Voyager 1 – ein kosmischer Grenzgänger

Einige Anzeichen sprechen dafür, dass die amerikanische Raumsonde Voyager 1 als erstes menschengemachtes Objekt mittlerweile den Grenzbereich unseres Sonnensystems erreicht hat.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: NASA/JPL.

Grafische Darstellung der aktuellen Position der beiden Voyager -Sonden.
(Grafik: NASA)

Mit einer gewissen Berechtigung lässt sich sagen, dass sämtliche Planeten unseres Sonnensystems keineswegs im „leeren“ Weltall, sondern in der Atmosphäre unserer Sonne ihre Bahnen ziehen. Diese zunächst vielleicht eigentümlich klingende Aussage basiert auf der absoluten Dominanz des von der Sonne ausgehenden, permanenten Stroms geladener Partikel, der unter dem Namen „Sonnenwind“ bekannt ist. In unseren Breiten – und, wie erwähnt, bis weit über die Pluto-Bahn hinaus – spielt das extrem dünne Gas, das den interstellaren Raum zwischen den Sternensystemen ausfüllt, keine Rolle, da es vollständig vom Sonnenwind verdrängt wird. Erst in vielen Milliarden Kilometern Entfernung von der Sonne gewinnt das interstellare Gas die Oberhand, und dort draußen, am Ende des Einflußbereichs unserer Sonne, kann man die äußerste Grenze unseres Sonnensystems ziehen.
Die vor 26 Jahren gestartete Jupiter-Sonde Voyager 1 hat nun nach Ansicht einiger Wissenschaftler den Beginn der Übergangszone vom Sonnensystem zum interstellaren Raum erreicht. Die Übergangszone beginnt mit dem so genannten Termination Shock, einer Region, in der sich die Geschwindigkeit des Sonnenwindes abrupt von mehr als 1,2 Millionen Stundenkilometer auf weniger als 160.000 Stundenkilometer reduziert. Diese turbulente Zone, in der Strahlen hochenergetischer Partikel erzeugt werden, definiert sich durch die Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem interstellaren Gas. Obwohl die Entfernung der Raumsonde von der Sonne bekannt ist – sie liegt zur Zeit bei rund 13,5 Milliarden Kilometer – kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob Voyager 1 den Termination Shock schon erreicht hat: Einerseits schwankt die Entfernung dieser Zone von der Sonne mit den ständig wechselnden Intensitäten des Sonnenwindes, und andererseits sind den Wissenschaftlern die Bedingungen im interstellaren Raum nicht bekannt, was aber für eine genaue Abschätzung der Entfernung notwendig wäre.

Von August 2002 bis Februar 2003 lieferten die Messgeräte zur Erfassung elektrisch geladener Partikel ungewöhnliche Werte, was einige Wissenschaftler als Indikator für das Erreichen des Termination Shock ansahen. Unglücklicherweise funktioniert das Gerät zur Messung der Geschwindigkeit des Sonnenwindes an Bord von Voyager 1 nicht mehr, ansonsten wäre diese derzeit noch umstrittene Frage schnell beantwortet. Während also die gemessene Anzahl hochenergetischer Partikel das Erreichen des Termination Shock nahe legt zeigen die Messwerte des Magnetometers an Bord der Raumsonde keinerlei Besonderheiten an: Grund genug für andere Wissenschaftler zu bestreiten, dass Voyager 1 nunmehr den Beginn der Grenzregion unseres Sonnensystems erreicht habe.

Noch also ist nicht wirklich klar, ob sich diese am weitesten von der Erde entfernte Raumsonde bereits in der Übergangsregion zum interstellaren Raum bewegt. Doch wenn die Radioisotop-Generatoren zur Stromerzeugung wie vorgesehen wirklich noch bis etwa 2020 Energie liefern, um Daten messen und zur Erde senden zu können, dann werden wir wohl noch anhand des spärlichen Datenstroms von Voyager 1 mitverfolgen können, wenn dieser 1977 gestartete irdische Botschafter endgültig unser heimisches Planetensystem verlässt.

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