Innerhalb eines Beobachtungszeitraums von sechs Jahren hat sich der Schwefeldioxidgehalt in der Hochatmosphäre der Venus deutlich verändert. Eine Erklärung für die vom europäischen Venusorbiter Venus Express zur Erde übertragenen Daten könnte der Vulkanismus auf dem Planeten sein.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA.
Die dichte Atmosphäre der Venus enthält über eine Millionen mal mehr Schwefeldioxid als die der Erde, auf welcher der Großteil des giftigen, stechend riechenden Gases aus vulkanischer Aktivität stammt.
Auf der Venus findet sich das Schwefeldioxid (SO2) fast vollständig unterhalb der sehr dichten oberen Wolkendecke, was dadurch erklärbar ist, dass das Gas unter der Einwirkung von Sonnenlicht innerhalb weniger Tage gespalten wird.
Alle Spuren von Schwefeldioxid, die in höher gelegen Atmosphärenschichten beobachtet werden können, müssen ihre Quelle unterhalb der Wolkendecke haben.
Die Venusoberfläche ist bedeckt von hunderten Vulkanen. Wie es um ihre Aktivität bestellt ist, wird in der Wissenschaftsgemeinschaft intensiv diskutiert, es herauszufinden, gehört zu den wissenschaftlichen Aufgaben der seit dem 11. April 2006 um den Planeten kreisenden Sonde Venus Express der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA).
Im Rahmen des Betriebs von Venus Express wurden bereits zahlreiche Hinweise vulkanischer Aktivität auf der Venus in vergangenen geologischen Zeitaltern – innerhalb eines Zeitraums zwischen mehreren hunderttausend und Millionen von Jahren – gefunden.
Zusätzlich sprach eine vor einiger Zeit vorgenommene Analyse von Infrarotstrahlung von der Venusoberfläche bereits für das Vorhandensein von Lavaströmen an den Flanken eines Vulkans, und dafür, dass dieser Vulkan in der jüngsten Vergangenheit ausgebrochen sein muss.
Jetzt lieferte die Untersuchung der Schwefeldioxid-Konzentration in höheren Atmosphärenschichten der Venus mit Daten für einen Zeitraum von rund sechs Jahren weitere Hinweise auf vulkanische Aktivität an der Oberfläche der Venus.
Unmittelbar nach der Ankunft an der Venus begann Venus Express einen signifikanten Anstieg des durchschnittlichen Gehalts von Schwefeldioxid in den oberen Atmosphärenschichten aufzuzeichnen. Anschließend lieferte die Sonde Daten zu einem erheblichen Abfall des Schwefeldioxidvorkommens, das zuletzt bei einem etwa um den Faktor 10 geringeren Wert lag.
Eine ähnliche Dynamik in den Werten zum Gehalt von Schwefeldioxid fanden Wissenschaftler in den Daten der US-amerikanischen Sonde Pioneer Venus 1. Die US-amerikanische Raumfahrtagentur hatte die Sonde am 20. Mai 1978 gestartet, sie umkreiste unseren Nachbarplaneten bis zum 8. Oktober 1992.
Als Pioneer Venus 1 ihre Messungen durch führte, tat sie das, nachdem das Schwefeldioxid in hohe Atmosphärenschichten eingebracht worden war, und konnte mittelbar die zu erwartende Aufspaltung des Schwefeldioxid beobachten.
Hinsichtlich der Injektion des Schwefeldioxids in die hohen Atmosphärenschichten ging man bereits damals davon aus, dass sie Ergebnis des Ausbruchs eines oder mehrerer Vulkane sei.
Vulkanexplosionen können Gasmoleküle bis in höchste Atmosphärenschichten schleudern, versiegt der Nachschub, schrumpft das Vorkommen dort unter der Einwirkung des Sonnenlichts zusammen.
Weil das Wettergeschehen auf der Venus ausgesprochen dynamisch ist, und man die Eigentümlichkeiten der Strömungen um den Planeten noch nicht vollständig versteht, ist nicht auszuschließen, dass das sich verändernde Schwefeldioxidvorkommen in den oberen Atmosphärenschichten seine Ursache in einer wetterbedingt wechselnden Gasdurchmischung hat.
Die Hochatmosphäre der Venus umrundet den Planeten in rund vier Erdtagen, der Planet selbst benötigt rund 243 Tage für eine einzige Drehung um sich selbst. Bezogen auf die Atmosphäre spricht man diesbezüglich vom Phänomen der Superrotation.
Weil Schwefeldioxid in den oberen Atmosphärenschichten auf Grund der Superrotation schnell großräumig verteilt wird, ist es schwer, konkreten Quellen des Gases zu ermitteln.
Sofern das Gas durch Vulkaneruptionen in die Atmosphäre eingebracht wurde, sollten eher mehre kleinere Ausbrüche einer Anzahl aktiver Vulkane statt eines großen gewaltsamen Ausbruchs eines einzelnen Vulkans dafür verantwortlich sein, glaubt eine Wissenschaftlergruppe um Emmanuel Marcq vom französischen Laboratoire Atmosphères, Milieux, Observation Spatiales (LATMOS).
Alternativ, und unter Berücksichtigung der Messungen von Pioneer Venus 1, könnte es laut Marcq jedoch auch möglich sein, dass es Zyklen in der Hochatmosphäre im Bereich von Dekaden gibt, was für eine Komplexität im Rotationsgeschehen der Venusatmosphäre spräche, die man sich bisher nicht vorstellen konnte.
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