Wenn Schwarze Löcher verschmelzen

Wissenschaftler der NASA haben einen Durchbruch in der Computermodellierung erzielt, der die Simulation von Gravitationswellen bei der Verschmelzung Schwarzer Löcher perfektioniert.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA.

„Solche Verschmelzungen sind bei Weitem die energiereichsten Ereignisse im Universum, bei denen mehr Energie frei wird als alle Sterne zusammen genommen ausstrahlen“, sagte Joan Centrella, Leiterin des Gravitational Astrophysics Laboratory im Goddard-Weltraumzentrum der NASA. „Jetzt haben wir realistische Simulationen, an denen wir uns beim Bau zukünftiger Gravitationswellendetektoren orientieren können.“
Wenn zwei große Schwarze Löcher kollidieren, rasen Gravitationswellen mit Lichtgeschwindigkeit in alle Richtungen, die das gesamte All erzittern lassen wie einen Wackelpudding. Dies geht schon aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie hervor. Frühere Versuche, den Vorgang zu simulieren, wurden aber von Computerproblemen geplagt, denn die nötigen Gleichungen erwiesen sich als viel zu komplex. Einsteins Theorie basiert ursprünglich auf der Tensorrechnung, einem Teilgebiet der Mathematik, das sich nur mühsam in Computerbefehle umsetzen lässt: Selbst einfachste Tensorgleichungen benötigen schon Tausende von Zeilen Computer-Quellcode. Aber die Goddard-Forscher haben einen Weg gefunden, Einsteins Mathematik so zu transformieren, dass Computer sie „verstehen“ können, und damit war der Weg frei, darauf basierende Simulationen zu schaffen.

Trower, NASA
Der Supercomputer des NASA-Ames-Zentrums, ein SGI Altix-System mit 10.240 Intel Itanium-2-Prozessoren – und Linux-Betriebssystem.
(Bild: Trower, NASA)

Die Ergebnisse der Forscher-Gruppe erschienen in der Ausgabe vom 26. März der „Physical Review Letters“. Hauptautor ist John Baker vom Goddard-Zentrum. Die dreidimensionalen Simulationen wurden auf dem viertschnellsten Supercomputer der Welt (Stand November 2005), dem „Columbia“ des NASA-Ames-Forschungszentrums durchgeführt. Es sind die größten astrophysikalischen Berechnungen, die je auf einem NASA-Supercomputer durchgeführt wurden, und sie liefern die Grundlage, das Universum auf eine vollkommen neue Art zu erforschen.

Wie nach einem Steinwurf in einen Teich breiten sich Gravitationswellen aus – aber natürlich nicht nur in einem zweidimensionalen Kontinuum wie es die Wasseroberfläche darstellt, sondern im Raum und in der Zeit gleichermaßen, also in einem vierdimensionalen Kontinuum, das Einstein „Raumzeit“ nannte. Dabei wechselwirken Gravitationswellen aber kaum mit Materie, die sie unterwegs vielleicht durchdringen: Ein Mensch würde während des Durchgangs einer solchen Welle durch seinen Körper noch nicht mal um die Größe eines Atoms wachsen beziehungsweise schrumpfen. Daher können Gravitationswellen mühelos die Staub- und Gasschleier durchdringen, die unsere Sicht auf Schwarze Löcher und andere Objekte verstellen, und dürften daher eine neues Sicht auf das Universum eröffnen und präzise Experimente zur Allgemeinen Relativitätstheorie ermöglichen.

Bisher konnten Gravitationswellen noch nicht direkt nachgewiesen werden. Mit dem erdbasierten Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory der National Science Foundation der USA und der vorgeschlagenen Laser Interferometer Space Antenna, einem gemeinsamen Projekt von NASA und ESA, hoffen Wissenschaftler die überraschend subtilen Wellen erstmals messen zu können.
Verschmelzungen von Schwarzen Löchern produzieren Gravitationswellen en masse, und das manchmal jahrelang, während die Schwarzen Löcher sich einander annähern und schließlich kollidieren. Schwarze Löcher sind Bereiche derart extremer Gravitation, dass nichts, selbst Licht nicht, ihrer Anziehung entkommen kann. Hierin liegt die Schwierigkeit, ein mathematisches Modell eines Schwarzen Loches zu generieren: Der Raum verzerrt sich, die Dichte der Materie wird unendlich groß und die Zeit kommt zum Stillstand. Solche Variablen sind es, die Computersimulationen zum Absturz bringen können.

Wenn sie kollidieren, produzieren die massiven Objekte Gravitationswellen von unterschiedlichen Wellenlängen und Stärken, in Abhängigkeit von der Größe der beteiligten Massen. Das Goddard-Team hat sich zunächst auf den Fall nicht rotierender Schwarzer Löcher gleicher Masse beschränkt, beginnend mit den letzten zwei bis fünf Orbits umeinander, bevor sie endgültig miteinander verschmelzen.

Bei jedem Simulationslauf orbitierten die Schwarzen Löcher stabil und produzierten identische Wellenformen vor, während und nach der Kollision – unabhängig vom Startpunkt. Diese Kombination von Stabilität und Reproduzierbarkeit unterschied die neuen Simulationen von früheren Versuchen und erhöhte das Vertrauen der Forscher in die Richtigkeit ihrer Transformation von Einsteins Gleichungen. Das Team hat mittlerweile die Simulation von Verschmelzungen Schwarzer Löcher ungleicher Masse in Angriff genommen.

Hier können Sie eine grafische Darstellung der Simulation sehen (MPEG 7,8 MB; Quelle: NASA).

Einige Ausschnitte:

Simulation: NASA
Die letzten Orbits zweier Schwarzer Löcher vor der Verschmelzung. (Simulation: NASA)
Simulation: NASA
Erste starke Gravitationswellen breiten sich aus. (Simulation: NASA)
Simulation: NASA
Die Verschmelzung nimmt ihren Lauf, Gravitationswellen rasen in’s All. (Simulation: NASA)
Simulation: NASA
Das Ereignis erreicht seinen Höhepunkt. (Simulation: NASA)
Simulation: NASA
Das Endprodukt der Verschmelzung – ein supermassives Schwarzes Loch. (Simulation: NASA)
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