Die europäische Raumfahrtagentur ESA beginnt am Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana mit dem Vorbereitungen zu dem Testflug des experimentellen Raumflugkörpers IXV (Intermediate eXperimental Vehicle). So hat das Stacking der Trägerrakete vom Typ Vega nun begonnen, nachdem alle Stufen angekommen sind. Auch das IXV selbst ist bereits angekommen. Es stellt sich jedoch schon vor dem Flug die Frage, ob die Daten, die das IXV ermitteln soll, jemals benötigt werden.
Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: ESA, Arianespace.
Der Testflug des europäischen, experimentellen Wiedereintritts- körpers IXV (Intermediate eXperimental Vehicle) steht inzwischen unmittelbar bevor. In etwa einem Monat wird seine Vega- Trägerrakete von dem ELS-Startplatz des CSG (Centre Spatial Guayana) zu dem suborbitalen Flug abheben. Für diesen Flug, genannt VV-04, gehen nun die Vorbereitungen in die spannende Endphase. Zum einen muss natürlich die Vega- Trägerrakete vorbereitet werden. Ihre einzelnen Stufen sind bereits im August in Französisch-Guayana angekommen, nun werden sie miteinander verbunden. Dieser Prozess wird Stacking genannt. Bei dem Stacking wurde zuerst die P80-Erststufe auf die Startrampe innerhalb des Integrationsgebäudes aufgesetzt. Es folgten die Zefiro-23 Zweitstufe, die auf die P80 aufgesetzt wurde, und die Zefiro-9 Drittstufe, die mit der Zefiro-23 verbunden wurde. Als nächstes wird nun die AVUM-Oberstufe und dann das IXV aufgesetzt, der Start soll dann am 18. November erfolgen.
Bei der Vega handelt es sich um einen Träger der niedrigen Nutzlastklasse. Die Entwicklung der Rakete, an der vor allem Italien beteiligt war, begann bereits 1998, jedoch konnte der Erstflug erst im Februar 2012 stattfinden. Die erste Stufe der Vega bildet ein P80-Feststoffmotor, der über eine Breite von etwa drei Metern, einer Länge von etwa zwölf Metern und einen Schub von etwa 2.250 kN verfügt. Die zweite Stufe ist ein Zefiro-23 Feststoffmotor mit einem Durchmesser von 1,9 Metern, einer Länge von 8,4 Metern und einem Schub von 871 kN. Die dritte Stufe namens Zefiro-9 hat denselben Durchmesser wie die Zefiro-23, ist aber deutlich kürzer. Für Starts in eine polare/sonnensynchrone Umlaufbahn kann noch eine kleine Oberstufe namens AVUM mit einem ukrainischen Triebwerk verwendet werden, die als einzige Stufe flüssigen Treibstoff statt festem verwendet. Die gesamte Vega hat so ein Startgewicht von 137 Tonnen und eine Nutzlast von 1500 kg, sie gehört also zu den kleineren Raketen wie beispielsweise der russischen Rokot.
Auch die Nutzlast der Vega, das IXV, ist inzwischen in Französisch-Guayana angekommen. Am 24. September wurde der Raumflugkörper mithilfe einer Antonov An-124 von dem Amsterdamer Flughafen Schiphol zu dem Felix Ebouè-Airport nahe Cayenne transportiert. Zuvor wurde das IXV noch von der Fabrik in Turin in das ESTEC-Zentrum in den Niederlanden überführt, in dem rigorose Akustik-, Vibrations-, Struktur- und System- tests durchgeführt wurden. Inzwischen befindet sich das IXV auf einer Art „Trolley“ innerhalb eines Reinraums der S1B Payload Checkout Facility des CSG. Dort werden die letzten Vorbereitungen für das Aufsetzen auf die Vega und schlussendlich für den Flug des IXV stattfinden.
