Vor 25 Jahren: Die Halley-Armada im Anflug

Im Jahr 1986 flog eine zuvor ungekannte Sondenflotte einem Kometen entgegen. Die Hauptrolle unter ihnen spielte Giotto, deren Erfolg Europas Aufbruch ins Sonnensystem begründete.

Erstellt von Karl Urban. Quelle: ESA

Die Falschfarbenaufnahme zeigt die wahren Ausmaße von Halley's Schweif, der aus sieben Einzelstrahlen besteht.
(Bild: ESO)
Die Falschfarbenaufnahme zeigt die wahren Ausmaße von
Halley’s Schweif, der aus sieben Einzelstrahlen besteht.
(Bild: ESO)

Der Halley‘sche Komet zieht bedächtig seine exzentrische Bahn um die Sonne. Lange Zeit verbringt er in der Düsternis des Alls, sein äußerlich pechschwarzer Nukleus ist dann völlig unsichtbar für viele Teleskope. Meist nur einmal in der Lebensspanne eines Menschen kommt er der wärmenden Sonne so nah, dass der Komet einen hellen Schweif aus Gas und Staub hinter sich her zieht.

Eine solche Chance tat sich zuletzt vor 25 Jahren auf. Entsprechend wollten auch die Forscher bei der nur wenige Jahre jungen europäischen Raumfahrtagentur mit dabei sein. Über die Mission zum Kometen Halley wurde 1980 entschieden. Lange war ein Doppelstart geplant gewesen – eine größere Sonde sollte die NASA beitragen, während die ESA mit einer kleineren mitfliegen durfte. Da jedoch die Raumfahrzeuge mit dem Space Shuttle starten sollten, dessen Entwicklung sich über mehrere Jahre verzögerte, sattelten die noch unerfahrenen Europäer kurzerhand um. „Nicht aus Wut, aber mit einer eigenen Vision“, beteuert Roger Bonnet, damals Wissenschaftsdirektor der ESA. Am 2. Juli 1985 startet schließlich Giotto an Bord einer Ariane-1-Rakete.

Die Jahrhundertgelegenheit nutzt eine ganze Flotte von Raumsonden, die als „Halley Armada“ in die NASA-Historie eingeht. Die USA sind dabei die einzige Raumfahrtnation, die sich nicht direkt beteiligt. Denn die eigene ambitionierte Mission wurde schließlich gestrichen. So flogen im März 1986 fünf Sonden dem ausladenden Kometenkoma von Halley entgegen: Voran die japanischen Suisei und Sakigake und zwei sowjetische Vegasonden, welche ein Jahr zuvor noch Lander auf der Venus abgesetzt hatten und das Gravitationsfeld der Venus als Sprungbrett nutzten. Nur anhand der international ausgetauschten Messwerte der Erstkommer ließ sich die Bahn von Giotto nun genau einstellen. Denn die europäische Sonde verfolgte beinahe eine Kamikazemission: Die Spezialisten versuchten, dem Kometennukleus so nah wie nur möglich zu kommen.

Nukleus des Halley`schen Kometen, aufgenommen während des Vorbeiflugs von Giotto
(Bild: ESA)
Nukleus des Halley`schen Kometen, aufgenommen während des Vorbeiflugs von Giotto
(Bild: ESA)

Heute wäre ein solcher Präzisionsanflug problemlos möglich, weil sich die Flugbahn mit den Bordkameras und aufwendigen Simulationen am Boden extrem verbessern lässt. Damals jedoch gab es diese Methode der optischen Navigation noch nicht. Giotto musste anhand der dürftigen Daten also möglichst genau auf den Punkt gelenkt werden, andem die Forscher anhand der dürftigen Daten den Kern errieten.

Das ungenaue Zielen geriet überraschend genau: Giotto flog am 14. März 1986 nur 596 Kilometer entfernt am Nukleus vorbei. Eine völlig fremde Welt eröffnete sich vor den Kameras: Der Kometenkern zeigte starke Höhenunterschiede, aus dessen kartoffelförmiger Oberfläche an mehreren Stellen lange Strahlen Gas- und Staub mit mehr als 30 Tonnen pro Sekunde in die Umgebung verströmten. Spektrometer an Bord der Sonde wiesen unter anderem Wasser, Kohlenmon- und -dioxid, aber auch Methan oder Cyanwasserstoff nach, die als Grundbausteine des Lebens gelten.

Seine letzte Ruhe sollte Giotto eigentlich genau hier finden: Die Umgebung des aktiven Kometenkerns hielten die Planer für so gewalttätig, dass die Sonde im Schweif vermutlich verloren gehen dürfte. Zwar hatte man die Sonde in Flugrichtung mit einem Schild ausgestattet, der in den dichten Staubwolken des Kometenkomas einen gewissen Schutz bildete. Doch bei einer Relativgeschwindigkeit von fast 70 Kilometern pro Sekunde waren bereits kleinste Geschosse missionsgefährdend. Tatsächlich wurde Giotto nach erfolgreicher Datensammlung von etwas getroffen, wodurch die Kamera und mehrere Instrumente ausfielen und der Kontakt zur Erde kurz abbrach. Doch der Rest des Raumfahrzeugs blieb intakt, so dass die Sonde vier Jahre später nach langer Ruhephase in einem energiesparenden Hibernation-Modus erneut an einem Kometen vorbeiflog. Auch von hier konnte sie noch spärliche wissenschaftliche Daten übertragen.

Für die europäische Raumfahrt war Giotto der Aufbruch ins Sonnensystem. Nach ihr folgten Sonden zu Titan, Mars oder Venus. Bis heute gelang es keiner zweiten Raumsonde, auf einer Mission zwei Kometen zu besuchen (Halley und Grigg-Skjellerup). Seither macht bei der direkten Erforschung von Kometen vor allem die ESA von sich reden. Mit ihrer Flaggschiffmission Rosetta wird sie ab 2014 erneut einen Kometen besuchen und dort einen Lander absetzen. Erst letzte Woche hat sie die Sonde dafür in einen mehrjährigen Ruhemodus versetzt – die nötigen Erfahrungen für so einen Schritt sammelten die Ingenieure mit Giotto.

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