arizona)

Das Methan fließe, wie auf der Erde, talwärts und sammle sich schließlich in den einheitlich dunkel erscheinenden großen Flächen, die aussehen wie ausgetrocknete Meere. Tomasko sagte, dass es am Tag von Huygens‚ Landung nicht geregnet habe, aber es könne sehr wohl sein, dass es noch gestern (und zwar wörtlich gestern) noch geregnet habe und dass es morgen durchaus auch wieder regnen könne. Warum sieht man dann kein fließendes Methan auf dem Titan, keine Meere und Seen, noch nicht einmal Becken oder wenigstens Pfützen? Tomasko erklärte dies damit, dass das flüssige Methan schnell im Boden versickere. Man sehe es nicht, aber es sei da, nur Zentimeter unter der Oberfläche. Dass es nicht nur in den Kanälen, sondern auch in den dunklen Gebieten zumindest vorübergehend schon fließendes Methan gegeben haben muss und zwar in größeren Mengen, wies Tomasko anhand einiger Bilder von großen, tropfenförmigen Oberflächenstrukturen nach, denen man förmlich ansah, dass sie von umfließender Flüssigkeit geformt worden waren. Denkbar sei auch, dass fließendes Methan auf dem Titan zwar nicht ständig vorhanden sei, aber periodisch auftrete, wie es auf der Erde Schnee ja auch nur im Winter gibt. Cassini und Huygens sind ja erst vor wenigen Monaten im Saturnsystem angekommen. (Eine Rolle spielt sicher auch das relativ enge Temperaturband von -182 bis -161 Grad Celsius, in dem Methan flüssig ist. Also etwa 20 Grad gegenüber den 100 Grad des Wassers, das senkt die Wahrscheinlichkeit, Methan flüssig anzutreffen.)

Toby Owen stellte die Ergebnisse des GCMS-Experiments (Gaschromatografie und Massenspektrometrie) vor. Er verglich die Atmosphäre des Titan mit der der Erde. Beide Himmelskörper zeichneten sich dadurch aus, dass in ihnen Stickstoff das dominierende Element sei. Und anders als auf der Venus sei auch auf beiden Welten Kohlendioxid (CO2) nicht in großen Mengen vorhanden, obwohl die Voraussetzungen durchaus vorhanden seien. Auf dem Titan sei es die große Kälte, die die Bildung von CO2 verhindere. Eigentlich müsse das Methan mit der Zeit kondensieren und der Methangehalt der Atmosphäre somit sinken. Dass dem nicht so ist, erklärte Owen mit einer „Quelle von Methan“ im Titan selbst. Er zeigte ein Schaubild der Messungen von Huygens, wonach der Methangehalt der Atmosphäre zur Oberfläche hin deutlich anstieg, und bestätigte damit die Ansicht von Tomasko, dass es flüssiges Methan auf dem Titan gebe, auch wenn man es nicht sieht, weil es dicht unter der Oberfläche sei. Der Methangehalt in der Titan-Atmosphäre sei so hoch, dass man froh sein müsse, dass es keinen Sauerstoff dort gebe, weil diese Welt sonst sehr schnell brennen oder gar explodieren würde. Ohne Sauerstoff könne man die Titanatmosphäre auch nicht riechen – sonst würde man den Geruch als „belebend“ empfinden, so Owen.

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Inseln im Strom? Helle Strukturen, die sich aus einem dunklen Gebiet erheben und wirken, als seien sie von umströmender Flüssigkeit geformt worden.
(Bild: ESA/NASA/University of Arizona)

John Zarnecki präzisierte die bereits vor einer Woche vorgestellten Ergebnisse der Oberflächen-Untersuchung des SSP, und zwar speziell des Penetrometers, dessen Ergebnisse auf eine dünne, harte Kruste über einem relativ weichen Boden wie aus Sand oder Lehm hingewiesen hatten. In der seither vergangenen Woche seien in seinem Institut praktische Fallversuche mit einem baugleichen Penetrometer und verschiedenen Materialien unternommen worden. Die beste Annäherung an den auf dem Titan gemessenen Kurvenverlauf der Eindringkraft habe man mit einem Sand aus Glaspartikeln erzielt. So müsse man sich also die Beschaffenheit des Bodens vorstellen.

