Das Sensorproblem der Discovery erweist sich als überraschend hartnäckig. Mehr zu der Aufgabe dieser Sensoren, ihrer Geschichte, und wie es jetzt weiter geht.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: Spaceflight Now.
24 Treibstoffsensoren werden im externen Tank des Space Shuttle verwendet: 12 in der Sauerstoff- und 12 in der Wasserstoffsektion. Acht davon messen die Menge von Treibstoff vor dem Start. Jene vier hingegen, die mittlerweile als Engine-Cutoff-Sensoren (ECO), also Triebwerks-Brennschluss-Sensoren, bekannt sind, sind Teil eines Sicherheitssystems, das garantieren soll, dass die Triebwerke des Shuttle weder zu früh abschalten noch zu lange laufen und damit den Tank „trocken saugen“, mit möglicherweise katastrophalen Folgen. Daher müssen alle vier ECO-Sensoren in jedem der beiden Tanks beim Start funktionieren.
Die Wasserstoff-ECO-Sensoren befinden sich ganz unten im Tank, nahe der Mündung des Ansaugrohrs, das den flüssigen Wasserstoff – mit einer Temperatur von -250 Grad Celsius, nahe dem absoluten Nullpunkt -, zu den Triebwerken leitet. Die meiste Zeit sind die Sensoren also in dem superkalten Treibstoff eingetaucht; erst kurz bevor der Tank leer läuft, können sie „trocken“ werden.
Die ECO-Sensoren werden erst spät in der Aufstiegsphase scharf geschaltet, wenn sich nur noch eine relativ kleine Menge von Treibstoff im Tank befindet. Ist das ECO-System aktiv, prüft das Computersystem des Shuttle ständig den Status jedes Sensors, ob er immer noch „nass“ ist. Als Schutz gegen einen fehlerhaften Sensor wird die erste „Trocken“-Meldung von jedem von ihnen verworfen.
Dabei ist das ECO-System nur ein Hilfssystem. Die Flugcomputer des Shuttle messen ohnehin ständig Position, Geschwindigkeit und Treibstoffverbrauch und können daraus selbständig kalkulieren, wann die Triebwerke abgeschaltet werden müssen. Nur zur Sicherheit überwachen die Computer die ECO-Sensoren, während sich der Tank allmählich leert, um vor unliebsamen Überraschungen geschützt zu sein.
Der Shuttle wird mit mehr Treibstoff gestartet, als er für seine Mission braucht, also könnten die ECO-Sensoren eigentlich niemals „trocken“ laufen. Aber wenn ein Problem auftritt und die Computer zwei „trockene“ Sensoren feststellen, dann schalten sie die Triebwerke ab, um zu verhindern, dass der Tank leer läuft. So lange wie mindestens drei Sensoren „nass“ melden, wird angenommen, dass noch Treibstoff im Tank ist.
Wenn das System scharf geschaltet ist, müssten zwei Sensoren fälschlich „trocken“ melden, um einen versehentlichen Brennschluss auszulösen. Wenn drei Sensoren fälschlich „nass“ melden, könnten die Triebwerke trocken laufen.
Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Mehrfachversagens ist extrem gering, internen NASA-Dokumenten zu früheren Problemen zufolge. Tatsächlich hat seit der sechsten Shuttle-Mission 1983, als das Design geändert wurde, kein ECO-Sensor mehr während des Flugs versagt.
Allerdings hat sowohl ein zu früher als auch ein zu später Triebwerks-Brennschluss schwer wiegende Folgen. Ein vorzeitiger Brennschluss kann dazu führen, dass die Crew den angepeilten Orbit nicht erreicht. Ein verspäteter Brennschluss ist noch schlimmer. Denn das Triebwerkssystem ist auf ein bestimmtes Gemisch von Treibstoff (hier Wasserstoff) und Oxidator (hier Sauerstoff) ausgelegt. Wird das Gemisch zu fett oder zu mager, stimmt – wie beim gemeinen Kraftfahrzeug – nicht nur die Leistung nicht mehr, sondern das Triebwerk kann sogar beschädigt werden, angefangen von Kavitation in den Hochleistungs-Turbopumpen bis hin zu Bränden oder gar Explosionen der Triebwerke. Obwohl das ECO-Sensorsystem also eigentlich nur ein Hilfssystem ist, den Flugcomputern von der Bedeutung her untergeordnet, fordern die Startregeln der NASA ganz klar vier funktionierende ECO-Sensoren in jedem Tank, um das Ziel der mehrfach redundanten Absicherung zu erreichen. Von daher war der Startabbruch nur konsequent.
Bisher zwei Notabschaltungen
In der Geschichte des Shuttle-Programms wurde das ECO-System bisher erst zweimal auf die Probe gestellt.
