Heute vor 10 Jahren startete die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express. Seitdem liefert der Orbiter den Wissenschaftlern regelmäßig neue Daten und Bildaufnahmen von unserem Nachbarplaneten. Diese ermöglichten der Menschheit während der letzen Jahre einen immer besseren Einblick in die Geschichte des Roten Planeten.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, ESA.
Heute vor 10 Jahren, am 2. Juni 2003 um 19.45 MESZ, startete die europäischen Weltraumagentur ESA die Raumsonde Mars Express, welche nach einem knapp sieben Monate andauernden Flug Ende Dezember 2003 erfolgreich in eine Umlaufbahn um unseren äußeren Nachbarplaneten einschwenkte. Mittels der sieben wissenschaftlichen Instrumente, welche sich an Bord des Marsorbiters befinden, sollten laut den Vorgaben für diese anspruchsvolle Mission in den darauf folgenden zwei Jahren folgende Aufgabenstellungen erfüllt werden:
- eine globale, hochauflösende topographische und morphologische Kartierung der Marsoberfläche mit einer Nominalauflösung von bis zu zehn Metern in allen drei Dimensionen, sowie Teleaufnahmen mit bis zu zwei Metern Auflösung
- eine geologische und mineralogische Kartierung des Mars durch Vielfarbenaufnahmen und spektroskopische Analysen
- eine Analyse der atmosphärischen Zusammensetzung und der dort ablaufenden Prozesse
- eine Untersuchung der Untergrundstruktur insbesondere auf Permafrostablagerungen
- eine Erforschung der Wechselwirkung zwischen der Planetenoberfläche und der Marsatmosphäre
- eine Untersuchung der Wechselwirkung zwischen der Atmosphäre und dem interplanetaren Medium
- eine Suche nach Wassereisablagerungen
- eine Kartierung der Marsmonde Phobos und Deimos
Inzwischen hat Mars Expressden „Roten Planeten“ fast 12.000 Mal umkreist und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern auch lange nach dem Ablauf dieser zwei Jahre immer noch regelmäßig eine Vielzahl an Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten, durch deren Auswertung sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte ergeben. Dies ist auch der Grund dafür, warum die Mission mittlerweile bereits dreimal von der ESA verlängert wurde – zuletzt bis zum Ende des Jahres 2014. Der wissenschaftliche Ertrag, welcher sich dabei ergibt, ist ungemein groß und die Instrumente an Bord des Marsorbiters funktionieren trotz der langen Einsatzdauer immer noch einwandfrei.
Die HRSC-Kamera
Bei dem der Öffentlichkeit wohl am besten vertrauten Instrument an Bord von Mars Express dürfte es sich vermutlich um die High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“) handeln, welche ein bisher einmaliges Experiment in der Planetenforschung darstellt. Zum ersten Mal wird durch diese hochauflösende Stereokamera die Oberfläche eines fremden Planeten systematisch in der dritten Dimension und zudem in Farbe abgebildet. Durch die dabei gewonnenen Daten wird die Beantwortung fundamentaler Fragen zur geologischen und klimatologischen Geschichte des Mars ermöglicht. Die räumliche Auflösung der erzeugten Stereobilder erlaubt es den beteiligten Geowissenschaftlern, Oberflächendetails in einer Auflösung von bis zu 10 bis 30 Metern dreidimensional zu analysieren.
Als besonderes „Bonbon“ ist ein zusätzliches hochauflösendes Teleobjektiv in die Kamera integriert. Mit diesem „Super Resolution Channel“ (SRC) ist die Abbildung von lediglich etwa zwei bis drei Meter großen Objekten, welche dabei in die farbigen Stereobilddaten der HRSC-Kamera eingebettet sind, durchführbar. Auf diese Weise ist es zum Beispiel auch möglich, einzelne Schichten in Sedimentgesteinen des Mars zu identifizieren und zu analysieren. Die hierbei erreichbare „Punktgenauigkeit“ der erzeugten Aufnahmen stellt eine weitere Stärke der HRSC-Kamera dar.
Das HRSC-Kameraexperiment wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der Kamera entworfen. Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht derzeit aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.
