Wie die Erderwärmung astronomische Beobachtungen beeinträchtigt

Astronomische Beobachtungen mit bodengebundenen Teleskopen sind extrem abhängig von lokalen atmosphärischen Bedingungen. Der menschgemachte Klimawandel wird einige dieser Bedingungen an Beobachtungsstandorten rund um den Globus negativ beeinflussen, wie ein Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS berichtet. Eine Medienmitteilung der Universität Bern.

Quelle: Universität Bern 22. September 2022.

Der Laserleitstern des VLT: Vom 8,2-Meter-VLT-Teleskop Yepun ragt ein Laserstrahl in den majestätischen Südhimmel und erzeugt dort in 90 Kilometern Höhe einen künstlichen Stern hoch in der Mesosphäre der Erde. Der Laserleitstern (engl. Laser Guide Star, kurz LGS) ist Teil des Systems adaptiver Optik am VLT und wird als Referenz verwendet, um den Einfluss der Erdatmosphäre aus Bildern herauszukorrigieren. (Bild: ESO / G. Hüdepohl (atacamaphoto.com))

22. September 2022 – Die Qualität bodengebundener astronomischer Beobachtungen hängt entscheidend von der Klarheit der Atmosphäre über dem Ort ab, von dem aus sie gemacht werden. Die Standorte für Teleskope werden daher sehr sorgfältig ausgewählt. Sie werden oft hoch über dem Meeresspiegel gebaut, so dass weniger Atmosphäre zwischen ihnen und ihren Zielen steht. Viele Teleskope werden auch in Wüsten gebaut, da Wolken und sogar Wasserdampf eine klare Sicht auf den Nachthimmel behindern.

Ein Team von Forschenden unter der Leitung der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS zeigt in einer Studie, die in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurde und die auf dem Europlanet Science Congress 2022 in Granada vorgestellt wurde, wie eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – der menschgemachte Klimawandel – nun selbst unseren Blick in den Kosmos beeinträchtigt.

Caroline Haslebacher, Center for Space and Habitability (CSH), Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) und NFS PlanetS, Universität Bern (Bild: zvg)

Ein blinder Fleck im Auswahlverfahren
«Obwohl Teleskope in der Regel eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten haben, werden bei der Standortwahl die atmosphärischen Bedingungen nur für einen kurzen Zeitraum berücksichtigt. In der Regel sind das die letzten fünf Jahre – zu kurz, um langfristige Trends zu erfassen, geschweige denn zukünftige Veränderungen durch die globale Erwärmung abzubilden», sagt Caroline Haslebacher, Hauptautorin der Studie und Forscherin am Nationalen Forschungsschwerpunkt NFS PlanetS an der Universität Bern. Das Forschungsteam, zusammengesetzt aus Forschenden der Universität Bern und des NFS PlanetS, der ETH Zürich, der Europäischen Südsternwarte ESO sowie der University of Reading in Großbritannien, hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, diese langfristige Perspektive aufzuzeigen.

Verschlechterung der Bedingungen rund um den Globus
Ihre Analyse künftiger Klimatrends, die auf hochauflösenden globalen Klimamodellen basieren, zeigt, dass bedeutende astronomische Observatorien von Hawaii bis zu den Kanarischen Inseln, Chile, Mexiko, Südafrika und Australien bis 2050 wahrscheinlich einen Anstieg der Temperatur und des atmosphärischen Wassergehalts erleben werden. Dies wiederum könnte zu einem Verlust an Beobachtungszeit und einem Qualitätsverlust der durchgeführten Beobachtungen führen.

«Heutzutage sind astronomische Observatorien auf die aktuellen Standortbedingungen ausgelegt und haben nur wenige Möglichkeiten zur Anpassung. Mögliche Folgen der klimatischen Bedingungen für die Teleskope sind daher etwa ein erhöhtes Kondensationsrisiko durch einen erhöhten Taupunkt oder schlecht funktionierende Kühlsysteme, die dann zu mehr Luftturbulenzen in der Teleskopkuppel führen können», sagt Haslebacher.

Dr. Marie-Estelle Demory, Wyss Academy for Nature, Universität Bern (Bild: zvg)

Dass die Auswirkungen des Klimawandels auf Observatorien bisher nicht berücksichtigt wurden, war kein Versehen, wie Studienmitautorin Marie-Estelle Demory sagt, sondern lag nicht zuletzt am Stand der Technik: «Es ist das erste Mal, dass eine solche Studie überhaupt möglich war. Dank der höheren Auflösung der globalen Klimamodelle, die im Rahmen des Horizon 2020-Projekts PRIMAVERA entwickelt wurden, konnten wir die Bedingungen an verschiedenen Orten des Globus sehr genau untersuchen – etwas, das wir mit herkömmlichen Modellen nicht tun konnten. Diese Modelle sind wertvolle Werkzeuge für unsere Arbeit an der Wyss Academy», so die leitende Forscherin an der Universität Bern und Mitglied der Wyss Academy for Nature.

