WGS 10: Militärischer Comsat der USA im All

Am 16. März 2019 wurde der militärische Kommunikationssatellit WGS 10 für das US-Verteidigungsministerium ins All gebracht. Der Satellit gelangte zunächst auf einen supersynchronen Transferorbit. Zwischenzeitlich wurde seine Umlaufbahn bereits deutlich angehoben.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Aerojet Rocketdyne, Boeing, Northrop Grumman, ULA, USAF.

ULA via USAF
Delta D383 startet mit WGS 10 an Bord
(Bild: ULA via USAF)

Der von Boeing auf Basis des BSS-702-Satellitenbusses für das US-amerikanische Verteidigungsministerium (Department of Defence, DOD) gebaute Satellit mit einer Startmasse von rund 5.987 Kilogramm wurde von der Delta-Rakete mit der Nummer 383 befördert. Sie absolvierte die 39. Mission einer Delta-IV-Rakete seit dem Jungfernflug im Jahre 2002, sowie die 133. Mission einer von der im Dezember 2006 gründeten United Launch Alliance (ULA) vermarkteten Rakete.

Im von 23.56 Uhr bis 2.05 Uhr MEZ reichenden Startfenster hob die Delta 383 am 16. März 2019 um 1.26 Uhr MEZ, angetrieben von einem Triebwerk Aerojet Rocketdyne RS-68 in der ersten Stufe und vier Feststoffboostern, von der Startrampe SLC37B auf der Cape Canaveral Air Force Station (CCAFS) in Florida ab.

Nachdem die vier Feststoffbooster nach rund 94 Sekunden und die Zentralstufe der in Medium+(5,4)-Konfiguration (Nutzlastverkleidung mit 5 Metern Durchmesser, 4 Feststoffbooster des Typs Northrop Grumman GEM-60, 1 Aerojet Rocketdyne RL10B-2-Triebwerk in der Oberstufe DCSS) fliegenden Rakete nach rund 247 Sekunden ausgebrannt waren, kam die DCSS an die Reihe.

ULA via USAF
Delta D383 Momente nach der Zündung
(Bild: ULA via USAF)

Zwei Brennphasen der zusätzlich mit zwölf Lageregelungstriebwerken vom Typ Aerojet MR-106H ausgerüsteten DCSS folgten, unterbrochen von einer zehn Minuten dauernden Freiflugphase auf einer 27,6 Grad geneigten 185 x 5.437-km-Bahn. Nach der zweiten DCSS-Brennphase wurde WGS 10 gegen 2:02 Uhr MEZ rund 36 Minuten und 50 Sekunden nach dem Abheben in einem supersynchronen Transferorbit ausgesetzt.

Gemäß Angaben des Startanbieters ULA, der zusammen mit der US-amerikanischen Luftwaffe den Start durchführte, sollte die supersynchrone Bahn ein Perigäum, das heißt einen der Erde nächstliegenden Punkt, von 434 Kilometern und ein Apogäum, das heißt einen erdfernsten Punkt, von 44.316 Kilometern über der Erdoberfläche aufweisen. Die Inklination, das heißt die Neigung der Bahn gegen den Äquator, war für den Zeitpunkt des Aussetzens von WGS 10 auf einen Wert von 27 Grad angesetzt. Der Start von WGS 10 war laut ULA ein Erfolg.

Erste Daten der US-amerikanischen Weltraumüberwachung sprechen dafür, dass der Satellit auf eine 24,98 Grad gegen den Erdäquator geneigte Bahn mit einem der Erde nächstliegenden Bahnpunkt (Perigäum) von 470 Kilometern über der Erde und einem erdfernsten Bahnpunkt (Apogäum) von 44.255 Kilometern über der Erde gelangte.

Zum Erreichen der für seinen Einsatz vorgesehenen Umlaufbahn steht dem Satelliten ein eigenes Flüssigkeitstriebwerk vom Typ R-4D bzw. HiPAT (High Performance Apogee Thruster) zur Verfügung, das nun innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen mehrfach zum Einsatz kam. Außerdem ist der Satellit mit vier elektrischen Triebwerken des Typs XIPS-25 ausgestattet, die zu weiteren Bahnanpassungen und zum Abbau der Exzentrizität, der Abweichung der Bahn des Satelliten von der Kreisform, benutzt werden können. XIPS steht für Xenon Ion Propulsion System, übersetzt Xenonionenantriebssystem. Die gesamte vom Satelliten bis zum Erreichen einer Position im Geostationären Orbit (GEO) aufzubringende Geschwindigkeitsdifferenz (dV) beträgt rund 1.721 m/s.