Auf dem Weg zum Mars
Die Kamera wurde kurz nach dem Start erstmals aktiviert und dabei zur Erde hin ausgerichtet. Sie lieferte dabei den ersten Beweis, dass sie den Start der Raumsonde vom Weltraumbahnhof in Baikonur gut überstanden hatte. Aus knapp acht Millionen Kilometer Entfernung fertigte die Kamera am 3. Juli 2003 eine Test-Aufnahme an, auf der die Erde und der Mond zu erkennen waren. Als die Sonde dann nach einem mehrmonatigen Flug lediglich noch 5,5 Millionen Kilometer vom Mars entfernt war, gelang die nächste Aufnahme. Die verschiedenen Strukturen auf der Marsoberfläche waren hierbei als helle und dunkle Flächen zu erkennen.
Am 25. Dezember 2003 erreichte Mars Express schließlich das Ziel – und sorgte zunächst einmal für einen gewaltigen Schreck. Die Stereokamera blickte erstmals aus kurzer Entfernung auf den Mars – und lieferte ein fast weißes Bild.
„Da haben alle erst einmal geschluckt“, erinnert sich Prof. Ralf Jaumann vom DLR. Funktionierte die Kamera etwa nicht? Für die an der Mission beteiligten Wissenschaftler wäre der Ausfall des Instruments eine herbe Enttäuschung gewesen. Doch einer der neun verschiedenen Kanäle der Kamera – der Infrarotkanal – zeigte immerhin schwache Konturen der Marsoberfläche. Die Problemlösung war dann glücklicherweise schnell gefunden. Die Sensitivität der Kamera war nahe am Mars viel größer als von den Wissenschaftlern eigentlich erwartet, und die erste Aufnahme war daher überbelichtet. Zwei Marsumkreisungen später wurde dann mit einer korrigierten Belichtungszeit aus einer Überflughöhe von 277 am 10. Januar 2004 die erste von vielen weiteren erfolgreichen Aufnahmen angefertigt. Detail für Detail zeigte sich ein Teilbereich der südlichen Hochländer des Mars nahe der unmittelbar nördlich des Äquators gelegenen Region Isidis Planitia.
Der Mars in 3D
„Zum ersten Mal konnten wir den Mars räumlich – dreidimensional – sehen“, so Prof. Ralf Jaumann. Gräben, Impaktkrater, weit verzweigte Täler, Lavaflüsse, das größte Grabenbruchsystem oder auch der höchsten Berg im derzeit bekannten Sonnensystem – auf den Bildern der HRSC-Kamera wird die Topographie des Mars so plastisch dargestellt, dass der Eindruck entsteht, man könnte durch sie hindurchspazieren. Dass diese Landschaftsstrukturen auch in 3D zu sehen sind, wird durch das ungewöhnliche Aufnahmeprinzip der Kamera ermöglicht. Nacheinander tasten neun lichtempfindliche Detektoren die Oberfläche unter neun verschiedenen Beobachtungswinkeln ab. Die einzelnen Datensätze werden von den Mitarbeitern des DLR zu digitalen Geländemodellen und dreidimensionalen Bildern verarbeitet.
„Wir können die gesamte Topographie beinahe so sehen, als würden wir vor Ort auf dem Mars stehen“, betont Prof. Ralf Jaumann. Welche Neigung hat ein Hang? Wie dick ist eine spezielle Lavaschicht? Mit den Aufnahmen der HRSC-Kamera konnten die Wissenschaftler beispielsweise feststellen, dass es auf dem Mars noch vor Kurzem einen aktiven Vulkanismus gegeben hat. Einige der Schildvulkane in der Marsprovinz Tharsis waren zum Beispiel noch von wenigen Millionen Jahren aktiv. In geologischen Zeiträumen betrachtet war das erst „gestern“. Auch in der Gegenwart könnten die Vulkane auf dem Mars durchaus noch einen Rest dieser ehemaligen Aktivität aufweisen.