Während der Mission STS-51F der Challenger am 29. Juli 1985 schaltete sich eines der Haupttriebwerke fünf Minuten und 43 Sekunden nach dem Start ab, weil ein interner Temperatursensor versagte. Dadurch stieg der Treibstoffverbrauch der beiden verbliebenen Triebwerke, der Treibstoff reichte nicht, und das Resultat war, dass die ECO-Sensoren die Triebwerke ganz abschalten mussten.
Die andere ECO-Notabschaltung ereignete sich just während des letzten Flugs von Discovery-Kommandantin Eileen Collins, bei Mission STS-93, als ein Wasserstoffleck in den Kühlröhren, aus denen die Düse von Triebwerk 3 bestand, zu einem überhöhten Sauerstoffverbrauch führte. In diesem Fall liefen die Sauerstoff-ECO-Sensoren „trocken“, was zur Triebwerksabschaltung führte.
In beiden Fällen geschahen die Abschaltungen erst spät während des Aufstiegs und beide Shuttle-Crews konnten ihre Missionen vollenden, obwohl die Challenger-Crew in einen niedrigeren Orbit als geplant kam.
Chronologie des Discovery-ECO-Problems
Die NASA wurde in den vergangenen Wochen mit einer Reihe von Problemen mit dem ECO-Sensorsystem konfrontiert, Störungen von überraschender Hartnäckigkeit. Die Probleme begannen während eines Betankungstests im April, als die ECO-Sensoren 3 und 4 nur sporadisch funktionierten.
Ingenieure entfernten einen elektronischen Controller, eine so genannte „Point sensor box“, und ersetzten die Verkabelung zu den beiden fraglichen Sensoren, während die Verkabelung zu den Sensoren 1 und 2 unverändert blieb. Der Controller stellte sich aber als intakt heraus und die Ingenieure konnten die Ursache des Problems nicht aufspüren. Ein Controller vom Shuttle Atlantis wurde installiert und ein zweiter Betankungstest durchgeführt.
Diesmal arbeiteten die Sensoren normal. Aber bei weiteren Untersuchungen nach dem Test versagte der Austausch-Controller. Er wurde durch einen weiteren von der Endeavour ersetzt. Die NASA hatte da schon entschieden, dass der Tank der Discovery wegen den Eis-Problemen ausgetauscht werden sollte. Mit einem frischen Controller, ausgetauschter Verkabelung, einem neuen Tank und soliden Testergebnissen, entschieden die NASA-Manager, die bisherigen Sensorprobleme als „unerklärte Anmomalie“ zu den Akten zu legen.
Aber während des Countdowns am Mittwoch versagte nun der Wasserstoff-ECO-Sensor Nr. 2 bei einem Test, bei dem die Computer Signale senden, um einen „trockenen“ Tank zu simulieren: Anstelle „trocken“ zu melden“, blieb er auf „nass“ stehen. Und als der Tank anschließend, nach dem Startabbruch geleert wurde und folglich die anderen drei Sensoren wie erwartet von „nass“ auf „trocken“ sprangen, meldete Sensor Nummer 2 noch drei Stunden lang „nass“, bevor er sich dazu bequemte, „trocken“ anzuzeigen.
Zur Zeit steht die Discovery noch auf der Startrampe und Experten arbeiten rund um die Uhr daran, das Problem endgültig zu lösen. Viel Zeit haben sie dazu nicht mehr. Normalerweise werden derartige Arbeiten auch im „Vehicle Assembly Building“ erledigt, aber dann wäre ein Starttermin „noch im Juli“ endgültig nicht zu halten und müsste auf September verschoben werden. Denn erst dann sind die beiden Randbedingungen „Start bei Tageslicht“ und „Treffen mit der ISS“ wieder unter einen Hut zu bringen.
Derweil steigt das Unverständnis bei den ungeduldigen Zuschauern rund um die Welt. Drosch man vor dem Start auf die NASA ein, wie sie mit diesem „schlachtreifen Schlachtross“ überhaupt noch fliegen könne, dreschen nun, nach dem Abbruch, viele auf die NASA ein, wo sie nun wirklich auf Nummer Sicher geht und auf der tadellosen Funktion eines wichtigen Hilfssystems besteht.
Wie Shuttle-Manager Wayne Hale schon sagte: „Es gibt dieses System und das hat seinen guten Grund.“ Und NASA-Administrator Michael Griffin mahnte letzte Woche die vielen ungeduldig Wartenden schon zu Gelassenheit und Geduld. Er erinnerte daran, wie eine Shuttle-Mission einmal erst nach 14 Countdown-Abbrüchen hatte starten können.