Die FU Berlin gab in einer Pressemitteilung bekannt, dass die Arbeitsgruppe „Planetologie und Fernerkundung“ um Prof. Dr. Gerhard Neukum am Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in den nächsten drei Jahren weitere Fördergelder in Höhe von 2,64 Millionen Euro erhalten wird. Mit diesen Geldern soll das HRSC-Experiment an Bord des Marsorbiters Mars Express unterstützt werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR. Vertont von Peter Rittinger.
Seit Anfang Januar 2004 umkreist die ESA-Raumsonde Mars Express unseren äußeren Nachbarplaneten, den Mars, und liefert dabei mit seinen insgesamt sieben Instrumenten wichtige Daten über die Vorgänge in dessen Atmosphäre, deren Zusammensetzung und die erfolgende Interaktion mit der Planetenoberfläche, dem Sonnenwind und der kosmischen Strahlung. In besonderen Maße beeindruckend und wissenschaftlich wertvoll sind dabei die durch die „High Resolution Stereo Camera“ (HRSC) gewonnenen Bilder der Marsoberfläche. Aus deren Aufnahmen lassen sich wichtige Erkenntnisse über die Topografie und Morphologie sowie über die vulkanische, fluviale und glaziale Vergangenheit des Mars ableiten. Bis zum jetzigen Zeitpunkt verfügen die Wissenschaftler durch die Aufnahmen der HRSC-Stereokamera über ein hochaufgelöstes Geländemodell des Mars, welches eine Fläche von 56 Prozent der Oberfläche des Planeten in einer Auflösung von 10 bis 20 Metern pro Bildpunkt in Stereo und in Farbe abdeckt.
Wie Raumfahrer.net bereits berichtete wurde die Mission der Sonde Mars Express im Rahmen einer turnusmäßigen Sitzung des wissenschaftlichen Programmkomitees der ESA (SPC) am 2. Oktober 2009 um weitere drei Jahre bis zum Ende des Jahres 2012 verlängert. Um dieser mittlerweile dritten Missionsverlängerung Rechnung zu tragen, haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und das Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für diesen Zeitraum jetzt weitere Finanzmittel in Höhe von 2,64 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurde der laufende Etat für den Zeitraum vom 1. November bis zum 31. Dezember 2009 (dem Ende der zweiten Missionsverlängerung) um weitere 71.600 Euro aufgestockt. Mit diesen zusätzlichen Finanzmitteln soll eine vollständige Kartierung der Marsoberfläche in dreidimensionalen Bildern ermöglicht werden.
Das HRSC-Kameraexperiment des Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (FU Berlin), der auch die technische Konzeption dieser hochauflösenden Stereokamera entworfen hat, geleitet. Das beteiligte Wissenschaftler-Team setzt sich zur Zeit aus insgesamt 45 Co-Investigatoren von 32 Instituten aus zehn Ländern zusammen. Die HRSC-Stereokamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) und in Kooperation mit verschiedenen industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH, Jena-Optronik GmbH) konstruiert und gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof in Zusammenarbeit mit der ESA und dem ESOC betrieben.
Bei dieser Kamera handelt es sich um ein bisher einmaliges Experiment: Zum ersten Mal wird hiermit die Oberfläche eines fremden Planeten systematisch in der dritten Dimension und in Farbe abgebildet. Durch die dabei gewonnenen Daten soll die Beantwortung fundamentaler Fragen zur geologischen und klimatologischen Geschichte des Mars ermöglicht werden. Die räumliche Auflösung der erzeugten Stereobilder erlaubt es den beteiligten Geowissenschaftlern, Oberflächendetails bis zu einer Auflösung von 10 bis 30 Metern dreidimensional zu analysieren.
Als besonderes „Bonbon“ ist ein zusätzliches hochauflösendes Teleobjektiv in die Kamera integriert. Mit diesem „Super Resolution Channel“ (SRC) ist die Abbildung von lediglich etwa zwei bis drei Meter großen Objekten, welche dann in die farbigen Stereobilddaten der HRSC-Kamera eingebettet sind, durchführbar. Auf diese Weise ist es zum Beispiel auch möglich, Schichtungen in Sedimentgesteinen des Mars zu identifizieren und zu analysieren. Die hierbei erreichbare „Punktgenauigkeit“ der erzeugten Aufnahmen stellt eine weitere Stärke der HRSC-Kamera dar.
Die lediglich 20 Kilogramm wiegende HRSC-Kamera baut sich aus zwei Kameraköpfen auf. Hierbei handelt es sich um den hochauflösenden Stereokopf, welcher aus neun CCD-Zeilensensoren besteht, die hinter einem Linsenobjektiv parallel angeordnet sind, sowie um den SRC-Kopf, der aus einem Spiegelteleobjektiv und einem CCD-Flächensensor zusammengesetzt ist. Der hochauflösende Stereokopf arbeitet dabei nach dem Scanner-Prinzip.