Die Bilder der HRSC-Kamera zeigen den Planetenforschern aber noch mehr. Auch wenn der Mars in der Gegenwart nicht mehr die atmosphärischen Bedingungen aufweist, welche das Vorhandensein von flüssigem Wasser erlauben – in seiner Vergangenheit muss Wasser über die Oberfläche des Mars geflossen sein. Dies belegen beispielsweise die vor drei bis vier Milliarden Jahren entstandenen riesigen Ausflusstäler im Grenzbereich zwischen dem südlichen Hochland und der die fast komplette nördliche Marshemisphäre bedeckenden Tiefebene.
Mit dem extrem hochauflösenden Teleobjektiv der HRSC-Kamera können so detailreiche Aufnahmen angefertigt werden, dass gerade geologische Prozesse, an denen Wasser beteiligt war, nachvollzogen werden können. Daraus resultiert, dass es im Laufe der Geschichte des Mars immer wieder fließende und stehende Gewässer auf dem heute so trockenen, staubigen Planeten gab. Es müssen also in der Frühphase des Planeten andere klimatische Bedingungen geherrscht haben. Gut erkennbar ist dies auch auf den dreidimensionalen Bildern, welche unweit des Äquators Strukturen zeigen, die von Gletschern stammen. Mit dem heutigen Klima auf dem Roten Planeten ist dies nicht vereinbar.
Warum hat sich der Mars so entwickelt? Was hat dazu geführt, dass der Mars und die Erde in der Gegenwart so unterschiedliche Umweltbedingungen aufweisen? Und bot der Mars in seiner Vergangenheit Bedingungen, die Leben ermöglichten? Die Mars Express-Sonde und deren HRSC-Kamera liefern kontinuierlich Daten, um diese Fragen zu beantworten.
Mittlerweile ist aus den zahlreichen Aufnahmen der HRSC-Kamera ein fast kompletter „Globus“ des Mars entstanden, welcher unseren Nachbarplaneten in 3D darstellt. Wie bei einem Puzzle setzen die Wissenschaftler die Aufnahmen der Kamera Stück für die Stück zusammen und erstellen so eine globale Landkarte vom Mars. Von den 145 Millionen Quadratkilometern der Marsfläche hat das HRSC-Team während der letzten fast zehn Jahre rund 95,5 Prozent der Marsoberfläche in einer Auflösung abgebildet, welche bei mindestens 60 Metern pro Pixel liegt. Etwa 66,8 Prozent der Oberfläche, dies entspricht rund 97 Millionen Quadratkilometern, konnten sogar mit Auflösungen zwischen lediglich 12,5 und 20 Metern erfasst werden.
Von Zeit zu Zeit machen atmosphärische Störungen wie Wolken aus Kohlendioxid oder Wassereiskristallen, Dunstschichten oder Staubstürme einzelne Aufnahme für eine wissenschaftliche Auswertung unbrauchbar. In solchen Fällen entsteht eine Datenlücke, welche bei einem der nächsten Überflüge gefüllt wird.
„Damit entsteht der umfangreichste Datensatz, der je mit einem deutschen Instrument zur Erkundung unseres Sonnensystems gewonnen wurde“, so Prof. Ralf Jaumann. Kombiniert werden diese Daten mit den Datensätzen, welche durch die Marsorbiter der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA oder auch den Daten der anderen Instrumente von Mars Express gesammelt werden. All diese Daten ermöglichen es uns – in einem größeren Kontext betrachtet – die Entwicklungsgeschichte des Mars noich besser als bisher möglich nachzuvollziehen. Hierdurch ergeben sich auch neue Erkenntnisse darüber, wie sich unser Heimatplanet einstmals entwickelte und immer noch weiter entwickelt.
Anlässlich des Jubiläums des Starts von Mars Express hat das DLR ein Webspecial erstellt, welches Sie hier abrufen können. Auf dieser Internetseite finden Sie atemberaubend schöne Aufnahmen von der Oberfläche des Mars und erfahren mehr über dessen Klimageschichte, dessen zwei Monde und über die Geschichte seiner Erforschung. DLR- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten hier zudem in kurzen Interviews über die aktuellen Forschungsergebnisse und die bisherigen, teils verblüffenden Erkenntnisse, welche sie im Laufe der letzten Jahre auch auf Grundlage der HRSC-Daten gewonnen haben.
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