Was die Wissenschaft über Titan weiß

Als Cassini am 26. Oktober 2004 an Titan vorbei flog, bekamen Wissenschaftler einen Vorgeschmack der zukünftigen Entdeckungen.

Ein Beitrag von ingofroeschmann. Quelle: none.

Im Folgenden lesen Sie ein Interview, welches das Astrobiology Magazine aus diesem Anlass mit Athena Coustenis vom Observatorium Paris Meudon führte.

Astrobiology Magazine (AM): Lange Zeit dachte man, dass Titan komplett von einem Ozean aus flüssigen Kohlenwasserstoffen bedeckt sei. Wann änderte sich das?

Athena Coustenis (AC): Als ich 1987 begann, auf diesem Gebiet zu arbeiten, war das von Jonathan Lunine aufgestellte Modell eines globalen Kohlenwasserstoff-Ozeans wie eine Bibel für uns. Sein Modell wurde 1983 veröffentlicht und lieferte eine sehr elegante Erklärung für das in der Atmosphäre vorhandene Methangas.

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Diese Grafik zeigt, dass es in dem beobachteten, etwa 400 Kilometer langem Gebiet Höhenunterschiede von nur etwa 150 Meter gibt. Kleine Details in der Datenmenge sind wahrscheinlich Hintergrundrauschen. Der mit „downlink data dropout“ bezeichnete bereich ging während der Übertragung verloren, wird aber bei späteren Datenübertragung noch gerettet werden. Die Daten wurden bei einem Vorbeiflug am 26. Oktober aufgenommen. (Quelle: NASA)

Das änderte sich erst, als Aufnahmen im nahen Infrarotbereich von Titan gemacht wurden. Bei diesen Wellenlängen sieht man etwas, was wir als „Methanfenster“ bezeichnen, also Regionen in denen wir die dicke Atmosphäre durchdringen und bis auf die Oberfläche sehen können.

Die Lichtkurve im nahen Infrarotbereich war nicht flach, wie es bei einer gleichförmigen Oberfläche wie zum Beispiel einem Ozean der Fall sein müsste. Da also die Oberfläche nicht gleichförmig war, konnte man annehmen, dass zumindest ein Teil der Oberfläche fest war. Dann, in den Neunziger Jahren, bekamen wir RADAR Daten, die eher zu einer festen Oberfläche passten. Aufnahmen mit adaptiver Optik vom Keck Observatorium, dem CFH Teleskop auf Hawaii, dem Very Large Telescope in Chile und dem Hubble Weltraumteleskop zeigten andere Oberflächen als es die Wissenschaftler erwarteten.

Die Oberfläche des Titan zeigte die seltsamen hellen und dunklen Flecken.

AM: Wissen wir was diese hellen und dunklen Flecken sind?

AC: Viele glauben, dass die dunklen Flecken Seen aus Kohlenwasserstoff sind, und die hellen Regionen demnach festes Material wie zum Beispiel Eis.

Ich denke, die dunklen Gebiete könnten Kohlenwasserstoffseen sein, denn ihr Albedo – die Fähigkeit zu reflektieren – ist sehr niedrig. Aber ich glaube nicht das alle dunklen Flecken flüssiger Kohlenwasserstoff sein müssen, denn Wassereis erscheint im Infrarotbereich zum Beispiel auch dunkel.

Es gibt auch Gebiete, in denen helle und dunkle Flecken vermischt erscheinen. Das könnte Schmutz sein, Schlamm, oder auch poröses Material mit zusätzlichen Elementen. Ich mag die Idee der porösen Oberfläche, denn selbst wenn Kohlenwasserstoffseen vorhanden sind, können sie nicht für das gesamte Methan in der Atmosphäre verantwortlich sein. Meiner Meinung nach braucht es dazu noch ein Reservoir unter der Oberfläche.

Ich denke das die hellen Stellen nur gefrorener Kohlenwasserstoff sein können. Wassereis kann es nicht sein, denn das ist in zwei der betrachteten Wellenlängen dunkel. Kohlenwasserstoffeis ist in allen Wellenlängen hell.

Die hellen Regionen könnten also mit Kohlenwasserstoffeis bedeckte Hochebenen oder Berge sein. Um Kohlenwasserstoffeis zu erhalten, sind Berge notwendig, auf denen Kohlenwasserstoff wie Schnee fallen kann.

AM: Aber bisher gibt es keine Hinweise auf Berge auf Titan.

AC: Nein, aber wir haben auch erst 0,4 Prozent der Oberfläche mit Cassini beobachtet. Das ist, als würde jemand auf der Erde nur eine Autobahn betrachten und darauf schließen, das der ganze Planet mit Autobahnen bedeckt sei. Wir müssen also weiter suchen.

Huygens wird in einem Mischgebiet landen, also an der Grenze zwischen hellen und dunklen Stellen. Vielleicht sehen wir während der Landung auf der einen Seite einen Berg, und auf der anderen einen See. Das wird sehr spannend!

AM: Huygens wird uns wahrscheinlich weitere Aufschlüsse über die Chemie auf Titan geben. Wie komplex denken Sie ist die Chemie dort?

AC: Das ist die große Frage. Mit immer größeren und immer komplexeren Molekülen kommen wir den Makromolekülen des Lebens einen Schritt näher.

AM: Den Aminosäuren?

AC: Genau. Es gibt Blausäure auf Titan, und wir wissen, dass Blausäure einer der Bausteine ist, die zu Molekülen wie Aminosäuren führen. Aber ist dieser Grad an Komplexität auf Titan erreicht? Gibt es noch andere Stoffe neben der Blausäure? Wir suchen danach, ich persönlich denke aber, dass sie nur in kleinen Mengen vorkommen. Ich bin kein Chemiker, aber ich weiß, dass chemische Reaktionen bei den niedrigen Temperaturen auf Titan anders ablaufen als auf der Erde.

Titan empfängt etwa ein hundertstel des Sonnenlichts das die Erde erreicht. Dieses Sonnenlicht erreicht hauptsächlich die oberen Schichten der Atmosphäre. Die Oberfläche ist also noch dunkler und kälter, so dass chemische Reaktionen langsamer ablaufen als auf der Erde. Vielleicht laufen diese Reaktionen trotzdem ab, aber es sind nicht genug komplexe Moleküle gebildet worden, als das wir sie entdecken könnten.

Das Composite Infrared Spectrometer (CIRS) ist in der Lage, große Moleküle in geringer Konzentration aufzuspüren. Cassini wird den Saturn vier Jahre lang umkreisen, wir hoffen also, dass CIRS während dieser Zeit einige große Moleküle finden wird.

AM: Gibt es interne hitzeerzeugende Prozesse auf Titan die solche chemischen Reaktionen fördern könnten?

AC: Gute Frage. Ich glaube nicht, dass wir diese Frage schon beantworten können. Aber um die schon erwähnten Berge zu erschaffen, braucht man eine Art Vulkanismus oder auch Tektonik, etwas, das die Oberfläche verändert.

Die Oberfläche von Titan sieht jung aus, da es keine sichtbaren Einschlagskrater gibt. Es könnte also Prozesse im Inneren des Mondes geben, die die Beschaffenheit der Oberfläche erklären.

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