Durch die Zusammenfassung der Beobachtungsdaten der beiden bis zum Jahr 2013 in Betrieb gewesenen ESA-Weltraumteleskope Herschel und Planck könnte es Astronomen jetzt gelungen sein, die Vorläufer der in der Gegenwart existierenden Galaxienhaufen entdeckt zu haben.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, University of Arizona.
Astronomen gehen davon aus, dass sich in unserem Universum etwa 100 bis 200 Milliarden Galaxien befinden. Diese ‚Sterneninseln‘ sind jedoch nicht gleichmäßig im Weltall verteilt, sondern sie treten im heutigen Universum – etwa 13,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall – in der Regel vielmehr in relativ eng beieinander liegenden Konzentrationen von Dutzenden, Hunderten oder gar Tausenden von Galaxien auf.
Unklar ist bislang jedoch, wie sich diese Galaxienhaufen gebildet haben. Aus diesem Grund lautet eine der grundlegendsten Fragen der modernen Kosmologie: Wie haben sich diese riesigen Formationen, welche als die größten Strukturen des Universums gelten, einstmals in dessen Frühzeit geformt und wie lief der weitere Entwicklungsprozess dieser Galaxienhaufen ab? Zu dieser Fragestellung zählt auch die Rolle, welche die dunkle Materie bei der Formung dieser kosmischen Massenansammlungen gespielt hat.
Anhand der zusammengefassten Beobachtungsdaten der beiden von der europäischen Weltraumagentur ESA bis zum Jahr 2013 betriebenen Weltraumteleskope Herschel und Planck haben Astronomen jetzt Objekte im fernen Universum entdeckt, welche bereits existiert haben, als dieses gerade einmal drei Milliarden Jahre alt war. Aufgrund dieses Alters und ihrer Eigenschaften könnte es sich bei diesen Objekten um die Vorgänger der heute sichtbaren Galaxienhaufen handeln.
Das Weltraumteleskop Planck
Das wissenschaftliche Hauptziel des Weltraumteleskops Planck bestand darin, die bislang detaillierteste Vermessung der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (engl. „Cosmic Microwave Background“, kurz „CMB“) – einem Überbleibsel aus der Zeit des Urknalls – durchzuführen. Zu diesem Zweck beobachtete Planck während seiner vier Jahre und fünf Monate andauernden Mission des gesamten Himmel auf neun verschiedenen Wellenlängen vom Ferninfraroten bis zum Funkbereich zwischen 30 und 857 Gigahertz. Gleichzeitig wurden bei diesen Beobachtungen jedoch auch Daten über die Vordergrundstrahlung der Milchstraße und der weiteren Galaxien gewonnen.
234 potenziellen Protocluster
Die Störeffekte dieser Vordergrundstrahlung müssen zur exakten Ermittlung der Hintergrundstrahlung sehr gut bekannt sein. Zugleich ist die Vordergrundstrahlung aber auch von einem eigenen wissenschaftlichen Interesse und dient zum Beispiel dem tieferen Verständnis der bei der Sternentstehung und -entwicklung ablaufenden Prozesse. Des weiteren konnten die an der Auswertung dieser ‚Kurzwellendaten‘ (gewonnen bei 857 GHz, 545 GHz und 353 GHz) beteiligten Wissenschaftler hierbei 234 ausgedehnte und helle Lichtquellen identifizieren, aus deren Lichtspektrum auf eine große Entfernung von über zehn Milliarden Lichtjahren zur Erde und somit auf eine Existenz im fernen, frühen Universum geschlossen wurde.
Anschließend führte das Weltraumteleskop Herschel weitere detaillierte Beobachtungen dieser Objekte im Fern-Infrarot- und im Sub-Millimeter-Bereich mit einer weitaus höherer Sensitivität und Winkelauflösung durch, als dies mit dem Planck-Teleskop möglich war. Diese Beobachtungen des Herschel-Instruments SPIRE erfolgten bei Wellenlängen von 250, 350 und 500 Mikrometern. Die 350- und 500-Mikrometer-Bandbreiten des SPIRE-Instruments überschnitten sich dabei mit dem „High Frequency Instrument“ (kurz „HFI“) des Planck-Teleskops bei 857 GHz und 545 GHz. Die Daten von Herschel führten bei diesen Beobachtungen zu der Erkenntnis, dass die große Mehrheit der zuvor von Planck entdeckten Quellen mit dichten Galaxienansammlungen im frühen Universum übereinstimmen und zudem eine enorme Geburtsrate neuer Sterne aufweisen.
