Wasserreiche Oase im trockenen Asteroidengürtel

Die Oberfläche von 24 Themis im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter ist komplett bedeckt von einer Eisschicht. Davon berichten zwei Forscherteams unabhängig voneinander in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.

Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: Campins et al. (2010), Rivkins und Emery (2010). Vertont von Peter Rittinger.

Bereits 2008 hatte die Erkenntnis einer amerikanisch-spanischen Forschergruppe viel Aufsehen erregt: Ihnen gelang mit Hilfe der Infrared Telescope Facility der NASA der Nachweis von Wasser auf 24 Themis. Nun legt die gleiche Gruppe um Humberto Campins nach: Sie hat den Asteroiden mit dem 3-Meter-Spiegel auf dem Vulkan Mauna Kea auf Hawaii über drei Rotationsperioden genau untersucht. Hatte die Entdeckung von 2008 noch aus einer Punktinformation bestanden, wollte man nun überprüfen, an welchen Stellen auf dem Asteroiden überhaupt Wasser auftritt.

NASA/JPL-Caltech
Künstlerische Darstellung des Asteroidengürtels
(Bild: NASA/JPL-Caltech)

„Für eine lange Zeit glaubte man, im Asteroidengürtel sei nicht mal eine Tasse Wasser zu finden“, sagte Don Yeomans vom Near-Earth Object Program am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA. „Heute wissen wir, dass nicht nur Sie Ihren Durst stillen, sondern wir zusätzlich jeden Pool der Erde mit Wasser füllen könnten.“

Eigentlich dürfte sich auf 24 Themis gar kein Wasser befinden. Im Sonnensystem markiert eine Eislinie, in welchem Abstand der Sonne Wassereis durch ihren Strahlungseinfluss nicht dauerhaft stabil sein kann. Der Asteroidengürtel liegt weit innerhalb dieser Eislinie. Aus diesem Grund konnte bisher auf keinem anderen Asteroiden Wasser nachgewiesen werden. Der Schluss liegt nahe, dass das Wasser durch einen anderen Körper erst kürzlich auf 24 Themis gelangte.

Es gibt wasserreiche Gesteinsbrocken im Sonnensystem. Dazu gehören die fernen transneptunischen Objekte inklusive der Zwergplaneten Pluto und Sedna sowie die noch ferneren Mitglieder der Oortschen Wolke. So weit draußen reicht die Sonnenstrahlung nicht mehr aus, zur Sublimation von gefrorenem Wasser beizutragen. Regelmäßig dringen aus den Tiefen des äußeren Sonnensystems Kometen ins innere Planetensystem vor. Die lose zusammengeballten Fragmente aus Staub und Eis beginnen zu verdampfen und es entstehen die typischen Kometenschweife. Ein ähnlich eisreiches Objekt im Asteroidengürtel müsste diesen Anteil sehr schnell in die Umgebung abgeben. Regelmäßig beobachtete Schweife an kleineren Objekten im Asteroidengürtel dürften eher Anzeichen für Kollisionen sein, denn in deren Spektren wurde bisher keine starke Wassersignatur gemessen (Raumfahrer.net berichtete).

Eine kürzlich erfolgte Kollision mit einem Kometen wäre eine Erklärung für die Wassersignatur auf 24 Themis gewesen, konnte nun aber ausgeschlossen werden. Denn die Ergebnisse der Forscher sind rotationskorrigiert: Eine starke Absorptionsbande für Wasser zwischen 3,3 und 3,6 Mikrometern könne in alle Raumrichtungen gemessen werden. Woher stammt das Eis dann?

Die Sonnenstrahlung entfernt rund einen Meter reinen Eises pro Jahr von der Oberfläche eines Körpers dieser Entfernung. Es muss also ein unterirdisches Eisreservoir geben, das durch einen bisher unerkannten Prozess an die Oberfläche transportiert wird, wo ein weiterer Prozess eine Verlangsamung des Eisverlustes begünstigt. Campins Team schlägt dafür impact gardening vor: Ständig einschlagene Mikrometeoriten pflügen die Oberfläche des Asteroiden regelmäßig um, wie ein Gärtner sein Gemüsebeet. Zusätzlich könnten winzige Wärmepulse die Sublimation tieferer Eisschichten verursachen, die als Wasserdampf beim Ausstieg erneut kondensieren, sobald sie auf eine kühle Oberfläche treffen.

Eine weitere Erklärung wären vorhandene Hydrosilikate, also wasserhaltige Minerale, die in vielen Gesteinen des Sonnensystems vorkommen, darunter auch mehrere Objekte des Asteroidengürtels. Dafür müsste vorhandenes Eis zuerst mit Silikatgesteinen reagieren, was eine hohe Aktivierungsenergie erfordert und danach als exotherme Reaktion zum schnellen Verbrauch des gesamten Eisvorrats an der Oberfläche führen müsste. Es gibt laut den Forschern aber keine Anzeichen für die Produkte solcher Reaktionen auf 24 Themis.
Die Entdeckung wirft neues Licht auf die Entwicklung unseres eigenen Planeten. Wie die Ozeane vor rund vier Milliarden Jahren entstanden, ist Subjekt kontroverser Diskussionen zwischen Planetologen. Brachten schon die Planetesimale, die kosmischen Bausteine der Erde, das Wasser auf ihre Oberfläche oder gelangte das Kühle Nass erst später durch Vulkanismus in die Ozeanbecken. Die Frontlinie zwischen den Verfechtern dieser Thesen, der nassen und trockenen Akkretion, dürfte durch die aktuelle Entdeckung in Bewegung geraten.

„Sie ist so aufregend, weil sie uns unsere Vergangenheit und vielleicht sogar unsere Zukunft besser erklärt“, orakelt Yeomans. „Diese Forschungsarbeit zeigt, dass Wasser nicht nur wichtiges Rohmaterial [zum Bau von Planeten] lieferte, sondern auch als Tankstellen und Wasserlöcher für die bemannte Exploration des Sonnensystems dienen könnte.“ Immerhin hatte US-Präsident Barack Obama kürzlich Asteroiden als nächstes großes Ziel der bemannten amerikanischen Raumfahrt benannt.

Raumcon

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