Wie europäische Raumfahrt funktioniert

Raumfahrt ist nicht nur technologisch faszinierend, als weitgehend staatlich geprägter Sektor ergeben sich auch Einblicke in die politischen Strukturen. Ich sprach mit dem Luft- und Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung, Thomas Jarzombek MdB, über ihr Verständnis der europäischen Raumfahrtpolitik. Vielleicht könnte man sagen, Raumfahrt ist Geschwindigkeit – auch für die Politik und es muss mehr passieren.

Ein Beitrag von Thomas Brucksch. Quelle: Interview.

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Thomas Jarzombek MdB
(Bild: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)

Thomas Jarzombek kennt sich aus mit Digitalthemen, er befasste sich im letzten Bundestag mit der Digitalen Agenda der Bundesregierung. In der Regierung gibt es jetzt einen Kabinettsausschuss Digitalisierung, in dem die Ministerien koordiniert und Entscheidungen getroffen werden sollen. Unter Helmut Kohl gab es auch mal einen Kabinettsausschuss Raumfahrt, aber der wurde eingestellt, weil ein Koordinator die Dinge erfolgreich regeln konnte.

Von Herrn Jarzombek möchte ich wissen, ob die erklärte deutsche Präferenz für die ESA und die Präferenz für Anwendungen nicht ein Widerspruch sind und ob man überhaupt verstehen kann, wer Europäische Raumfahrt macht und der Brexit die Kluft vergrößert.

Jarzombek: „Die ESA hat sich in ihrer Struktur bewährt. Die ESA hat einen langen Track-Record und funktioniert so, dass am Ende Staaten sich bereit finden, Projekte zu machen und nur die Staaten, die diese machen wollen, müssen die dann auch finanzieren. Rückflüsse, sogenannte Workshares, in die Länder, die bezahlt haben, fließen dahin wieder zurück. Das hat erstmal den Vorteil, dass sie nicht jeden der Mitgliedstaaten für ein Vorhaben gewinnen muss, es können sich diejenigen engagieren, die auch wirklich wollen. Die Rechtfertigung von öffentlichen Investitionen ist leichter, wenn man sagen kann, das Geld sichert Arbeitsplätze und Standorte im eigenen Land. Die ESA hat sich daher als operative Einrichtung, die konkrete Projekte umsetzt, bewährt. Die EU hat hierfür nicht die Strukturen so zu agieren. Allerdings finanziert auch die EU wichtige Raumfahrtprogramme, insbesondere Copernicus und Galileo.“

Wer die Diskussion in unserem Forum verfolgt, wird die Diskussion um ESA/EU und Geo-Return kennen. Spätestens zur ESA-Ministerratskonferenz 2019 in Madrid wird man sich wieder ein Bild von der Effektivität machen können.

Für Thomas Jarzombek scheint rasche Entscheidungsfähigkeit ein zentrales Element der aktuellen Politik zu sein, jedenfalls zeigt er sich doch beeindruckt vom Handeln eines Elon Musk u.a.. In der Raumfahrtpolitik geht es auch um Wettbewerbsfähigkeit, also quasi die Kernkompetenz des Wirtschaftsministeriums. Er fordert nicht nur unternehmerisches Handeln, sondern will selbst eine Strategie entwickeln, wie für „New Space“ und Startups ein „Öko-System“ geschaffen werden kann, um neue Akteure mit neuen Ideen und großer Geschwindigkeit zu gewinnen. Entsprechende Instrumente werden im Ministerium diskutiert. Missionsziel ist das Jahresende und es soll zusätzlich Kooperationen mit Frankreich geben. In Meseberg hatte man mit Frankreich auch die Wettbewerbsfähigkeit im Raumfahrtsektor diskutiert.

privat
Buchcover „Europas Wege in den Weltraum“ von 1989
(Bild: privat)

Ist Elon Musk der Sputnik-Moment für mehr Innovation? Aktuell scheint das politisch mehr im Bereich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz stattzufinden. In der Raumfahrt geht es um komplexe technische Projekte, Sicherheit und meist auch viel Geld, was den Sektor eher konservativ macht. „Geschwindigkeit“ ist aber nicht nur für die Raumfahrt ein entscheidendes Element, vielleicht jetzt auch für die Politik.

Wissen wollte ich auch, ob in Europa nicht auch ein bisschen mehr Transparenz über Raumfahrt möglich ist, wie in den USA/NASA, wo man in öffentlichen Kongress-Hearings, Berater-Boards und Security-Panels viele Informationen über laufende Aktivitäten als Interessierter mitbekommen kann. Europa scheint da zu sehr auf Schönwetter Raumfahrt ausgelegt zu sein – schöne Bilder/Erfolgsnews, aber zu wenig Aktuelles/Hintergrundinfos.

Herr Jarzombek jedenfalls ist ein großer Verfechter der Open Data Policy und verspricht, den Hinweis aufzunehmen.

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