Warmes Eis, oder flüssiges Wasser? Teil 2

Die Diskussionen um die Natur der Quellen, die die 2005 erstmals beobachteten Geysire des Enceladus speisen, kommen weiterhin nicht zur Ruhe. Nur eines scheint sich immer weiter zu bestätigen: Der kleine Eismond entwickelt sich zu einem aussichtsreichen Kandidaten bei der Suche nach potentiellem Leben im Sonnensystem. Heute die Fortsetzung des Berichts vom 10.08.2009

Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Lars-C. Depka.

Eingedenk der Natrium- und Kaliumvorkommen in Saturns E-Ring, einem Ring, der direkt aus dem Kryovulkanismus des Enceladus gespeist wird, stellen kohlenstoffhaltige Moleküle wie Methan, Ethanol, komplexere Kohlenwasserstoffe oder auch das einfachste Aldehyd Methanal – die allesamt in reichlichen Konzentrationen in den Auswurfwolken nachzuweisen sind – weitere Bausteine innerhalb einer Indizienkette dar, die nicht nur von einem salzig-flüssigen Quell des Wasserdampfes ausgeht, sondern Enceladus auch zu einem aussichtsreichen Kandidaten bei der Suche nach potentiell vorhandenem oder möglicherweise zukünftigen Leben innerhalb des Sonnensystems werden lässt. Selbst während Zyklen eines globalen Abkühlens, könnte die ozeanische Schicht unterhalb der Eisdecke die Bedingungen beibehalten, die im Rahmen von Gezeitentätigkeiten erneute geologische Aktivitäten ermöglichen.

NASA
Der Durchflug vom 09.10.2008 erbrachte neue Resultate, wie den Nachweis von Kohlenwasserstoffen. Jedoch könnten Interaktionen zwischen dem Gas und den Wänden einiger massiver Behältnisse der Raumsonde noch zu leicht korrigierten Resultaten führen.
(Bild: NASA)

Wie es auch schon bei Titan der Fall ist, suggeriert das primordiale Argon in der Auswurfwolke eher NH3 als Clathrate bzw. Einschlussverbindungen als Stickstofftransporteur. Als thermales Zerfallsprodukt des Ammoniaks würde im Mondinneren molekularer Stickstoff erwartet werden, der im Massenspektrum klassifizierbar sein sollte. Tatsächlich lässt sich innerhalb des Massenspektrums ein entsprechender Peak nachweisen, jedoch ist seine Interpretation aktuell hoch hypothetisch, denn der Wert ließe sich mit eingeschränkter Plausibilität gleichermaßen Ethen (Ethylen) oder Kobalt (das durch Hochenergieimpakte als Abspaltprodukt entstanden sein könnte) zuordnen. Freilich stellte C2H4 als Quelle den weitaus herausfordernderen Erklärungsansatz, da sein Vorkommen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht in Kometen beobachtet wurde und es infolge dessen vergleichsweise unwahrscheinlich ist, dass große Mengen dieses Alkens in den Planetesimale vorhanden war, aus denen sich Enceladus formte.

Darüber hinaus verdient ein weiters Hemmnis Beachtung: Innerhalb des Massenspektrums lässt sich Blausäure in einem Volumenverhältnis kleiner als 7,4 . 10-13 nachweisen. Sie „verseift“ jedoch rapide in warmem Wasser zu Ameisensäure und Ammoniak. Ihr Nachweis in der Auswurfwolke scheint infolgedessen mit der hydrothermalen Produktion des molekularen Stickstoffs unvereinbar zu sein. Auf der anderen Seite mag die Koexistenz von Stickstoff und Blausäure im Wasserdampf bedeuten, dass die Wolke aus Substanzen besteht, deren Quellen nicht alle – und wenn doch, in unterschiedlich starken Ausprägungen – wässriger Einflüsse ausgesetzt waren (wie beispielsweise Urzeitliches Material, dass in Eis ohne Kontakt zu flüssigem Wasser gefangen ist).

NASA
Vergleich der flüchtigen Bestandteile der Auswurfwolken mit denen in Kometenkomae. Signifikant geringere Mengen an Schwefelwasserstoff und Methanol fallen sofort ins Auge
(Bild: NASA)

Eine weitere Frage entsteht bei der Betrachtung, dass der gesamte, in den vergangenen 4,5 Mrd. Jahren durch radioaktiven Zerfall entstandene Argon-40 Vorrat, nach heutigen quantitativen Gesichtspunkten der Geysiraktivität betrachtet, innerhalb weniger Millionen Jahre erschöpft wäre. Es scheint sich also bei dem beobachteten Absolutbetrag um keinen stabilen Gleichgewichtszustand zu handeln, oder aber es herrscht zumindest periodisch eine in weiten Teilen diskontinuierliche Geysirtätigkeit vor, die auch notwendig wäre, um die nachgewiesenen Wärmeflussraten des Enceladus mit den durchschnittlich durch Gezeitenkräfte ermöglichten Energieraten in Einklang zu bringen.

Die Zusammensetzung der Dampfwolken spricht also sowohl für eine komplexe Historie wie auch Gegenwart des Mondes. Eine unvollständig aufgeschmolzene Eiskruste und (ehemaliger) Kontakt der Schmelze als flüssiges Medium mit einem heißen Felskern haben wohl zu der jetzt durch Cassini nachvollzogenen dynamischen Situation geführt, in der die chemische Abgabe eines Ungleichgewichtes und nicht die eines thermodynamischen Gleichgewichtes die jüngsten Messreihen beherrscht.

NASA
Enceladus lugt hinter Dione hervor
(Bild: NASA)

Zusammen mit dem Natriumnachweis in den Partikeln des E-Rings bilden die Ausströmgeschwindigkeiten des Dampfes und die soeben beschriebenen Ergebnisse eine Stringenz im Hinblick auf das derzeitige, respektive geologisch betrachtet, gegenwartsnahe Vorhandensein von Flüssigkeitsreservoirs unterhalb der Mondoberfläche, auch oder gerade weil die INMS-Daten sowohl die Anwesenheit von flüssigem Wasser, als auch von Eis zu erfordern scheinen. Auf der einen Seite fordern das reichlich vorhandene Argon-40 und Ammoniak eine „wässrige“ Aktivität im Mondinneren. Auf der anderen Seite existieren höhere Präsenzraten von Kohlendioxid und Methan im Verhältnis zu Wasser, als man anhand der wässrigen Löslichkeit dieser Komponenten bei den derzeit auf Enceladus herrschenden Bedingungen erwarten dürfte.

Man kann sich ein Flüssigkeitsreservoir als ein Multiphasensystem vorstellen, in dem die Flüssigkeitsphase mit der Kondensationsphase koexistiert. Alternativ ließe sich allerdings auch Eis über einer Zone Gashydrate als Quelle von beispielsweise Blausäure oder Benzol benennen.

Wie schon eingangs erwähnt, verbleibt bei der Frage nach dem Ursprung der Enceladus-Fontänen weiterhin ein leidliches Maß an Unsicherheitsfaktoren, auch, wenn sich augenblicklich die Waagschale leicht Richtung flüssigem Wasser zu neigen scheint.

Nach oben scrollen