Bei dem IXV handelt es sich um einen Wiedereintrittskörper, dessen Design dem Rumpf einer Raumfähre ähnelt. Die Besonderheit ist, dass das IXV jedoch über keine Flügel verfügt, es wird stattdessen mit zwei beweglichen Klappen am hinteren Ende gesteuert. Das IXV ist 5 Meter lang, 2,2 m breit und 1,5 Meter hoch, es wiegt etwa zwei Tonnen. Damit ist es ungefähr so groß wie ein gewöhnlicher PKW. Seine äußere Hülle besteht aus mehreren Hitzeschutzkacheln aus ablativen und keramischen Materialien. Darunter befindet sich die Struktur des Raumfahrzeugs aus Verbundwerkstoffen. Innerhalb des Flugkörpers befinden sich die Avioniksysteme (Energie aus Batterien, Datenverarbeitungssysteme, Telemetrie), Landungs- und Bergungsvorrichtungen und Steuerungs- vorkehrungen (kleine Steuertriebwerke, Klappen am hinteren Ende). Die geschätzten Kosten für die Entwicklung, den Bau, Bodeneinrichtungen und die Bergung belaufen sich auf etwa 150 Millionen Euro. Nicht enthalten ist in diesem Preis jedoch die Vega-Trägerrakete, ihr Preis pro Flug beträgt gegenwärtig etwa 30 Millionen Euro. Gebaut wurde das IXV größtenteils von der Firma Thales Alenia in Turin.
Das Flugprofil des IXV sieht gegenwärtig einen Start der Vega am 18. November vor. Die Rakete soll das IXV dann auf eine suborbitale Flugbahn Richtung Osten beschleunigen, also auf den Atlantik zu. In 320 km Höhe wird dann der Flugkörper von der Rakete abgetrennt. Er steigt im ballistischen Flug danach auf bis zu 450 km Höhe hinauf und wird 7,5 km pro Sekunde schnell sein. So kann der Flug fast vollständig repräsentativ für ein Wiedereintrittsprofil von einem niedrigen Erdorbit aus sein. Dann, in 120 km Höhe, durchkreuzt das IXV die oberen Schichten der Erdathmosphäre. Dabei wird das IXV genauso wie das Space Shuttle mit dem Bauch voran fliegen, die Steuertriebwerke und die Klappen korrigieren die Lage des Flugkörpers. Nachdem der Wiedereintritt beendet ist, werden mehrere Fallschirme geöffnet, um das IXV weiter abzubremsen. Danach wird der Flugkörper hoffentlich sanft nach etwa anderthalb Stunden im pazifischen Ozean landen, in dem bereits ein Bergungsteam an Bord des Schiffs AHS Nos Aries auf ihn wartet. Dieses Team wird das IXV bergen, damit es und die Daten, die während des Fluges gesammelt wurden, analysiert werden können.
Die Daten, die durch diese Analysen der zahlreichen Systeme des IXV gewonnen werden, sollen die Entwicklung von zukünftigen wiedereintrittsfähigen Raumfahrzeugen der ESA erleichtern. Das Problem ist bloß: Es gibt momentan keine ernstzunehmenden Pläne der ESA, ein solches Raumfahrzeug zu bauen. Zwar gibt es das PRIDE-Projekt (Program for Reusable In-Orbit Demonstrator in Europe), das 2012 beschlossen wurde und die Entwicklung eines kleinen Raumgleiters vorsieht, ähnlich der amerikanischen X-37B. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass ein solches Projekt, dessen Missionsziele neu definiert werden müssen, auf der ESA-Ministerratskonferenz im Dezember bewilligt wird. Der Grund dafür liegt darin, dass schließlich noch die äußerst kostspielige Entwicklung der Ariane 6 durchgedrückt werden muss, deshalb werden wohl keine Geldmittel für ein Programm wie PRIDE übrigbleiben, das immerhin 400 Millionen Euro kosten soll. So schwebt trotz aller Vorfreude auch ein dunkler Schatten über dem IXV-Testflug: Dass es sich bei dem IXV um ein Dead-End Projekt ohne großen Nutzen und Nachfolger handeln könnte.
Diskutieren Sie mit in Raumcon-Forum: