Schneeschauer, welche während des Winters auf der nördlichen Hemisphäre des Mars niedergehen, könnten sich mehrere Wochen im Voraus vorhersagen lassen. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Tohoku-Universität im japanischen Sendai und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
Neben verschiedenen Spurengasen wie zum Beispiel Sauerstoff, Kohlenmonoxid, Wasserdampf oder auch Methan besteht die Atmosphäre des Mars zum überwiegenden Teil aus Kohlendioxid, welches dabei mit einen Anteil von 95,32 Prozent vertreten ist. Zwei weitere bedeutende Bestandteile der Marsatmosphäre sind Stickstoff (2,7 Prozent) sowie das mit einem Mengenanteil von 1,6 Prozent vorhandene Edelgas Argon. Diese Mengenanteile sind jedoch nicht konstant, sondern sie verändern sich vielmehr in einem bestimmten, jahreszeitlich bedingten Rhythmus.
Ähnlich wie die Polarregionen der Erde sind auch der Nordpol und der Südpol des Mars von zwei geschlossenen Eiskappen bedeckt. Während des Marswinters speisen sich diese Polarkappen in erster Linie aus gefrorenem Kohlendioxid, welches aufgrund der in dieser Jahreszeit auftretenden niedrigen Lufttemperaturen von bis zu minus 130 Grad Celsius in einem großen Umfang aus der Atmosphäre ausfriert und sich in Form von Trockeneis im Bereich des jeweiligen Pols ablagert.
Die nördliche Polarkappe des Mars dehnt sich während des dortigen Winters bis zu einer nördlichen Breite von etwa 70 Grad aus. Während des vergleichsweise warmen Marssommers sublimiert das Trockeneis wieder und wird erneut ein Bestandteil der Marsatmosphäre. Zurück bleibt eine deutlich kleinere Polarkappe aus gefrorenem Wassereis.
Für die lediglich saisonal auftretenden Ablagerungen des Trockeneises im Bereich der Marspole existieren zwei Quellen. Ein Teil des in der Atmosphäre enthaltenen Kohlendioxids kondensiert – ähnlich wie sich auf der Erde bei klarem, kalten Wetter eine Frostschicht auf dem Boden bildet – direkt an der Planetenoberfläche. Teile des restlichen Gases gefrieren dagegen in der Atmosphäre zu winzigen Eiskristallen, aus denen sich Wolken bilden. Unter entsprechenden Bedingungen können diese Kristalle dann als Schnee auf die Oberfläche niedergehen. Die Berechnungen der Wissenschaftler legen nahe, dass insgesamt etwa die Hälfte des saisonalen Eises in Form von Schneekristallen auf die Oberfläche fällt.
Bereits im Jahr 2004 konnten Marsforscher anhand von Daten der von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in der Atmosphäre unseres äußeren Nachbarplaneten aus Kohlendioxideis bestehende Wolken nachweisen (Raumfahrer.net berichtete). Ein aus den auf dem Mars auftretenden Wolken hervorgehender „Schneefall“ konnte erstmals im September 2008 durch den von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Marslander Phoenix im Bereich des marsianischen Nordpols nachgewiesen werden.
Eines der Instrumente des Marslanders, ein LIDAR, konnte dabei in einer Höhe von etwa vier Kilometern über der Marsoberfläche Wolkenformationen ausmachen, aus denen Eiskristalle in Richtung Oberfläche abfielen. Im Jahr 2012 zeigte sich anhand von Daten, welche durch den NASA-Orbiter Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) aufgezeichnet wurden, dass auch im Bereich des Südpols Wolken auftreten, in denen sich Trockeneiskristalle bilden, welche anschließend auf die Oberfläche abschneien.
In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler von der Tohoku-Universität in Sendai/Japan und vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau jetzt erstmals eine Verbindung zwischen dem Auftreten solcher Eiswolken und einem periodisch auftretenden Wetterphänomen hergestellt. Während des Marswinters erfolgt eine periodisch auftretende Veränderung von Druck, Temperatur, Windrichtung und Windstärke, welche sich dann mit einer großen Regelmäßigkeit wellenartig über den Planeten ausbreitet.
„Dieses Phänomen ist [in dieser Form] auf dem Mars einzigartig“, so Dr. Alexander S. Medvedev vom MPS, einer der an dieser Arbeit beteiligten Planetenforscher. Diese sogenannten „planetaren Wellen“ sind zwar ein auch in der irdischen Meteorologie auftretendes Phänomen. Allerdings fallen die damit verbundenen Druck- und Temperaturschwankungen in der unteren Erdatmosphäre deutlich schwächer aus als vergleichbare Ereignisse auf dem Mars. Zudem treten diese Wellen in der Erdatmosphäre weit weniger regelmäßig auf, so dass der Wellencharakter nicht so stark ausgeprägt erscheint.
„Auf der Nordhalbkugel des Mars treten diese Wellen in der Zeit von Herbst bis Frühling mit einer bemerkenswerten Verlässlichkeit auf“, so Dr. Alexander Medvedev weiter. Sie breiten sich in die östliche Richtung aus und zeigen dabei eine regelmäßige Periode von fünf bis sechs Tagen. Nahe an der Oberfläche lassen sich zusätzlich Wellen mit einer höheren Frequenz beobachten.
Bedingt durch diese Schwankungen fällt die Temperatur in der Marsatmosphäre während der kalten Jahreszeit regelmäßig auf Werte unterhalb von minus 128 Grad Celsius. Dies ist die Temperatur, bei der gasförmiges Kohlendioxid auf dem Mars gefriert. Die Berechnungen der Wissenschaftler zeigen, dass sich überall dort, wo die Temperaturen entsprechend tief absinken, winzige Eiskristalle aus gefrorenem Kohlendioxid bilden und zu Eiswolken konzentrieren.
„Die Eiswolken treten nördlich von 70 Grad nördlicher Breite in allen Luftschichten bis zu 40 Kilometern Höhe auf“, so Dr. Paul Hartogh vom MPS, ein weiterer an dieser Arbeit beteiligter Forscher. Unterhalb von 20 Kilometern Höhe fallen die Kristalle dann als Schnee auf die Planetenoberfläche. Nach Ansicht der an der Studie beteiligten Wissenschaftler könnten die neuen Erkenntnisse dabei helfen, Kohlendioxid-Schneeschauer auf dem Mars für einen Zeitraum von mehreren Wochen vorherzusagen.
„Aus eigener Erfahrung weiß jeder, dass auf der Erde verlässliche Wettervorhersagen nur für eine Zeitspanne von fünf bis maximal sieben Tagen möglich sind“, so Dr. Medvedev. „Es ist schlicht unmöglich zu berechnen, ob es irgendwo auf der Erde in 20 oder 40 Tagen schneien wird.“
Aufgrund der jetzt nachgewiesenen Regelmäßigkeit der in der Marsatmosphäre auftretenden planetaren Wellen gestaltet sich die Situation auf dem Mars jedoch anders. Die Berechnungen der an der Studie beteiligten Wissenschaftler zeigen, dass sich für bestimmte Regionen der nördlichen Hemisphäre des Mars die dort auftretenden Schneefälle weit im Voraus vorhersagen lassen können. Für ihre Simulationen nutzten die Wissenschaftler ein gängiges Klimamodell, welches an die speziellen Umweltbedingungen auf dem Mars angepasst wurde.
„Die Rechnungen müssen vor allem die große Menge an Staub berücksichtigen, der sich in der Atmosphäre des roten Planeten findet“, so Dr. Takeshi Kuroda von der Tohoku-Universität in Sendai/Japan, der Erstautor der Studie. Vergleiche der berechneten Temperaturen und Eiskristalldichten mit entsprechenden Messdaten des Mars Reconnaissance Orbiter zeigten dabei gute Übereinstimmungen.
Die Studie, welche am 29. April 2013 unter dem Titel „Carbon dioxide ice clouds, snowfalls, and baroclinic waves in the northern winter polar atmosphere of Mars“ in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Litter“ veröffentlicht wurde, könnte laut den beteiligten Wissenschaftlern besonders für zukünftige Marsmissionen von Bedeutung sein, mit denen die Nordhemisphäre des Mars und dessen Polarregion untersucht werden sollen. Durch entsprechend langfristige Vorhersagen von Schneeschauern könnten die Aktivitäten so geplant werden, dass diese den zu erwartenden Wetterbedingungen angepasst werden.
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Fachartikel von Takeshi Kuroda et al.:
- Carbon dioxide ice clouds, snowfalls, and baroclinic waves in the northern winter polar atmosphere of Mars (Abstract, engl.)
Wöchentliche Wetterberichte vom Mars:
- Malin Space Science Systems (engl.)