Die Auswertungen der von der Raumsonde Cassini gesammelten Daten haben jetzt gezeigt, dass der Saturnmond Enceladus deutlich mehr Wärme in seine Umgebung abgibt als bisher angenommen. Dadurch erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter der Oberfläche des Mondes ein Ozean aus flüssigem Wasser befindet.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL. Vertont von Peter Rittinger.
Im Rahmen der Erforschung des Saturnsystems durch die Raumsonde Cassini entdeckten Wissenschaftler im Juli 2005, dass der Saturnmond Enceladus geologisch aktiv ist. Diese Aktivität konzentriert sich auf vier nahezu parallel verlaufende Einschnitte in der Südpolregion des Mondes, welche sich über eine Länge von jeweils 130 Kilometern erstrecken und dabei eine Breite von jeweils fast zwei Kilometern erreichen. Aus diesen so genannten Tigerstreifen treten Fontänen aus Wasserdampf und Eiskristallen aus.
Als Energiequelle für diese Aktivität vermuten die Planetenforscher Gezeitenwechselwirkungen mit dem benachbarten Saturnmond Dione und eine Erwärmung des Inneren von Enceladus durch den Zerfall von dort befindlichen radioaktiven Nukliden. Das Austreten der Fontänen hat einen erhöhten Temperaturausstoß in der unmittelbaren Umgebung der Tigerstreifen zur Folge.
Im Rahmen einer früheren Studie im Jahr 2007 wurde die dabei zur Verfügung stehende Energieleistung ursprünglich auf einen Wert von etwa 1,4 Gigawatt berechnet. Rund 1,1 Gigawatt würden dabei durch die Gezeitenwechselwirkungen mit Dione freigesetzt werden, weitere 0,3 Gigawatt durch die Erwärmung mittels des radioaktiven Zerfalls im Inneren des Mondes.
Durch neue Datenanalysen kommen die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler jetzt aber zu dem Ergebnis, dass der Energieausstoß in Wirklichkeit um mehr als das Elffache höher auszufallen scheint. Demzufolge wird in der Südpolregion des Mondes ein Wärmeausstoß von mehr als 15,8 Gigawatt erzeugt. Zum Vergleich: Die heißen Quellen des Yellowstone-Nationalparks in den Vereinigten Staaten von Amerika erzeugen eine Wärmeleistung, welche um das rund 2,6-fache niedriger ausfällt. Durch welche Prozesse unter der Oberfläche des Mondes so viel Energie erzeugt wird, kann momentan allerdings noch nicht erklärt werden.
„Der zugrundeliegende Mechanismus, der in der Lage ist, diese beobachtete große Energiemenge zu erzeugen, bleibt für uns gegenwärtig noch ein Rätsel“, so Carly Howett vom Southwest Research Institute in Boulder im US-Bundesstaat Colorado, die Hauptautorin der neuen Studie. „Er stellt eine Herausforderung für die gegenwärtig bestehenden Modelle bezüglich der Wärmeerzeugung unter der Oberfläche von Enceladus dar.“ Die neuen Resultate beruhen auf der Auswertung von Messdaten, welche seit dem Jahr 2008 von den beteiligten Wissenschaftlern mit dem Composite Infrared Spectrometer (CIRS), einem Infrarot-Spektrometer für Temperaturmessungen an Bord der NASA-Sonde Cassini, gesammelt wurden.
Eine von dem Forscherteam um Carly Howett für möglich gehaltene Erklärung wäre, dass die durch die orbitale Interaktion mit Dione und Saturn auf Enceladus einwirkenden Gezeitenkräfte zeitlichen Schwankungen unterworfen sind. Eventuell hat Cassini dabei die Temperatur auf der Südhemisphäre von Enceladus zufällig gerade zu einem Zeitpunkt einer ungewöhnlich hoher Aktivität vermessen.
Der gemessene hohe Hitzefluss lässt es jetzt noch wahrscheinlicher erscheinen, dass unter der Oberfläche von Enceladus flüssiges Wasser vorhanden ist, welches sich zwischen der vereisten Oberfläche und dem Felskern des Mondes in Form eines unterirdischen Ozeans oder eines unter dem Südpol befindlichen Sees angesammelt hat. Diese Annahme wird zusätzlich von neueren Untersuchungen der chemischen Zusammensetzung der durch die Geysire der Tigerstreifen ausgestoßenen Eispartikel gestützt. Einige dieser Eiskristalle beinhalten verschiedene Salze. Diese Salzminerale, so die Wissenschaftler, könnten zuvor durch flüssiges Wasser aus dem mineralhaltigen Felskern des Mondes herausgewaschen worden sein.
„Die mögliche Existenz von flüssigem Wasser, das Vorhandensein einer Energiequelle und die Beobachtung von organischen, kohlenstoffhaltigen Stoffen in den von Enceladus ausgehenden Geysiren machen den Mond zu einem besonders interessanten Beobachtungsobjekt für die Astrobiologen“, so Carly Howett.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden letzte Woche in Houston/ Texas im Rahmen der diesjährigen „Lunar and Planetary Science Conference“ (LPSC 2011) bekanntgegeben und zudem am 4. März 2011 in der Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research“ publiziert.
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