Um Stereoaufnahmen erzeugen zu können, muss die Planetenoberfläche unter verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen werden. Durch die Anordnung der neun lichtempfindlichen CCD-Zeilensensoren quer zur Flugrichtung nimmt jeder dieser Sensoren aufgrund der Vorwärtsbewegung des Orbiters den selben Bildstreifen auf der Marsoberfläche nacheinander Zeile für Zeile auf. Zusätzlich zum so genannten „Nadirkanal“, der hierbei die Landschaft direkt senkrecht unter dem Orbiter aufnimmt, blicken je vier Sensoren nach vorne und nach hinten. Zur Erzeugung von Farbbildern und zwecks Gewinnung multispektraler Daten sind vier dieser acht Kanäle mit Farbfiltern belegt. Dadurch wird jeder Punkt der Oberfläche nach und nach unter neun verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen. An den Forschungsinstituten auf der Erde werden dann aus diesen Bildstreifen mittels einer speziellen Software 3-D-Bilder erzeugt.
Am oberflächennächsten Punkt der elliptischen Umlaufbahn um den Mars, dem sogenannten Perizentrum, beträgt der Abstand zwischen dem Orbiter und dem Mars rund 270 Kilometer. Bei dieser Höhe über dem Planeten erreicht die Auflösung der neun Bildstreifen einen Wert von 12 Metern für jeden der 5.184 Pixel pro Zeilensensor. Die Bildstreifenbreite beträgt dabei 52 Kilometer und die Mindeststreifenlänge liegt bei 300 Kilometern. Die Länge des abgebildeten Streifens wird dabei ausschließlich von der Datenspeicher- und Übertragungskapazität des Orbiters begrenzt. Der zusätzliche „Super Resolution Channel“ (SRC) wird dabei wie eine Lupe eingesetzt. Er liefert im Perizentrum Bilder mit einer Größe von 2,3 mal 2,3 Metern pro Pixel im Zentrum der aufgenommenen Bildstreifen. Diese besonders hochaufgelösten SRC-Aufnahmen erhalten ihre spezielle wissenschaftliche Bedeutung durch den geologischen Kontext der Umgebung, welcher durch die Bilder des Stereokopfes geliefert wird.
Vor der Übermittlung der gewonnenen Daten an das ESTRACK-Netzwerk des ESA werden die Bilder in der „HRSC Digital Unit“ der Kamera komprimiert und im Bordcomputer des Orbiters zwischengespeichert. Auf der Erde werden die Marsaufnahmen zunächst am Berliner DLR-Institut für Planetenforschung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin systematisch prozessiert und dann zur weiteren Verarbeitung und Analyse an die einzelnen Mitarbeiter des HRSC-Teams verteilt.
Das Aufnahmeprinzip der Kamera erlaubt es den auswertenden Wissenschaftlern, zu jedem abgebildeten Pixel auch die dazugehörige Höheninformation abzuleiten. Zur Erzeugung eines digitalen Geländemodells macht man sich hierbei den Stereo-Effekt zu nutze. Die abgebildete Landschaft wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, ganz ähnlich dem Prinzip, mit dem der Mensch mit zwei Augen seine Umwelt wahrnimmt.
Nach fast sechs Jahren Kamerabetrieb und Datenprozessierung hat das HRSC-Team nun topographische Bilddaten von 56 Prozent der Marsoberfläche fertig gestellt. Aus den Aufnahmen können die Wissenschaftler Hangneigungen, die Tiefe von Tälern und Kratern oder die Mächtigkeit und Fließrichtung von erkalteten Lavaströmen bestimmen. Besonders wichtig sind diese Daten bezüglich der Frage, wo und in welche Richtungen einst das Wasser strömte, welches in der Frühzeit des Planeten Teile von dessen Oberfläche bedeckte.
Durch die Erteilung der neuen Finanzmittel soll das primäre Ziel der HRSC-Kamera, die Erforschung der geologischen Entwicklungsgeschichte des Mars, auch weiterhin sichergestellt werden. Bis zum Ende der erneut verlängerten Mission soll durch die HRSC-Kamera eine einhundertprozentige dreidimensionale Kartierung der Oberfläche des Mars erreicht werden. Die dabei gewonnenen Daten sollen unter anderem eine Basis für die Planung zukünftiger Forschungsmissionen zu unserem äußeren Nachbarplaneten, speziell für die anstehenden Lander- und Rovermissionen von NASA und ESA, darstellen.
Raumcon: