Wasserdampf beim Zwergplaneten Ceres

Im Rahmen von Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Herschel konnten Planetenforscher in der Umgebung des Zwergplaneten Ceres Wasserdampf detektieren. Diese Beobachtung bestätigt die bisherige Vermutung, dass Ceres nennenswerte Mengen an Wassereis beherbergt. Über die Ursache der Freisetzung soll die Raumsonde DAWN ab dem Jahr 2015 weitere Erkenntnisse liefern.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, JPL. Vertont von Peter Rittinger.

NASA, ESA, J. Parker (Southwest Research Institute), P. Thomas (Cornell University), L. McFadden (University of Maryland, College Park), M. Mutchler und Z. Levay (STScI)
Der Zwergplanet (1) Ceres wurde in der Vergangenheit unter anderem mehrfach mit dem Hubble-Weltraumteleskop abgebildet. Die hier gezeigten Aufnahmen wurden im Dezember 2003 und Januar 2004 angefertigt.
(Bild: NASA, ESA, J. Parker (Southwest Research Institute), P. Thomas (Cornell University), L. McFadden (University of Maryland, College Park), M. Mutchler und Z. Levay (STScI))

Zwischen den Umlaufbahnen der Planeten Mars und Jupiter befindet sich der Asteroiden-Hauptgürtel unseres Sonnensystems. In einer Entfernung zwischen 2,0 und 3,4 Astronomischen Einheiten zur Sonne befinden sich dort vermutlich mehrere Millionen Asteroiden mit Durchmessern von mehreren hundert Kilometern bis hinunter zu wenigen Metern. Bei dem größten und massereichsten der derzeit mehr als 600.000 dort entdeckten Objekte handelt es sich um den Zwergplanet (1) Ceres.

Ceres wurde bereits am 1. Januar 1801 von dem italienischen Astronomen Giuseppe Piazzi entdeckt und verfügt bei einer kugelähnlichen, leicht abgeplatteten Form über einen Durchmesser von etwa 975 x 909 Kilometern. Astronomen gehen davon aus, dass es sich bei (1) Ceres um einen differenzierten Protoplaneten handelt – eine Art „Vorplanet“, welcher vor etwa 4,5 Milliarden Jahren in einer frühen Phase seiner Entwicklung hin zu einem „vollwertigen“ Planeten stecken geblieben ist – und der – vergleichbar mit dem inneren Aufbau der terrestrischen Planeten – über einen geschichteten Aufbau verfügt.

Um einen Kern, in dem sich Silikate und Metalle angesammelt haben, befindet sich demnach ein mehrere Kilometer dicker und kompakter Mantel aus Wassereis. Über diesem Mantel ist eine dünne Kruste abgelagert, welcher die sichtbare Oberfläche des Zwergplaneten darstellt. Radarmessungen und Beobachtungen mit verschiedenen Teleskopen haben zu dem Schluss geführt, dass die Oberfläche von Ceres offenbar weitflächig mit einer Schicht aus feinem Regolithstaub bedeckt ist. Diese sehr dunkle und kohlenstoffreiche Oberfläche erklärt auch die geringe Albedo von Ceres, welche einen Wert von lediglich 0,09 aufweist.

Im Rahmen verschiedener spektroskopischer Untersuchungen gelang den Wissenschaftlern in den vergangenen Jahren auf der Oberfläche von Ceres zudem der Nachweis von hydratisierten Mineralen, in deren Kristallstruktur ebenfalls Wasser fest eingebunden ist. Insgesamt, so die Planetenforscher, dürfte der Wassereisanteil etwa 17 bis 27 Prozent der Gesamtmasse von Ceres ausmachen. Dieser Wert ergibt sich aus der relativ niedrigen mittleren Dichte von lediglich rund 2,077 Gramm pro Kubikzentimeter.

ESA, NASA, Michael Küppers et al.
Wasserdampf in der Umgebung von Ceres, detektiert am 6. März 2013 durch Beobachtungen mit dem Herschel-Weltraumteleskop. Die stärksten Signale stammen von zwei Regionen auf dem Zwergplaneten, welche als „Piazzi“ und „Region A“ bezeichnet werden. Die Karte basiert auf Beobachtungen mit dem Keck-II-Teleskop auf Hawaii, mit denen die Oberfläche von Ceres abgebildet wurde. Die beiden Datenpunkte in der Region Piazzi, welche der geografischen Länge von 110 Grad entsprechen, wurden im Abstand von neun Stunden aufgenommen, was in etwa einer kompletten Rotationsperiode von Ceres entspricht. Diese Daten belegen, dass die Unterschiede in der Wasserdampffreisetzungsrate auch in relativ kurzen Zeiträumen auftreten.
(Bild: ESA, NASA, Michael Küppers et al.)

