Vor 60 Jahren – „Pojechali!“ – Und los ging’s!

Am 12.April 1961 flog zum ersten Mal in der Geschichte ein Mensch in den Kosmos.

Ein Beitrag von Andreas Weise. Quelle: Andreas Weise.

Gagarin in Berlin-Hellersdorf – Künstler Victor Ash.
(Bild: A. Weise)

Sechzig Jahre ist es nun her, dass der Mensch erstmals seinen Weg in den Kosmos bahnte. Was für ein Datum! Nun könnte man in Erinnerung an dieses historische Ereignis die ganze Geschichte haarklein noch einmal erzählen: Juri Gagarin: Vom Bauernsohn zum Weltraumflieger. Hier im Forum gibt es bestimmt nicht Wenige, die jede Einzelheit der Geschichte, des Starts, des Fluges, der Landung und dem ganzen Rest im Detail kennen.

Gagarin war ein Pionier, ein sehr mutiger Mann, der genau wusste, worauf er sich da eingelassen hatte. In den letzten Jahren, speziell nach Öffnung der Archive, sind immer mehr Details ans Licht gekommen die das Gesamtbild der bis dahin streng geheimen Geschichte um Gagarin schärfer machen.

Doch sollte man nicht einige Schritte von dem Geschichtsbild zurücktreten und es einmal in seiner gesamten Allgemeinheit sehen, was da an jenem 12. April vor 60 Jahren geschah?

Beginnt die Geschichte nicht viel, viel früher, als der Mensch zum ersten Mal bewusst gen Himmel blickte und sich fragte, was dort ist? Und markiert nicht jenes Datum einen Quantensprung in der Evolution der Menschheit, nämlich in der Lage zu sein, die schützende Erde zu verlassen?

„Er hat uns alle ins Weltall gerufen.“ Dieses Zitat bringt es auf den Punkt. Kein geringerer, als US-Astronaut Neil Armstrong hat es gesagt. Er war sich der Tatsache völlig bewusst, dass seine Leistung, als erster Mensch den Mond zu betreten, nur als Folge der Tat von Gagarin zu betrachten ist.

Und Gagarin war dabei nur der Protagonist. Die Geschichte hätte auch anders ablaufen können, wenn, ja wenn…. Es hätte ebenso Titow, Glenn, Shepard, Bondarenkow oder sonst wer sein können. Es hätte schon 1957, 1960 oder erst 1962 passieren können. Es hätte ein Dienstag oder auch ein Freitag sein können. Aber eins war zu aller Zeit sicher. Es war geradezu gesetzmäßig, dass dieser Tag einmal kommen würde.

Überlegungen in Form von „Was-wäre-wenn?“ in diversen Filmen haben offensichtlich zur Zeit Hochkonjunktur. Man denke an die TV-Serie „For All Mankind“.

Und wenn die Geschichte anders gelaufen wäre und der erste Mensch im Weltraum ein US-Bürger gewesen wäre? Tja dann würde zu diesem Jubiläum gewiss wie bei „50 Jahre Mondlandung“ ein wochenlanger Hype durch unsere Medien wehen.
Aber die Geschichte lief anders. Und die Geschichte hat es gut gemeint. Sie hat an jenem 12. April das Unternehmen glücklich enden lassen. Sie hat der Welt einen Helden gegeben, der durch sein strahlendes Lächeln, seine Bescheidenheit und seine Charakterfestigkeit zur positiven Ikone einer ganzen Epoche wurde. Alles war auf einmal möglich.

