Von JWST nachgewiesenes Wasser in einer planetenbildenden Scheibe gibt Aufschluss über die Lebensfreundlichkeit erdähnlicher Planeten. Eine Pressemitteilung der Universität Wien.
Quelle: Universität Wien 24. Juli 2023.
Wien, 24. Juli 2023 – Die internationale MINDS-Forschungsgruppe hat mit dem Weltraumteleskop James Webb Wasser in der inneren Region einer Scheibe aus Gas und Staub um einen jungen Stern entdeckt. Gewöhnlich bilden sich in dieser Zone erdähnliche Planeten. Erstmals wurde in einer Scheibe dieser Art, die bereits mindestens zwei Planeten beherbergt, auch Wasser entdeckt. Etwaige Gesteinsplaneten, die in der inneren Scheibe entstehen, würden unmittelbar von einem beträchtlichen Wasserreservoir profitieren, was die Chancen auf eine spätere Lebensfreundlichkeit verbessern würde. In der kürzlich in Nature erschienen Studie berichten die Astronom*innen von ihrer Entdeckung, ein Hinweis auf einen Mechanismus, der potenziell lebensfreundliche Planeten während ihrer Entstehung mit Wasser versorgt. Auch Astrophysiker Manuel Güdel von der Universität Wien ist Mitglied der MINDS-Gruppe.
Wasser ist für das Leben auf der Erde unerlässlich. Wie genau das Wasser auf die Erde oder erdähnliche Exoplaneten gelangt ist, wird jedoch unter Astronom*innen noch diskutiert. Die bisher am weitesten verbreitete Erklärung dafür: Wasserhaltige Asteroiden bombardieren die Oberfläche eines jungen Planeten und bringen so das Wasser dorthin. Die neue Entdeckung lässt nun eine andere Erklärung zu: „Wir haben jetzt möglicherweise Beweise dafür gefunden, dass Wasser eines der frühesten Bestandteile von Gesteinsplaneten sein könnte und bereits bei ihrer Geburt vorhanden ist“, sagt Giulia Perotti, Hauptautorin der Studie und Astronomin am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, Deutschland.
Wasser in der inneren Scheibe von PDS 70
Durch Beobachtungen mit MIRI (Mid-InfraRed Instrument) an Bord des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) entdeckten Astronom*innen Wasser in der Nähe des Zentrums der Scheibe um den jungen Stern PDS 70, 370 Lichtjahre von der Erde entfernt. Der Studie zufolge handelt es sich bei dem Wasser um heißen Dampf mit einer Temperatur von glühenden 330 Grad Celsius (600 Kelvin).
„Der erstmalige Nachweis von Wasser in dieser Zone einer planetenbildenden Scheibe ist äußerst spannend, da er damit auch erste Hinweise liefert, dass die Erde in ihrer Entstehungsphase trotz der Anwesenheit der riesigen Gasplaneten Jupiter und Saturn in unserem Sonnensystem wohl nicht vom Wassernachschub abgetrennt war“, erklärt Manuel Güdel. Er ist Mitautor des zugrunde liegenden Artikels, Co-PI (Principal Investigator) von MIRI und Mitglied des Forschungsprogramms MINDS (MIRI Mid-Infrared Disk Survey).
Bislang gibt es noch keine Hinweise auf Planeten in der Nähe des Zentrums der PDS 70-Scheibe. Stattdessen umkreisen zwei Gasriesenplaneten weiter draußen, PDS 70 b und c, den Stern. Bisher wurde angenommen, dass die Riesenplaneten im PDS-70-System, oder ähnlich auch Jupiter und Saturn in der Entstehungsphase unseres Sonnensystems, große Mengen des Scheibenmaterials zu ihrem eigenen Aufbau wegerodieren und damit auch den Wassernachschub von außen in die innere Scheibenzone stoppen.
PDS 70 ist die erste relativ alte Scheibe – etwa 5,4 Millionen Jahre alt – in der Forschende Wasser gefunden haben. Mit der Zeit nimmt der Gas- und Staubgehalt von planetenbildenden Scheiben ab. Entweder entfernen die Strahlung oder der Wind des Zentralsterns Material wie Staub und Gas, oder der Staub wächst zu größeren Objekten heran, die schließlich Planeten bilden. Da frühere Studien kein Wasser in den zentralen Regionen ähnlich entwickelter Scheiben nachweisen konnten, vermuteten die Astronom*innen, dass es die harte Sternstrahlung nicht überleben könnte, was zu trockenen Umgebungen während der Entstehung von Gesteinsplaneten führen würde. Dennoch haben die Astronom*innen nun Wasserdampf in der Scheibe entdeckt.
Woher kommt das Wasser?
Da der Wasserfund für die Forscher*innen eher unerwartet war, stellen sie sich nun die Frage, wie das Wasser in die sternnahen Regionen der Scheibe gekommen sein könnte. Eine Möglichkeit besteht darin, dass das Wasser ein Überbleibsel eines ursprünglich wasserreichen Nebels ist, der dem Scheibenstadium vorausging. Eine weitere Quelle könnte Gas sein, das von den äußeren Rändern der Scheibe von PDS 70 einströmt. Unter bestimmten Umständen können sich Sauerstoff- und Wasserstoffgas verbinden und Wasserdampf bilden.
„Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in einer Kombination aus all diesen Möglichkeiten“, sagt Perotti. „Dennoch ist es wahrscheinlich, dass einer dieser Mechanismen eine entscheidende Rolle beim Auffüllen des Wasserreservoirs der PDS 70-Scheibe spielt. In Zukunft wird es darum gehen, herauszufinden, welcher das ist.“
Fest steht jedenfalls, dass ein solches Szenario die Chancen verbessern könnte, Gesteinsplaneten mit reichlich Wasser zu finden, auf denen Leben möglich ist. Die Fortschritte des MINDS-Programms werden schließlich zeigen, ob Wasser in den planetenbildenden Zonen der entwickelten Scheiben um junge Sterne häufig vorkommt oder ob PDS 70 lediglich eine Ausnahme darstellt. Momentan wartet das Team auf eine weitere Reihe von JWST-Beobachtungen, die detaillierte Bilder der inneren Scheibe von PDS 70 liefern werden. Damit will das Team noch genauer feststellen, wie nahe am Stern Wasser vorhanden ist.
„Die JWST-Beobachtung von PDS 70 trägt substantiell zu unserem Verständnis habitabler Planeten bei, also Planeten, auf denen nach unserem Verständnis Leben auf der Oberfläche entstehen und gedeihen kann. Bisher gehen wir davon aus, dass Wasser eine unbedingte Voraussetzung für Leben ist. Dass Wasser schon in der Entstehungsphase erdähnlicher Planeten nahe beim Stern in großen Mengen zur Verfügung steht, eröffnet neue Wege zu belebbaren Planeten“, erklärt Manuel Güdel von der Universität Wien.
Hintergrundinformationen
Das MINDS-Team beobachtete PDS 70 im Rahmen des JWST Guaranteed Time Observation (GTO) Programms 1282, „MIRI EC Protoplanetary and Debris Disks Survey“. Manuel Güdel ist Co-PI des MIRI-Instruments und ist gegenwärtig in dieser Eigenschaft zusätzlich mit dem Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und mit der ETH Zürich affiliiert.
Originalpublikation:
G. Perotti et al., „Water in the terrestrial planet-forming zone of the PDS 70 disk“, Nature (2023).
DOI: 10.1038/s41586-023-06317-9,
https://www.nature.com/articles/s41586-023-06317-9,
pdf: https://www.nature.com/articles/s41586-023-06317-9.pdf;
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