Freisetzung von Wasserdampf
Zwischen dem November 2011 und dem März 2013 – und somit nur wenige Wochen vor der planmäßigen Beendung der Mission – wurde (1) Ceres im Rahmen des MACH-11-Programms (kurz für „Measurements of 11 Asteroids and Comets with Herschel“) mehrfach mit dem HIFI-Instrument an Bord des Weltraumteleskops Herschel beobachtet. Dabei gelang den beteiligten Wissenschaftlern der Nachweis von Wasserdampf in der unmittelbaren Umgebung des Zwergplaneten, wobei sogar die Quellregionen des Dampfes lokalisiert werden konnten.

Mit dem HIFI-Instrument (kurz für „Heterodyne Instrument for the Far-Infrared“) – einem Spektrometer, welches im fernen Infrarotbereich arbeitet und besonders gut für den Nachweis von Wasseremissionen geeignet ist – konnte die Oberfläche von Ceres zwar nicht räumlich aufgelöst werden. Allerdings erfolgten die vier Beobachtungen über Zeiträume von jeweils mehreren Stunden hinweg. Ceres benötigt für eine komplette Drehung um seine Rotatiosachse lediglich neun Stunden, vier Minuten und 30 Sekunden. Aus diesem Grund variierten die bei den jeweiligen Messungen ermittelten Wasserdampfkonzentrationen während der Beobachtungszeiten deutlich erkennbar.

Hierdurch wurden letztendlich zwei spezielle Regionen auf der Oberfläche von Ceres als die Quellen für den freigesetzten Wasserdampf ausgemacht. Diese Gebiete verfügen über Ausdehnungen von jeweils rund 60 Kilometern, liegen in den mittleren Breiten auf gegenüberliegenden Seiten der Ceres-Oberfläche und sind beide etwa fünf Prozent dunkler als die umliegenden Gebiete.

Im Durchschnitt, so das Ergebnis der Beobachtungen, gibt der Zwergplanet Ceres pro Sekunde etwa sechs Kilogramm Wasserdampf ins Weltall ab. Nur ein Teil davon kann allerdings die Fluchtgeschwindigkeit von 520 Meter pro Sekunde überwinden und gelangt nach dem Verlassen des Gravitationsfeldes von Ceres tatsächlich ins freie Weltall.

Wie entsteht der Wasserdampf?
Diese Entdeckung erlaubt auch Aussagen darüber, welcher Vorgang die Freisetzung des Wasserdampfes sehr wahrscheinlich verursacht: Ceres umrundet die Sonne auf einer exzentrischen Umlaufbahn, welche zwischen 2,546 und 2,987 Astronomische Einheiten angesiedelt ist. Da der Zwergplanet lediglich neun Prozent des auf die Oberfläche einfallenden Sonnenlichts in den Weltraum zurückstrahlt, erhöht sich die Oberflächentemperatur im Bereich des sonnennächsten Punktes der Umlaufbahn dementsprechend.

ESA, ATG medialab, Michael Küppers et al.
Auch am 11. Oktober 2012 konnte das HIFI-Instrument von Herschel Wasserdampf in der Umgebung von Ceres nachweisen. Bei diesem Bild handelt es sich um eine künstlerische Darstellung.
(Bild: ESA, ATG medialab, Michael Küppers et al.)

„Frühere Beobachtungen legten bereits nahe, dass Ceres unter seiner sichtbaren Oberfläche eine Zone aus gefrorenem Wasser verbirgt. Dieser Eismantel könnte an manchen Stellen bis an die Oberfläche reichen. Wenn sich Ceres nun auf seiner elliptischen Umlaufbahn der Sonne nähert, erwärmt sich das Eis auf der Oberfläche. Teile davon sublimieren, das heißt, das Eis verdampft ohne vorher zu schmelzen. Der Prozess wäre demnach ganz ähnlich wie auf einem Kometen“, so Michael Küppers, Planetologe bei der ESA und Erstautor einer entsprechenden Studie, welche kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature“ publiziert wurde.