Und dieser Verlauf der Geschichte hat dafür gesorgt, dass die Supermacht USA aus ihrem überheblichen Denken, sie wäre die absolut führende Technologienation, herausgerissen wurde. Kennedy weckte nur wenige Tage nach Gagarins Flug die Nation aus ihrer Schockstarre mit seiner „Mond-Rede“ auf. Darauf folgend in einer bis dahin nie wieder vollbrachten ökonomischen Kraftanstrengung schafften es die USA in nur 8 Jahren und 3 Monaten den nächsten Schritt in der (Raumfahrt-)Evolution zu vollziehen. Das Betreten eines anderen Himmelskörpers. So etwas hatte es danach nie wieder gegeben. Und Schuld dran war: Gagarin! Die Begeisterung in der damaligen Zeit ist für viele, die es nicht miterlebt haben, heute nicht mehr nachvollziehbar. Heute ist man in der bemannten Raumfahrt längst zur Tagesordnung übergegangen. Die ISS kreist seit 23 Jahren um die Erde. An und in ihr arbeiten 16 Nationen friedlich miteinander. Ein Traum, nein eine Tatsache, wie man sich diese zum Beginn der bemannten Raumfahrt gewünscht hätte.

Aber es scheint heute, als fehle der notwendige Impuls in der bemannten Weltraumfahrt, weiter voran zu schreiten. Das nächste Zeil wäre der Mars. Seit Anfang der 60er Jahre wird gesagt, dass wir in 20 Jahren zum Mars fliegen. Koroljows Marspläne (Landeziel 1976!) waren hier bestimmt nicht die einzigen. Das aktuelle Ziel, 2024 wieder bemannt zum Mond zu fliegen verblasst irgendwie im Lichte der Meilensteine von 1957, 1961 und 1969.

Auch sind die Zeiten der großen Einzelhelden längst vorbei. Gagarin, Leonow, Tereschkowa, Glenn und Armstrong… das war eine andere Generation. Die neuen Helden von heute kommen aus einer ganz anderen Branche und heißen zum Beispiel Musk. Menschen, die völlig an der jeweiligen gerade aktuellen Politikleitlinie vorbei ihren Traum vom Weltraum verwirklichen und dazu offensichtlich auch die finanziellen Mittel haben. Die Weltraum-Evolution droht privatisiert zu werden. Eine Entwicklung, die ich mit großem Interesse verfolge, wenngleich ich nicht glücklich damit bin.

Ein nachdenklich schauender Gagarin im EAC Köln.
(Bild: T. Weyrauch)

Was bleibt also von Gagarin heute? Er ist ein Symbol für den Beginn der bemannten Raumfahrt.
Und genau in diesem Sinne wird er gewürdigt.
Als Vermächtnis Gagarins steht folgendes Zitat:

„Облетев Землю в корабле-спутнике, я увидел, как прекрасна наша планета. Люди, будем хранить и преумножать эту красоту, а не разрушать её!“

„Als ich die Erde in einem Raumschiff umflog, sah ich, wie wunderschön unser Planet war. Menschen, lasst uns diese Schönheit bewahren und vervielfachen, nicht zerstören!“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Zum Thema:
Der MDR hat eine 5-teilige, aufwendige Dokumentation unter dem Titel „Kosmonaut Nr.1“ produziert, die im Grunde auf der älteren Dokumentation „Die Gagarin-Story“ von 2005 basiert. Dieser neue Fünfteiler ist bereits in der ARD-Mediathek zu sehen. Das gezeigte Originalfilmmaterial ist für Kenner in Qualität und Inhalt sehr interessant. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Leider hat man in einigen Details neuere Erkenntnisse und Details nicht einfließen lassen. So wird zum Beispiel behauptet, dass die Landung nur mit wenigen Kilometer Abweichung erfolgte. Das stimmt zum Beispiel so nicht. Auch wird in Bezug auf Gagarin’s Unfalltod auf eine ältere Faktenlage zurückgegriffen. Das soll aber den Gesamteindruck nicht schmälern.

Für Freunde des gedruckten Wortes sei hier auf die immer noch aktuelle Gagarin-Biographie „Der unbekannte Gagarin“ von Gerhard Kowalski verwiesen. Diese wurde bereits hier besprochen:
Von der Buchmesse Leipzig: Alle guten Dinge sind Drei
Im Forum: Der unbekannte Gagarin

Für Freunde des Spielfilms sei auf den russischen Film „Gagarin: Wettlauf ins All“ verwiesen. Auch hier der entsprechende Verweis.
Zum 80sten: Der Film

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