Weichenstellung für Europas Raumfahrt

Weniger Geld trotz neuem Mitgliedsland – Die ESA Ministerratskonferenz hat heute ihre Ergebnisse in einer Pressekonferenz verkündet. „Es war eine Konferenz der kurzen Nächte und der harten Verhandlungen”, sagt Peter Hintze, Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt. Frankreich und Deutschland waren mit unterschiedlichen Konzepten in die Verhandlungen gegangen und nur einer der beiden konnte sich schließlich durchsetzen.

Ein Beitrag von Klaus Donath. Quelle: astirn.de, ESA, DLR.

ESA
Die Pressekonferenz der ESA-Konferenz in kompletter Länge
(Bild: ESA)

Zwei Tage lang diskutierten die Mitgliedsländer der ESA unter Führung der aktuellen ESA-Präsidentschaft Schweiz und Luxemburg im Kongresszentrum „Mostra d’Oltremare“ im italienischen Neapel. Es ging um nichts anderes als die Zukunft der europäischen Raumfahrt und deren Budget für die nächsten drei Jahre. Bereits im Vorfeld hat Deutschland seine geplante Mondmission aus dem Programm gestrichen um seine Verhandlungsposition zu stärken. Der Plan ging offenbar voll auf.

Das Budget

Anfänglich ist die ESA-Führung mit der Forderung von 12 Milliarden Euro in die Verhandlungen gegangen. Doch in Zeiten knapper Kassen steht am Ende nur ein Budget von 10,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese verteilen sich vor Allem auf die vier großen Mitgliedsländer unter denen eines überraschte. Mit 1,2 Milliarden Euro und einer Einmalzahlung von 20 Millionen Euro befördert sich Großbritannien aufs Podium und zahlt die drittmeisten Beiträge. Deutschland mit 2,6 Milliarden Euro und Frankreich mit 2,3 Milliarden Euro stellen weiterhin die größten Mittel zur Verfügung. Auf Platz vier verdrängt wurde Italien mit 1,1 Milliarden Euro. Neu aufgenommen in die ESA wurde Polen als weiteres Mitgliedsland. Das Wissenschaftsbudget darunter wird eingefroren. Das bedeutet, dass es keinen Inflationsausgleich geben wird und nominell die Zahlungen sinken werden.

Ariane V ME oder Ariane 6

Das Thema mit der größten Sprengkraft war sicherlich das europäische Trägerprogramm. Frankreich positionierte sich bereits im Vorfeld klar und setzte sich für eine komplette Neuentwicklung namens Ariane 6 ein. In ersten Entwürfen ist die massive Nutzung von Feststoffantrieben auffällig. Dessen Entwicklungs-KnowHow befindet sich vor allem in Frankreich. Deutschland dagegen hat größtes Interesse an einer Weiterentwicklung der Ariane zur Ariane V ME (Midlife Evolution). Dabei soll primär eine neue Oberstufe zum Einsatz kommen, deren Triebwerk Vinci bereits in Lampholdshausen getestet wird. Die Wiederzündbarkeit und größere Leistungsfähigkeit ermöglicht flexiblere Orbiteinschüsse und mehr Nutzlast. Auch die Kosten pro Nutzlast sollen damit gesenkt werden können

Hier setzte sich Deutschland mit seiner Haltung maßgeblich durch und sichert damit bei EADS Astrium in Bremen und dem Triebwerkstest-Standort Lampholdhausen Arbeitsplätze. Erststart der verbesserten Ariane V ME soll zwischen 2017 und 2018 sein. Trotzdem konnte Frankreich sein Gesicht wahren, denn die Entwicklung der Ariane 6 wurde nicht gestrichen, sondern bleibt als spätere Option erhalten. Dabei sollen Synergien zwischen der verbesserten Ariane V ME und dem Ariane-6-Konzept genutzt werden um Entwicklungskosten besser zu verteilen. So werden Teile der neuen Oberstufe, insbesondere das Vinci-Triebwerk, später auch bei der Ariane 6 zum Tragen kommen. Bei der nächsten ESA-Ministerratskonferenz wird das Thema sicher wieder auftauchen. Ob das Ziel, die Nutzlastkosten der Ariane V mit der erweiterten ME-Version deutlich zu senken, erreicht werden kann, wird erst die Zukunft zeigen. Erst vor kurzem äußerte sich SpaceX-Gründer Elon Musk zum Thema und attestierte der Ariane V keine Chancen auf dem zukünftigen Markt. Darauf angesprochen entgegnete ESA-Chef Jean-Jaques Dordain, dass für die Kunden neben dem Preis, der ja mit der ME-Version sinken soll, auch Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit eine Rolle spielen. Beides Dinge, die SpaceX erst beweisen muss.

Die Internationale Raumstation ISS

Bisher hat Europa die Betriebskosten seines Raumlabors Columbus mit den Transportfähigkeiten seines Frachters ATV bezahlt. Das Programm läuft allerdings mit dem fünften und letzten Start 2014 aus. Da das ISS-Programm einstimmig bis 2020 verlängert wurde, fallen für die verbleibende Zeit weitere Betriebskosten in Höhe von 450 Millionen Euro an, das sogenannte Barter-Element. Die Summe könnte die ESA entweder bar an die NASA überweisen oder eine entsprechende Gegenleistung in Sachwerten erbringen, wie schon mit dem ATV getan. An zusätzlichen Versorgungsflügen hat die NASA jedoch kein Interesse. Allerdings bot man der ESA an, das Service-Modul für das künftige NASA-Raumschiff Orion zu entwickeln, welches auf der US-amerikanischen Schwerlastrakete SLS gestartet werden soll.

Genau das wurde dann auch als Programm verabschiedet. Damit die Finanzierbarkeit hier gewährleistet werden kann, sprang Großbritannien in die Lücke und gewährte eine Einmalzahlung von 20 Millionen Euro. Von der Entwicklung profitiert wiederum auch Deutschland, speziell Astrium am Standort Bremen. Dort hat man bereits erste Designstudien dazu veröffentlicht. Die Mehrzahl der Komponenten können aus dem Service-Modul des ATV wiederverwendet werden, was die Entwicklungskosten im Rahmen halten soll. Durch die nun erhebliche Beteiligung Großbritanniens wird es aber natürlich in diese Richtung eine stärkere Zusammenarbeit geben.

Überraschenderweise beteiligt sich Großbritannien auch ab sofort am Wissenschaftsbetrieb der ISS mit weiteren 15 Millionen Euro. Dem englischen Astronauten Timothy Peake steht damit ein Aufenthalt auf der ISS prinzipiell offen.

Die europäische Marsmission

Russland und die ESA konnten einen Kooperationsvertrag für ExoMars aushandeln, der auf der Konferenz präsentiert wurde. Demnach stellt Russland zwei Proton-Raketen für den Start der beiden Sonden im Jahr 2016 und 2018 bereit die ungefähr einen Gegenwert von 200 Millionen Euro haben. Zudem wird sich Russland auch bei wissenschaftlichen Experimenten auf dem Orbiter und dem Landemodul beteiligen. Der geplante Rover kommt dabei aus Europa. Die NASA wird damit nach ihrem Ausstieg zum Juniorpartner degradiert, dessen Rolle Sie aber trotzdem wahrnehmen möchte. Trotzdem ist die Mission noch nicht in trockenen Tüchern. Es fehlen noch ca. 100 Millionen Euro, die man sich vielleicht bei der „Juice“ Mission borgen will, die erst 2022 starten soll.

EU und ESA

Im Vorfeld gab es einige Überlegungen über das Verhältnis von der EU zur ESA. Eine Idee sah vor, die ESA als Abteilung der EU zu etablieren. Problematisch hierbei wäre das Verfahren mit ESA-Mitgliedsstaaten, die selber nicht EU-Mitglied sind, wie beispielsweise die Schweiz. Hier sprach man sich auf der Konferenz stark für die Unabhängigkeit der ESA aus, steht aber selbst der EU für Projekte zur Verfügung.

Weitere Entscheidungen

Beschlossen wurde auf der Konferenz auch die nächste Generation der MetOp-Wettersatelliten, welche von Eumetsat betrieben werden. Deutschland beteiligt sich hier mit 27% an den Kosten, um die Wettervorhersagen in Zukunft weiter zu verbessern. Prognosen der Wetterdienste werden dann für einen Zeitraum bis zu neun Tagen möglich sein.

Bis 2017 investieren die ESA-Staaten rund 3,8 Milliarden Euro in das Wissenschaftsprogramm. Darunter fallen künftige Raumsonden wie die Astrometrie-Mission Gaia (Start 2013), die Technologie-Mission LISA Pathfinder (2014) und in Kooperation mit der japanischen Raumfahrtagentur JAXA die Merkur-Mission Bepi Colombo (2015). Deutschland bleibt hier größter Beitragszahler mit 19,8 Prozent.

Das „space situational awareness“-Programm der ESA welches mit Radaranlagen den Orbit nach gefährlichem Weltraumschrott absuchen soll, bekommt vorerst nur wenig finanzielle Unterstützung.

Erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob das zur Verfügung stehende Geld für alle Projekte reichen wird. Positiv ist auf jeden Fall, dass sich alle Mitgliedsstaaten doch relativ schnell einigen konnten. Denn im Vorfeld wurde von einigen Seiten bereits über das Scheitern der Konferenz spekuliert. Dazu ist es, obwohl man über das Ergebnis sicherlich diskutieren kann, zum Glück nicht gekommen.

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