Von der Erde zu fernen Galaxien: Einzigartige SOFIA-Ergebnisse aus dem Jahr 2021

2021 war ein ereignisreiches Jahr für das flugzeuggestützte Infrarot-Observatorium SOFIA, das Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR und der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, dessen Betrieb auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut DSI der Universität Stuttgart koordiniert wird. Eine Information der Universität Stuttgart, Deutsches SOFIA Institut.

Quelle: Universität Stuttgart.

Nachtleuchtende Wolken, die sich in der Mesosphäre bilden, beobachtet von der Internationalen Raumstation am 29. Mai 2016. Diese Wolken entstehen zwischen 76 und 85 Kilometern über der Erdoberfläche, nahe der Grenze zwischen Mesosphäre und Thermosphäre, und helfen, diesen wenig verstandenen Teil der oberen Atmosphäre zu visualisieren. (Bild: ESA/NASA/ Tim Peake)

11. Februar 2022 – Da SOFIA mehr als 99 % des Wasserdampfs der Erdatmosphäre unter sich lässt, kann diese Sternwarte Licht bei Wellenlängen detektieren, das erdgebundene Observatorien nicht erreicht. Im Folgenden sind einige der aufregenden Entdeckungen des Jahres 2021, die durch die einzigartigen Fähigkeiten von SOFIA ermöglicht wurden, beschrieben.

Wie viel atomarer Sauerstoff befindet sich in unserer Atmosphäre?
Klimamodelle hängen davon ab, wie viel atomarer Sauerstoff – also Sauerstoff, der an kein anderes Atom gebunden ist – sich in der oberen Erdatmosphäre befindet. Messungen seiner Konzentration helfen, physikalische Parameter wie Temperatur und Druck in der Mesosphäre und der unteren Thermosphäre abzuschätzen. Wenn SOFIA aus der Erdatmosphäre heraus atomaren Sauerstoff im Weltraum – zum Beispiel in den Atmosphären unserer Nachbarplaneten Mars und Venus – beobachtet, verfälscht der atomare Sauerstoff unserer eigenen Erdatmosphäre diese Messungen. Astronomen und Astronominnen müssen diesen Erdanteil aus den gemessenen Daten herausfiltern. Dieses astronomische Nebenprodukt aber können Forschende anderer Disziplinen zur Untersuchung der Erdatmosphäre selbst nutzen. SOFIA-Daten bieten ihnen eine neue Möglichkeit den atomaren Sauerstoff in der oberen Erdatmosphäre direkt zu messen und können helfen ihre Klimamodelle zu verbessern.

Kometen Künstlerische Darstellung eines Kometen aus der Oortschen Wolke mit seinem Gas- und Staubschweif auf dem Weg durch unser Sonnensystem.
(Bild: NASA/SOFIA/ Lynette Cook)

Welche Rolle spielen Kometen bei der Bereitstellung der Bausteine für das Leben?
SOFIA-Beobachtungen haben gezeigt, dass der Komet Catalina, der 2016 in Sichtweite der Erde vorbeizog, eine große Menge an Kohlenstoff enthält. In der Frühzeit unseres Sonnensystems war es jedoch auf der Erde zu heiß, als dass sich Kohlenstoff – ein wichtiger Baustein für Leben – auf der Erde hätte bilden können. Die SOFIA-Daten deuten darauf hin, dass Kometen wie Catalina eine wichtige Quelle für den Kohlenstoff auf der Erde gewesen sein könnten, der letztlich zur Entstehung des Lebens wie wir es kennen geführt hat.

Bild des jungen Sternhaufens Westerlund 1, aufgenommen mit dem Hubble-Weltraumteleskop in Richtung des südlichen Sternbilds Altar. Westerlund 1 beherbergt eine Vielzahl der größten und massereichsten bekannten Sterne. Mit einer Entfernung von 15.000 Lichtjahren ist Westerlund 1 relativ nahegelegen und ist ein gutes Objekt, um die Entwicklung massereicher Sterne zu untersuchen. (Bild: ESA/Hubble & NASA)

Wie alt sind unsere Nachbarsterne?
SOFIA-Aufnahmen von dem nahegelegenen Sternhaufen Westerlund 1 in unserer Milchstraße zeigen, dass er eine komplizierte Vergangenheit hat. Bisher gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass der gesamte Haufen aus zeitgleich geborenen Sternen besteht, die „nur“ 4 Millionen Jahre alt sind. Solche vergleichsweise jungen Sterne sind sehr heiß, hell und massereich. SOFIA-Daten zeigen nun, dass einige der Sterne in Westerlund 1 stattdessen recht schwach, kühler und damit eher etwa 10 Millionen Jahre alt sind – also mehr als doppelt so alt wie erwartet. Westerlund 1 hatte also eine längere Periode der Sternentstehung von mehreren Millionen Jahren, was erklärt, warum einige seiner Sterne so viel älter sind als andere.

Zusammengesetztes Bild von Centaurus A. Die von SOFIA beobachteten Magnetfelder sind als Stromlinien über einem Bild der Galaxie dargestellt, das von der Europäischen Südsternwarte und dem Atacama Pathfinder Experiment bei sichtbaren und Submillimeter-Wellenlängen (orange), im Röntgenbereich vom Chandra-Röntgenobservatorium (blau) und im Infrarotbereich vom Spitzer-Weltraumteleskop (dunkelrot) aufgenommen wurde.
(Bild: Optisch: European Southern Observatory (ESO) Wide Field Imager; Submillimeter: Max-Planck-Institut für Radioastronomie/ESO/Atacama Pathfinder Experiment (APEX)/A.Weiss et al.; Röntgen und Infrarot: NASA/Chandra/R. Kraft; JPL-Caltech/J. Keene; SOFIA/L. Proudfit)

Was passiert, wenn zwei Galaxien kollidieren?
SOFIA hat das Magnetfeld von Centaurus A kartiert, einer Galaxie, die für ihre ausgeprägte „S“-Form bekannt ist. Diese besondere Struktur ist vermutlich die Folge der Verschmelzung zweier Galaxien, die vor Hunderten von Millionen Jahren stattfand. Diese Kollision hat außerdem das Magnetfeld der entstandenen Galaxie nachhaltig verändert: Zum Zentrum des „S“ hin ist das Magnetfeld von Centaurus A stark verzerrt, verglichen mit den Feldern, die die Spiralarme der ursprünglichen Spiralgalaxie widerspiegeln – eine Folge der Kollision beider Systeme.

Wie beeinflussen expandierende Gasblasen die Sternentstehung?
Um der Frage nachzugehen, in welcher Weise sich lokale Sternentstehung und die Ausdehnung von Nachbargebieten beeinflussen, untersuchte SOFIA zwei verschiedene Quellen innerhalb der Milchstraße: Westerlund 2, eine Sternentstehungsregion, und RCW 120, einen Nebel aus ionisierten Gasen.

links: Falschfarbenbild von RCW 120 vom Spitzer Satelliten, wobei heißer Staub rot ist, warmes Gas grün und Sterne blau dargestellt sind. Die Konturen zeigen die [CII] Linie von ionisiertem Kohlenstoff, der mit SOFIA und upGREAT beobachtet wurde und eine schnelle Ausdehnung der Region in Richtung Erde (blaue Konturen) und von uns weg (rote Konturen) bestätigt. Der gelbe Stern gibt die Position des zentralen, massiven Sterns in RCW 120 an. rechts: Ein Team unter der Leitung von Maitraiyee Tiwari hat das erste klare Bild einer sich ausdehnenden Blase aus stellarem Gas erstellt, in der Sterne geboren werden. SOFIA-Daten haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet (künstlerische Darstellung). (Bild: links: Luisi et al. 2021, Spitzer; rechts: Marc Pound/UMD)

Im Zentrum von RCW 120 stößt den SOFIA-Beobachtungen zufolge, ein massereicher Stern einen starken Sternwind aus, der den Nebel zu einer raschen Ausdehnung veranlasst. In der Folge werden die umgebenden Gaswolken komprimiert, was wiederum zur Entstehung vieler neuer Sterne an den Rändern der Wolken führt. Dieser Prozess, bei dem ein Stern seine Umgebung beeinflusst, und zum Beispiel die Entstehung von weiteren Nachbarsternen bewirkt, wird stellare Rückkopplung genannt.

Ein ähnlicher Prozess spielt sich in Westerlund 2 ab: Der zentrale Sternenhaufen ist von einer Blase aus heißem Plasma und Gas umgeben, die sich durch die Winde der jungen Sterne vergrößert. Die SOFIA-Daten zeigen, dass sich mit der Ausdehnung der Blase neue Sterne in den dichten Bereichen ihrer Hülle bildeten, bis die Blase schließlich zerplatzte. Weitere Hunderttausende Jahren später bildete sich ein neuer, sehr heller Stern in der Region und seine Sternwinde regten die Blase erneut zu einem weiteren Zyklus von Expansion und Sternbildung an.

SOFIA-FORCAST-Spektrum (orange) von V838 Monocerotis und das am „best-fit“ Modell (gelb), überlagert mit einer Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops, die das Lichtecho zirkumstellaren Material zeigt. (Bild: V838 Mon: ESA/Hubble & NASA; Spektren: Woodward et al.)

Wie lange dauern astronomische Vorgänge?
Siebzehn Jahre nach der Verschmelzung eines Doppelsternsystems mit der Bezeichnung V838 Monocerotis hat SOFIA einen Blick auf die Veränderungen im Staub um das System geworfen – und hat Atemberaubendes entdeckt: Bestand der beobachtete Staub um dieses Verschmelzungssystem vor zehn Jahren hauptsächlich noch aus Aluminium, setzt er sich eine Dekade später im Wesentlichen aus Siliziumkomponenten zusammen. Diese Abfolge in der Transformation der Staubbestandteile ist letztendlich der Schlüssel für die Bestimmung der Zusammensetzung von Gesteinsplaneten wie unserer Erde. Dabei ist es ganz besonders Eindrucksvoll, diesen Prozess innerhalb menschlicher Zeiträume in Echtzeit verfolgen zu können!

Pläne für das Jahr 2022?
„Auch für 2022 planen wir wieder viele spannende Beobachtungen mit SOFIA“, so Bernhard Schulz, SOFIA Science Mission Operations Deputy Director der Universität Stuttgart. „Unter anderem wollen wir nach weiteren Wasser-Vorkommen auf dem Mond suchen und sind bereits dabei die Frage zu klären, ob die Venusatmosphäre tatsächlich Phosphin, einen möglichen Indikator für Leben, enthält. Außerdem werden wir weitere Sternentstehungsgebiete in unserer eigenen Milchstraße sowie in anderen Galaxien am Nord- und Südhimmel kartieren, um die Entwicklung chemischer Elemente und wichtiger Moleküle im Universum besser zu verstehen.“

Über SOFIA
SOFIA, das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR; Förderkennzeichen 50OK0901, 50OK1301, 50OK1701 und FKZ 50 OK 2002 und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space Research Association (USRA). Die Entwicklung der deutschen Instrumente ist finanziert mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des DLR.

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