Ceres setzt vor allem dann Wasserdampf frei, wenn sich der Zwergplanet im sonnennächsten Bereich seiner Umlaufbahn befindet. Die Tatsache, dass die identifizierten Quellregionen über eine noch einmal dunklere Oberfläche verfügen und somit auch mehr Sonnenenergie speichern als der Rest der Ceres-Oberfläche, könnte den Sublimationsprozess zusätzlich begünstigen.

Eine alternative Erklärung für die kometenähnliche „Aktivität“ von Ceres wäre, dass sich tief im Inneren des Himmelskörpers größere Mengen an langlebigen radioaktiven Elementen befinden. Durch die natürlichen radioaktiven Zerfallsprozesse würde Wärme freigesetzt, welche das im Mantel befindliche Wassereis zum Schmelzen bringt. Dieses Wasser würde sich einen Weg an die Oberfläche bahnen und schließlich zu einer kryovulkanischen Aktivität führen.

Ausgeschlossen werden kann dagegen ein Impakt-Szenario. Der über längere Zeiträume erfolgte Nachweis von gleich zwei Quellen zeigt, dass es sich nicht um ein einmalig aufgetretenes Ereignis handelt, welches zum Beispiel durch den Einschlag eines anderen Himmelskörpers auf der Oberfläche von Ceres verursacht wurde, sondern vielmehr um einen dauerhaft ablaufenden Vorgang. Auch gravitative Gezeitenkräfte, welche unter anderem für den Kryovulkanismus auf dem Saturnmond Enceladus verantwortlich sind (Raumfahrer.net berichtete) können im Fall von Ceres ausgeschlossen werden.

NASA, JPL
Der schematische Aufbau der Raumsonde DAWN. DAWN wird Anfang des Jahres 2015 den Zwergplaneten Ceres erreichen und diesen anschließend aus einer Umlaufbahn heraus über mehrere Monate hinweg eingehend analysieren.
(Bild: NASA, JPL)

Raumsonde DAWN wird Antworten liefern
Welches der beiden zuerst erwähnten Szenarien tatsächlich für die Freisetzung von Wasserdampf in der Umgebung von Ceres verantwortlich ist konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. Die meisten Indizien sprechen jedoch für das Sublimations-Szenario. Allerdings haben die Planetenforscher eine Trumpfkarte in der Hinterhand – nämlich die Raumsonde DAWN.
Die am 27. September 2007 gestartete Raumsonde schwenkte am 16. Juli 2011 in eine Umlaufbahn um den Asteroiden (4) Vesta ein und untersuchte diesen drittgrößten Himmelskörper im Bereich des Asteroidengürtels anschließend ausführlich mit den drei mitgeführten Instrumenten. Nach dem Abschluss der Untersuchungen bei Vesta im Jahr 2012 setzte die Raumsonde ihre Reise durch unser Sonnensystem fort. Im März 2015 wird DAWN ihr zweites und finales Reiseziel, den Zwergplaneten Ceres, erreichen und auch diesen Himmelskörper aus einem Orbit heraus über mehrere Monate hinweg erkunden.

Mit dem im visuellen und infraroten Spektralbereich arbeitenden VIR-Spektrometer und dem Gamma- und Neutronenspektrometer GRAND wird es dann möglich sein, die Wasserdampfemissionen und die dafür verantwortlichen Quellregionen näher zu erfassen und eingehend zu untersuchen. Des weiteren wird ein unter der Leitung von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau entwickeltes und gebautes Kamerasystem, die aus zwei identischen Optiken bestehende Framing Camera, zum Einsatz kommen und hochaufgelöste Aufnahmen von der Ceres-Oberfläche liefern.

Die DAWN-Mission wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Betrieb der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kameraprojekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und der NASA (JPL) unterstützt.
Die hier kurz vorgestellten Ergebnisse der Herschel-Untersuchungen des Zwergplaneten Ceres wurden am 23. Januar 2014 von Michael Küppers et al. unter dem Titel „Localized sources of water vapour on the dwarf planet (1) Ceres“ in der Fachzeitschrift „Nature“ publiziert.
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