Vulkane unter dem Dunstschleier der Venus

Ein DLR-Forscher möchte mit Venus Express-Instrumenten nach aktiven Vulkanen als möglichen Verursachern des Venus-Treibhauseffekts suchen.

Ein Beitrag von Dr. Rainer Pichl. Quelle: DLR. Vertont von Dominik Mayer.

Nach dem erfolgreichen Einschwenken in eine Umlaufbahn der Venus beginnt in Kürze die wissenschaftliche Mission des Venus Express– Orbiters. Unter anderem interessiert die Klärung der Frage nach dem gigantischen Treibhauseffekt, der eine Oberflächentemperatur von über 400 °C bewirkt.

Carlson et al., 1990
Vergleich der Venus Radar-Topographie der NASA-Raumsonde Pioneer-Venus (links) mit einer Aufnahme der Venus im Nah-Infrarot-Bereich des NIMS-Instrumentes auf Galileo (rechts).
(Bild: Carlson et al., 1990)

Dr. Jörn Helbert vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin will nicht nur in die Atmosphäre, sondern noch tiefer, bis auf die Oberfläche der Venus blicken: „Spannend dürfte dabei vor allem sein, ob es uns gelingt, aktive Vulkane auf der Venus zu entdeckten“, sagt der Planetenphysiker. Den Vulkanen auf die Spur kommen will Jörn Helbert mit dem Spektrometer VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer). VIRTIS wurde ursprünglich beim DLR in Berlin für die Kometensonde Rosetta konstruiert und bildet die Venus im visuellen Spektralbereich (0.25 – 1 Mikrometer) und im Nahinfrarot-Bereich (1 – 5 Mikrometer) ab. Das Instrument arbeitet mit zwei Kanälen, einem Kartierungskanal VIRTIS-M, dessen Daten Jörn Helbert auswertet und einem hochauflösenden Spektroskopiekanal (VIRTIS–H) zur punktuellen Erstellung von Spektren der Venusatmosphäre. Wie fast alle wissenschaftlichen Instrumente auf Venus Express soll auch VIRTIS vor allem die Atmosphäre der Venus erkunden. Aber durch „atmosphärische Fenster“, das sind Wellenlängenintervalle des Strahlungspektrums, in denen die Venusatmosphäre durchlässig ist, kann das Instrument auch auf die Planetenoberfläche hinunterblicken.

„Wir nutzen von den 120 Spektralkanälen von VIRTIS gerade einmal drei. Aber diese atmosphärischen Fenster sind die einzige Möglichkeit, etwas über die Oberfläche der Venus zu lernen“, sagt Helbert. Durch Zufall entdeckten amerikanische Forscher die Fenster Mitte der 1980er Jahre bei Beobachtungen von der Erde aus. Sie stellten fest, dass sie in bestimmten Spektralbereichen auf der Venus viel mehr Strukturen erkennen konnten als zunächst angenommen. Inzwischen sind die atmosphärischen Fenster bei Vorbeiflügen der Raumsonden Galileo und Cassini bestätigt, blieben aber bislang fast ungenutzt. „Wir sind die Ersten, die aus einer Umlaufbahn der Venus durch diese Fenster blicken“, sagt Helbert.

Heiße Lava verrät einen Vulkanausbruch

NASA/JPL
Der 3.000 Meter hohe Vulkan Gula Mons, berechnet aus Radardaten der Magellan-Mission. Die Farbtöne sind aus Aufnahmen der russischen Verena 13 und 14 Missionen zusammengestellt
(Bild: NASA/JPL)

Es wäre eine kleine Sensation in der Venusforschung, würde Jörn Helbert vom DLR tatsächlich aktive Vulkane auf der Venus entdecken. Dabei hält er das für durchaus wahrscheinlich: „Messungen der Venusatmosphäre ergaben immer wieder lokale Konzentrationen von Schwefeldioxid. Das deutet auf aktiven Vulkanismus hin.“ Die Venus könnte, neben der Erde, der erste terrestrische Planet sein, auf dem die Forscher aktive Vulkane nachweisen können. Bislang ist das geologische Phänomen nur noch auf dem Saturnmond Io entdeckt worden.

Die ersten Daten von VIRTIS-M erwartet Jörn Helbert direkt nach dem Einschuss in den Orbit: „Auf der sehr elliptischen Bahn sind wir weit genug von der Venus entfernt, um unsere Aufnahmen mit dem Spektrometer machen zu können.“ An zehn hintereinander liegenden Tagen soll sein Instrument die gesamte Südhalbkugel der Venus abscannen. Auf den Aufnahmen, die eine Auflösung von maximal 50 Kilometer haben, macht sich der Forscher dann auf die Suche nach Temperaturunterschieden: „Im Schnitt liegt die Oberflächentemperatur der Venus bei 480 Grad Celsius. Im Bereich eines Vulkanausbruchs kann die Oberfläche durch die heiße Lava, die der basaltischen Lava von Hawaii ähnelt, bis zu 1.300 Grad heiß sein. Mit VIRTIS können wir sie auch dann noch detektieren, wenn sie soweit abgekühlt ist, dass sie nur noch zirka 100 Grad heißer ist als die Umgebung.“ Weil Helbert auf seinen Aufnahmen den relativen Vergleich zu den anderen Tagen hat, werden dem Forscher auch kleine Veränderungen der Oberflächentemperatur nicht entgehen.

Vulkane als mögliche Auslöser der Klimakatastrophe
„Entweder wir entdecken Vulkane auf der Venus oder wir können nach zwei Jahren Missionsverlauf sagen, dass es Vulkane nur noch unter einem gewissen Aktivitätslevel gibt“, beschreibt Helbert die möglichen Ergebnisse seines Experiments. Mit Sicherheit wissen die Venusforscher schon heute, dass Vulkanismus in der Vergangenheit des Planeten eine wichtige Rolle gespielt hat. Helbert und seine Kollegen gehen davon aus, dass die Landschaft vor 600 Millionen Jahren durch Lavafluten aus riesigen Vulkanen komplett neu gestaltet wurde. Nur die Ursache der abrupten Oberflächenneubildung kennen sie bislang noch nicht: „Heute gibt es keine Plattentektonik auf der Venus. Möglich ist, dass es sie früher gegeben hat und wir jetzt die Venus in einer späten Phase sehen.“

Möglich ist auch, dass solche vulkanischen Katastrophen wie vor 600 Millionen Jahren episodisch wiederkehren. Egal wie der Vulkanismus auf der Venus in der Vergangenheit ausgesehen hat, fest steht, dass er für den hohen Anteil am Treibhausgas Kohlendioxid in der Venus-Atmosphäre mitverantwortlich ist. „Es ist sogar möglich, dass Vulkane die Ursache des gigantischen Treibhauseffektes sind“, meint Helbert: „Vielleicht sind sie aber auch nicht der Auslöser, sondern eine Art Katalysator im Klimasystem der Venus.“ Noch gehört die Wechselwirkung zwischen Vulkanismus und Treibhausatmosphäre zu den gut gehüteten Geheimnissen der Venus. Helbert hofft, dass die kommenden 500 Erdentage – für diese Dauer ist die Venus Express-Mission angelegt – viele Antworten bringen werden.

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