Nach der Zirkularisierung seiner Umlaufbahn soll WGS 10 im GEO Dienste für amerikanische Militäreinheiten im Feld überall auf der Welt zur Verfügung stellen. Entsprechend steht WGS für Wideband Global Satcom, übersetzt etwa weltweite breitbandige Satellitenkommunikation. Betreiben wird den Satelliten die US-amerikanische Luftwaffe (USAF). Das Hauptkontrollzentrum befindet sich auf der Luftwaffenbasis Schriever im US-Bundesstaat Colorado. Die dort mit der Überwachung und Steuerung der raumflugtechnischen Komponenten des Satelliten beauftragte Einheit ist die 4th Space Operations Squadron der USAF. Fünf um den Erdball verteilte Operationszentralen kümmern sich um den bestimmungsgemäßen Einsatz der Kommunikationsnutzlasten an Bord der WGS-Satelliten. Der Beginn des Regelbetriebs für WGS 10 ist derzeit für Oktober 2019 geplant.

Boeing Image
WGS-Block-II-Raumfahrzeug – künstlerische Darstellung
(Bild: Boeing Image)

WGS 10 ist der zehnte in einer Reihe militärischer Kommunikationssatelliten, deren Konstellation insbesondere die der älteren DSCS-III-Satelliten ergänzt und ablöst (DSCS = Defense Satellite Communications System – Verteidigungs-Satellitenkommunikationssystem). Im Unterschied zu den DSCS-Satelliten tragen die Raumfahrzeuge des WGS-Typs auch Ka-Band-Transponder und sind erheblich leistungsfähiger. Jeder WGS-Satellit kann 19 unterschiedliche Ausleuchtzonen gleichzeitig, darunter 10 richtbare im Ka-Band und 8 richtbare im X-Band, bedienen.
Das Block-2+-Raumfahrzeug WGS 10 mit zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen wird seine Aufgaben nach Angaben aus den Vereinigten Staaten zwischen 10 und 15 Jahre lang erfüllen können. Block 2 unterschiedet sich von Block 1 beispielsweise durch eine um rund das dreifache größere Datenübertragungsrate beim Transport von Bildmaterial von bis zu bis 311 Megabit pro Sekunde. Über Block-2-Satelliten lassen sich beispielsweise Drohnen des Typs Northrop Grumman RQ-4 Global Hawk steuern. Ab WGS 8, dem ersten Block-2+-Raumfahrzeug, besitzen die Satelliten einen rund 50 Prozent höheren möglichen Gesamtdatendurchsatz pro Raumfahrzeug.

Die maximale Downlink-Bandbreite von WGS 10 beträgt 8,088 Gigahertz, der mögliche Gesamtdatendurchsatz des mit Antennen von der Harris Corporation ausgerüsteten Erdtrabanten soll bei über 11 Gigabit pro Sekunde liegen.

Die Bekanntgabe des Bauauftrags für WGS-10 erfolgte am 27. Juli 2012. In ihrem Rahmen wurde von der USAF ein Preis von 338,7 Millionen US-Dollar für den neuen Satelliten genannt. Im November 2018 hatte WGS 10 die Nutzlastvorbereitungseinrichtung bei Titusville in der Nähe des Startgeländes in Florida erreicht. Am 26. Februar 2019 war der zwischenzeitlich in der Nutzlastverkleidung verpackte Satellit auf die Delta-IV-Rakete aufgesetzt worden.

WGS-Satelliten werden mittlerweile nicht nur von den USA genutzt. Australien hatte sich maßgeblich an der Finanzierung von WGS 6 beteiligt. Dänemark, Luxemburg, Neuseeland, die Niederlande und Kanada stellten bedeutende Beträge für WGS 9 zur Verfügung.

WGS 10 alias USA 291 ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 44.071 und als COSPAR-Objekt 2019-014A.

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