In jeder dieser dort befindlichen jungen Galaxien konnte die Umwandlung von Gas und Staub in Sterne beobachtet werden, wobei einer jährlichen ‚Produktionsrate‘ neuer Sterne mit einer Gesamtmasse von mehreren 100 bis hin zu 1.500 Sonnenmassen ereicht wurde. Zum Vergleich: Innerhalb unserer Heimatgalaxie – der Milchstraße – entsteht gegenwärtig pro Jahr nur rund eine Sonnenmasse an neuen Sternen.
„Es war uns bisher nicht bekannt, ob junge Galaxien ihre Sterne eher gleichmäßig über einen längeren Zeitraum hinweg produzieren oder ob die Sternentstehung dort in schlagartig erfolgenden Ausbrüchen abläuft“, so Brenda L. Frye von der University of Arizona/USA. „Nun wissen wir, dass die Sternentstehung nicht langsam, sondern vielmehr wie bei einem Feuerwerk erfolgt. Es ist so, als würde man einen Marathonlauf mit einem Sprit beginnen und den Rest der Strecke im Gehen zurücklegen.“
Bisher konnten die Astronomen noch keine endgültigen Angaben zu dem Alter und der Lichtstärke vieler dieser neu entdeckten fernen Galaxienhaufen liefern. Allerdings steht bereits jetzt fest, dass diese Galaxienansammlungen die bisher vielversprechendsten Kandidaten für sogenannte ‚Protohaufen‘ darstellen – die Vorläufer der großen, ausgereiften Galaxienhaufen, welche von den Astronomen in dem gegenwärtigen Universum zu beobachten sind.
„Frühere Beobachtungsdaten von Herschel und anderen Weltraumteleskopen lieferten uns zwar bereits in der Vergangenheit Hinweise auf die Existenz diese Objekte, doch erst dank der umfassenden Himmelsbeobachtungen von Planck war es uns möglich, noch viele weitere Kandidaten zu entdecken und zu erforschen“, so Hervé Dole vom Institut d’Astrophysique Spatiale in Orsay/Frankreich, der Leiter der entsprechenden Studie. „Es gibt noch Vieles, das wir über diese neue Population herausfinden müssen. Dazu bedarf es weiterer Studien und Beobachtungen. Wir sind jedoch schon jetzt davon überzeugt, dass sie den fehlenden Schlüssel zur Entstehung kosmologischer Strukturen darstellen.“
„Aktuell arbeiten wir an einer umfassenden Katalogisierung aller möglichen von Planck entdeckten Protocluster. Dies sollte uns dabei helfen, noch viele weitere dieser Objekte zu identifizieren“, fügt Ludovic Montier hinzu, ein an den Untersuchungen beteiligter Wissenschaftler vom Institut de Recherche en Astrophysique et Planétologie des CNRS in Toulouse/Frankreich.
„Dieses fantastische Ergebnis haben wir der vereinten Leistung von Herschel und Planck zu verdanken. Anhand der Planck-Beobachtungsdaten des gesamten Himmels konnten seltene Objekte identifiziert werden, die Herschel anschließend detaillierter untersuchte“, so Göran Pilbratt, der für die Herschel-Mission verantwortliche ESA-Wissenschaftler. „Die Missionen der beiden Weltraumteleskope sind bereits seit dem Jahr 2013 abgeschlossen. Ihre immensen Datenmengen werden uns jedoch noch über viele weitere Jahre hinweg neue Einblicke in die zahlreichen Geheimnisse des Universums gewähren.“
Die hier kurz vorgestellten Ergebnisse der Auswertung der Daten der Weltraumteleskope Herschel und Planck wurde am 19. März 2015 von den Wissenschaftlern der Planck-Collaboration unter dem Titel „High-redshift infrared galaxy overdensity candidates and lensed sources discovered by Planck and confirmed by Herschel-SPIRE“ in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ publiziert.
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Fachartikel der Planck-Collaboration:
- High-redshift infrared galaxy overdensity candidates and lensed sources discovered by Planck and confirmed by Herschel-SPIRE (vollständiger Artikel, engl.)