Die Diskussionen um die Natur der Quellen, die die 2005 erstmals beobachteten Geysire des Enceladus speisen, kommen weiterhin nicht zur Ruhe. Nur eines scheint sich immer weiter zu bestätigen: Der kleine Eismond entwickelt sich zu einem aussichtsreichen Kandidaten bei der Suche nach potentiellem Leben im Sonnensystem.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Lars-C. Depka.
Die Schlüsselfrage in der derzeitigen Betrachtung des Mondes und seines Kryovulkanismus liegt im Ursprung und Chemismus seiner Auswurfwolken. Stammen die spektakulär anzusehenden Wolken aus Wasserdampf und Eispartikelchen von flüssigem Wasser ab, dicht unter der gefrorenen Oberfläche? Oder spielt der thermodynamische Prozess der Sublimierung bei ihrer Charakterisierung die entscheidende Rolle? „Warmes“ Eis, erzeugt durch die Abspaltung von Gashydraten, oder flüssiges Wasser, in Gestalt einer Region – oder gar eines globalen Ozeans – unterhalb der Eiskruste, was ist der Quell, aus dem sich alles speist? Die Antwort auf diese Frage wird sicherlich in absehbarer Zeit nicht bis in die letzte Konsequenz zu erschließen sein. Immerhin scheint sich allerdings allmählich eine leichte Tendenz in der Einschätzung einer Reihe von Daten und Fakten zugunsten einer Anschauung abzuzeichnen.
Nachdem das Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) stichhaltige Ansatzpunkte für die Variante „Flüssiges Wasser“ sieht, (siehe hier) scheinen Daten aus einem im vergangenen Oktober absolvierten Durchflug Cassinis durch eine der Auswurfwolken diese Sichtweise stützen zu können, genauer gesagt, in der Wolke nachgewiesene organische Komponenten, Deuterium, Ammoniak, sowie das hinreichend gesichert aufgeschlüsselte Argon-40, scheinen dies zu tun. Seit ihrer Entdeckung wurden die Jets des Eismondes insgesamt fünf Mal im Rahmen direkter Durchflüge, oder naher Vorbeiflüge zumeist anhand des Ion and Neutral Mass Spectrometer (INMS) an Bord von Cassini analysiert. Wasser und Kohlenstoffdioxid bilden die Hauptbestandteile des noch Tausende Kilometer oberhalb der Oberfläche nachweisbaren Sprays.
Der Event des 9. Oktober nun ermöglichte vor dem Hintergrund seiner außerordentlichen Signalqualität erstmals die Identifikation komplexer organischer Komponenten, wie beispielsweise Benzol, ein klassischer Kohlenwasserstoff, die in den vorausgegangenen Passagen nicht belegt werden konnten.
Argon-40, ein Isotop, das beim radioaktiven Zerfall von Kalium-40 entsteht, spielt in dieser Argumentationskette vielleicht sogar die gewichtigste, mindestens indes die neueste Rolle. Auf der Erde, aber auch auf Titan, wird es beispielsweise (im Falle der Erde) aus Gesteinen freigesetzt, anlog könnte man insofern also ein innerhalb des Mondinneren zirkulierendes flüssiges Medium annehmen, das für den bewiesenermaßen vorhandenen Edelgasanteil in der Auswurfwolke verantwortlich zeichnet. (Szenarien, die sich mit flüssigen, unterirdischen Ozeanen globalen Ausmaßes beschäftigen, werden deckungsgleich in Bezug auf Titan oder auch Europa und Ganymed gezeichnet.)
Argon kommt in solch hohen Mengen vor, dass zu ihrer Erklärung sowohl ein hocheffizienter Mechanismus zur Freisetzung des Gases aus den Gesteinen, sowie auch ein Konzentrationsverfahren existieren muss. In einem undifferenzierten Eis-Felsen-Körper entweicht Argon durch Diffusion über mehrere Milliarden Jahre, Festkörperdiffusion ist allerdings über lange Zeitskalen hinweg betrachtet uneffektiv. Ebenso liefert die Festkörperdiffusion keine genügende Erklärung der Argonkonzentration innerhalb des Eises. Früh in der Enceladusgeschichte stattfindende Wasser-Gestein-Interaktionen hingegen erleichtern ein Entweichen des Argons durch Kalium- und Argonauslösung (aus dem Kern). Da weitergehend das Volumen des Wassers, in das das Kalium und Argon ausgewaschen wurden, kleiner als das des überlagernden Eispanzers ist, ist sein (des Wassers) hoher Gehaltsanteil an Argon und Kalium bündig nachvollziehbar. Demzufolge dürfte angereichertes Wasser unmittelbar eine aktive Rolle in den beobachteten Geysirwolken spielen.
Im Hinblick auf den „Gefrierschutzeffekt“ des Ammoniaks (zusammen mit Methanol und Salzen), welches ebenfalls einen nicht unerheblichen Anteil im Wasserdampf (0,8% und damit nicht nur akzidentiell oberhalb es bis dato angenommenen Wertes von 0,5%) über den Tiger Stripes ausmacht, lässt sich schlüssig auf eine fließende, bzw. geschmolzene Wasserquelle als Ursprungsort der Geysire verweisen. Denn je nach Ammoniakanteil verbleibt Wasser auch bei minus 100° C oder um 175 K noch immer im flüssigen Aggregatszustand, was demzufolge als essentiell bewertet werden muss, da Cassini bei allen bisherigen Untersuchungen Temperaturen von maximal –93° C oberflächennah um das Gebiet der Tiger Stripes nachweisen konnte. Über die Herkunft des NH3 lässt sich nur mutmaßen, allgemein wird über ein entsprechendes Vorhandensein schon in den Planetesimale, aus denen Enceladus entstanden ist, spekuliert.