Aus den Messungen der Instrumente gehe hervor, dass Huygens in der Zeit nach seiner Landung in eine Methanwolke gehüllt gewesen sein müsse. Dieses Phänomen wurde auch von anderen Instrumenten wahr genommen, sagten deren Experimentleiter. (In dieser froststarren Welt mag die vom Himmel fallende und von innen beheizte Raumsonde vom dritten Planeten des Sonnensystems wohl wie ein glühender Metallkörper gewesen sein, der bei seinem Auftreffen sofort den Boden aufzischen und verdampfen ließ, dass noch einige Zeit eine Methandampfwolke von der Stelle aufstieg…)

Jean-Pierre Lebreton ergriff noch einmal das Wort und schlug den Bogen von Huygens zu Cassini, die noch jahrelang das Saturnsystem und darin vor allem den Titan erkunden wird. Huygens habe Cassini mit ihrem aufopfernden Kundschaftergang den Schlüssel zur korrekten Interpretation der gemessenen Daten geliefert, sowohl vergangener wie zukünftiger Vorbeiflüge am Titan. Lebreton dankte der europäischen Raumfahrtindustrie, hier vor allem der Firma Alcatel Space, die Huygens gebaut hat, und bedankte sich bei den amerikanischen Kollegen von der NASA, speziell dem Cassini-Team des JPL, für die exzellente Zusammenarbeit.

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Eisvulkan? Auffallend helle Struktur, vielleicht aus Wassereis, das sich an die Oberfläche gedrückt hat, sowie kurze dunkle Kanäle, die vielleicht Methanquellen darstellen.
(Bild: ESA/NASA/University of Arizona)

Auf eine Frage aus dem Publikum, wie ähnlich denn nun der Titan der frühen Erde sei, sagte Toby Owen, dass es sich beim Titan um eine Welt handele, die durch die große Kälte immer noch in einem sehr primitiven Stadium verharre. Erst in vier Milliarden Jahren, wenn die Sonne anfangen werde, mehr Wärme abzustrahlen als jetzt, werde Titan anfangen, aufzutauen. Dann würden sich auch andere Gase bilden als Methan, etwa die von der Erde vertrauten Kohlendioxid und Sauerstoff.

Auf eine weitere Frage aus dem Publikum wagte Jean-Pierre Lebreton einen Ausblick auf weitere Missionen zum Titan. Der nächste Schritt sei sicher, ein mobiles Forschungsgerät auf den Titan zu bringen. Mit seiner dichten Atmosphäre und niedrigen Gravitation ist diese Welt geradezu prädestiniert für Fluggeräte. (An anderer Stelle stand zu lesen, dass selbst ein Mensch auf dem Titan fliegen könnte, allein durch die Muskelkraft seiner Arme). So sei etwa eine Titansonde auf Basis eines Ballons oder sonstigen Fluggeräts denkbar. Aber auch das Marsrover-Team habe Interesse am Titan bekundet. Der Mars sei ihnen mittlerweile etwas langweilig geworden und sie würden jetzt gern einmal einen Rover auf dem Titan sehen…

In seinem Schlusswort dankte David Southwood noch einmal allen Beteiligten. An diesem Projekt seien Tausende von Menschen beteiligt gewesen, insbesondere bei den Partnerfirmen der europäischen Raumfahrtindustrie. Ohne die Arbeit dieser Namenlosen würden auch die Wissenschaftler jetzt nicht hier vor den versammelten Medien der Welt sitzen. Southwood drückte den Stolz der ESA auf das gelungene Projekt aus. Europa habe mit dieser Mission bewiesen, dass es fähig sei zu anspruchsvoller interplanetarer Forschung.

Hier können Sie Soundfiles vom Abstieg herunter laden. Man sollte allerdings nicht zu viel erwarten:

Windgeräusche während des Abstiegs mit Pumpengeräusch im Hintergrund (MP3 500k)
Bodenradar kurz vor dem Aufsetzen, konvertiert in Geräusche (MP3 500k)
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