Warum Zeit nur in eine Richtung fließt

Der Urknall könnte ein normales Ereignis in der Evolution des Universums sein und sich über unglaublich lange Zeiträume wiederholen, in denen der Weltraum expandiert, sich leert und auskühlt, behaupten zwei Physiker der Universät Chicago.

Ein Beitrag von Julian Schlund. Quelle: universetoday.

Physiker rätseln seit über einem Jahrhundert über die Natur der Zeit. Wieso fließt sie nur in eine Richtung? Zeit könnte genauso gut rückwärts laufen, die physikalischen Gesetze würden auch dann noch vollständig funktionieren. Forscher der Universität Chicago glauben eine Antwort gefunden zu haben: Wir leben in einem Universum sich ewig ausdehnender Entropie! Anstatt von einem Urknall auszugehen, mit dem sich das Universum ewig immer weiter ausdehnt und immer mehr abkühlt, so wäre es auch möglich, dass kleine Schwankungen in fast leerem Raum neue Big Bangs auslösen. Das Weltall würde niemals völliges Gleichgewicht erreichen.

„Wir wagen es zu behaupten, dass der Urknall nichts besonderes in der Entwicklungsgeschichte unseres Universums darstellt“, sagte Sean Carroll, helfender Physik-Professor an der Universität Chicago.

Die Forschungen von Caroll und Chen widmen sich zwei grundlegenden Fragen: Wieso dehnt sich Zeit nur in eine Richtung aus und könnte der Urknall von energetischen Schwankungen in leerem Raum hervorgerufen worden sein?

Die Frage über die „Richtung“ der Zeit beschäftigt die Physiker bereits ein Jahrhundert lang, denn größtenteils unterscheiden die fundamentalen physikalischen Gesetze nicht zwischen Zukunft und Vergangenheit. „Sie sind Zeit-symmetrisch“, so Caroll.

Nahe verbunden mit der Streitfrage der Zeit ist das Konzept der Entropie, einer Einheit für das Maß an Unordnung im Universum. Wie der Physiker Ludwig Boltzmann vor einem Jahrhundert gezeigt hat, steigt die Entropie natürlicherweise mit der Zeit an. „Man kann ein Ei in ein Omelett verwandeln, aber nicht ein Omelett in ein Ei,“ veranschaulicht Carroll.

Aber die Frage bleibt, warum die Entropie im anfänglichen Universum so gering war. Die Schwierigkeit dieser Frage hat Forscher schon seit längeren beschäftigt, wobei die meisten es als Puzzle bestehen haben lassen, das sich in Zukunft lösen wird.

Caroll und Chen haben nun einen Ansatz gefunden, um die Frage zu beantworten: Vorherige Forschungen haben versucht, die Fragen über den Urknall zu beantworten, indem sie angenommen haben, dass die Entropie im Universum endlich ist. Carroll und Chen gehen genau vom Gegenteil aus. „Wir postulieren, dass die Entropie des Universums unendlich ist. Sie könnte für immer anwachsen,“ sagt Chen.

Um erfolgreich zu erklären, warum das Universum so aussieht wie wir es heute kennen, müssen beide Annäherungen den Prozess der Inflation, welcher eine Erweiterung der Urknall Theorie ist, mit einbeziehen. Astrophysiker haben die sogenannte Inflationstheorie eingeführt, um das Universum, so wie es heute aussieht, erklären zu können. Demnach machte das Universum innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde nach dem Urknall eine Phase unvorstellbarer Expansion durch.

Allerdings gibt es da ein Problem: Um in die Phase der Inflation einzutreten, hätte das Universum einen mikroskopisch kleinen Pfad in einer extrem unwahrscheinlichen Konfiguration beschreiten müssen, nicht gerade das, was Wissenschaftler von einer zufällig gewählten Anfangsbedingung erwarten würden. Carroll und Chen sagen, dass solch eine generische Anfangsbedingung eher dafür sorgen würde, einen kalten, leeren Raum zu produzieren – offensichtlich nicht der ideale Startpunkt für den Beginn der Inflation.

Physiker hatten folgendes vorgeschlagen: Eine zufällige Fluktuation (Schwankung) in einem Universum endlicher Entropie wäre in der Lage den Prozess der Inflation zu starten. Dies würde jedoch wiederum voraussetzen, dass die Moleküle im Universum von einem Zustand hoher Entropie in einem Zustand niedriger Entropie überwechseln, ein statistisch sehr gewagtes Spiel.

Carroll und Chen’s Szenario der unendlichen Entropie wird durch die Entdeckung im Jahre 1998 angespornt, nämlich dass unser Universum aufgrund einer geheimnisvollen Kraft, der dunklen Energie, für immer expandieren wird. „Unter diesen Bedingungen ist die natürliche Konfiguration unseres Universums eine fast völlige Leere. „Im gegenwärtigen Universum wächst die Entropie und das Universum dehnt sich aus und wird leerer,“ erklärt Carroll.
Aber selbst im leeren Raum lassen sich schwache Spuren von Energie ausmachen, die im subatomaren Bereich schwanken. Wie in der Vergangenheit von Jaume Garriga von der Universitat Autonoma de Barcelona und Alexander Vilenkin von der Tufts University vorgeschlagen wurde, können diese Fluktuationen ihren eigenen Urknall in winzigen Bereichen, die sich räumlich und zeitlich in großer Entfernung zueinander befinden, erzeugen. Carroll und Chen erweitern diese Idee auf dramatische Art und Weise und schlagen vor, dass die Inflation in der entfernten Vergangenheit „im Rückwärtsgang“ begonnen haben könnte, so dass die Zeit für jene Beobachter rückwärts zu laufen scheint, die sich weit in unserer Vergangenheit befinden.

Egal aus welcher Richtung betrachtet: In diesen neuen Universen, die bei den erwähnten Urknallen erzeugt wurden, würde die Entropie wachsen. In diesem unendlichen Kreislauf würde das Universum niemals ins Gleichgewicht kommen. Wenn es im Gleichgewicht wäre, würde niemals etwas passieren. Es gäbe keine Richtung der Zeit.

„Es gibt keinen Zustand, in dem die Entropie maximal ist. Man kann die Entropie immer erhöhen, indem man ein neues Universum erzeugt und ihm erlaubt sich auszudehnen und abzukühlen,“ so Carroll.

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