«Das erlaubt es uns nun mit Sicherheit zu sagen, dass bei der Standortwahl für Teleskope der nächsten Generation, beim Bau und bei der Wartung von astronomischen Einrichtungen der anthropogene Klimawandel berücksichtigt werden muss», sagt Haslebacher.

Wyss Academy for Nature
Die Wyss Academy for Nature an der Universität Bern ist ein Ort der Innovation, an dem Forschung, Wirtschaft, Politik und Gemeinschaften zusammenkommen, um gemeinsam Lösungen für eine nachhaltige Zukunft zu entwerfen. Die Mission der Wyss Academy ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Tat umzusetzen. Sie kombiniert ehrgeizige, innovative Ziele mit einem transformativen Ansatz und wurde gegründet, um innovative, langfristige Wege zu entwickeln, die die Erhaltung der biologischen Vielfalt, das menschliche Wohlergehen und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen in einer Vielzahl von Landschaften auf der ganzen Welt stärken und miteinander in Einklang bringen. Die Wyss Academy for Nature betreibt derzeit Hubs in Zentraleuropa (Bern, Schweiz), Südostasien, Ostafrika (Kenia) und Südamerika (Peru).
Im Dezember 2019 haben die Wyss Foundation, die Universität Bern und der Kanton Bern den tripartiten Rahmenvertrag zur Wyss Academy for Nature an der Universität Bern unterzeichnet. Im Mai 2020 wurde darauf gestützt die Wyss Academy als unabhängige Stiftung gegründet, der Stiftungsrat eingesetzt und der Direktor gewählt. Die Wyss Foundation stiftet im Rahmen der Wyss Campaign for Nature einen Beitrag von 100 Millionen Franken. Kanton und Universität Bern tragen je 50 Millionen Franken bei.
Weitere Informationen: www.wyssacademy.org.

Center for Space and Habitability (CSH)
Die Aufgabe des Center for Space and Habitability (CSH) ist es, den Dialog und die Interaktion zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu fördern, die sich für die Entstehung, Entdeckung und Charakterisierung anderer Welten innerhalb und außerhalb des Sonnensystems, die Suche nach Leben anderswo im Universum und deren Auswirkungen auf Disziplinen außerhalb der Naturwissenschaften interessieren. Zu den Mitgliedern, Affiliates und Mitarbeitenden gehören Expertinnen und Experten aus der Astronomie, Astrophysik und Astrochemie, Atmosphären-, Klima- und Planetenforschung, Geologie und Geophysik, Biochemie und Philosophie. Das CSH beherbergt die CSH und Bernoulli Fellowships, ein Programm für junge, dynamische und talentierte Forschende aus der ganzen Welt, um unabhängige Forschung zu betreiben. Es führt aktiv eine Reihe von Programmen durch, um die interdisziplinäre Forschung innerhalb der Universität Bern zu stimulieren, einschließlich der Zusammenarbeit und des offenen Dialogs mit Medizin, Philosophie und Theologie.
Weitere Informationen: https://www.csh.unibe.ch/.

Europlanet Science Congress (EPSC)
Der Europlanet Science Congress, ehemals European Planetary Science Congress, ist die Jahrestagung der Europlanet Society. Mit einer 16-jährigen Erfolgsgeschichte und regelmäßig rund 1’000 Teilnehmenden ist der EPSC die größte Tagung der Planetenwissenschaften in Europa. Er deckt das gesamte Spektrum der Planetenwissenschaften mit einer umfangreichen Mischung aus Vorträgen, Workshops und Postersitzungen ab und bietet einen einzigartigen Raum für die Vernetzung und den Austausch von Erfahrungen.
Weitere Informationen: https://www.epsc2022.eu/.

Europlanet
Seit 2005 bietet Europlanet der europäischen Gemeinschaft der Planetenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern eine Plattform für den Austausch von Ideen und Personal, die gemeinsame Nutzung von Forschungsinstrumenten, Daten und Einrichtungen, die Festlegung wichtiger wissenschaftlicher Ziele für die Zukunft und die Einbeziehung von Interessengruppen, politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern und europäischen Bürgerinnen und Bürgern in die Planetenwissenschaft.
Die Europlanet 2024 Forschungsinfrastruktur (RI) wurde von der Europäischen Union im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont 2020 unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 871149 finanziert, um Zugang zu hochmodernen Forschungseinrichtungen und einen Mechanismus zur Koordinierung der europäischen Gemeinschaft der Planetenwissenschaftler zu bieten.
Die Europlanet-Gesellschaft fördert die Weiterentwicklung der europäischen Planetenforschung und verwandter Gebiete zum Nutzen der Gemeinschaft und ist offen für Einzelmitglieder und Organisationen. Die Europlanet-Gesellschaft ist die Mutterorganisation des Europlanet Science Congress (EPSC).
Weitere Informationen: www.europlanet-society.org.

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