Wenn, wie derzeit geplant, Anfang Mai 2013 der zweite Vega-Start VV02 in Kourou gelingt, wird neben dem europäischen Erdbeobachter Proba V und dem estnischen Nanosatelliten ESTCube 1 auch eine vietnamesische Nutzlast mit an Bord sein: VNREDSat 1A, Abkürzung für Vietnam Natural Resources, Environment and Disaster-monitoring Satellite.
Ein Beitrag von Roland Rischer. Quelle: ESA (eoPortal), STI-VAST, Arianespace, Astrium, Raumcon. Vertont von Peter Rittinger.
Wie viele Staaten Asiens möchte auch das aufstrebende Vietnam im Konzert der Weltraummächte nicht nur eine reine Zuschauerrolle spielen. Zwar flog bereits 1980 der Kosmonaut Pham Tuan als erster Vietnamese an Bord von Sojus 37 ins All, danach wurde es aber ruhig. 1996 arbeitete man nochmals mit Kanada beim GlobeSAR-Programm zusammen. Und dann dauerte es bis 2006, bis staatlicherseits eine Strategie zur Entwicklung von Raumfahrttechnologien bis 2020 verabschiedet wurde. Diese Strategie beinhaltet Grundlegendes wie die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen zur Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit, die Ausbildung von Spezialisten und den Aufbau der notwendigen Bodeninfrastruktur bis hin zum Weltraumzentrum im Hoa Lac Technologiepark in Hanoi (Baubeginn September 2012). Mittelfristiges Ziel ist, bei Projektierung, Bau, Betrieb und Datennutzung von Satelliten zur Kommunikation, Positionsbestimmung und Erdbeobachtung weitgehend eigenständig zu werden.
2009 und 2012 starteten im Auftrag der Vietnam Posts and Telecommunications Group von Lockheed Martin Corp. gebaute VINASAT-Kommunikationssatelliten an Bord von Ariane-5-Raketen in den Weltraum. Beim 2010 unterzeichneten Vertrag über den Erdbeobachtungssatelliten VNREDSat 1A kam Astrium mit seinen Standort in Toulouse zum Zuge. Entwicklung und Bau des Satelliten beinhalteten die Ausbildung von 15 vietnamesischen Ingenieuren in Frankreich in einer Art Trainingsprogramm. Ferner liefert Astrium die Satelliten Empfangs- und Kontrollsysteme nach Vietnam.
VNREDSat 1A ist eine rund 130 kg schwere Sonde, die von Vega VV02 in 670 km Höhe in einen sonnensychronen Orbit gebracht wird. Der Satellit basiert auf dem AstroSat-100-Bus (auch als Myriade-Bus bekannt) mit Außenmaßen von 60x60x100 Zentimetern. Die Lebensdauer ist auf fünf Jahre ausgelegt.
Zur technischen Standardausstattung der AstroSat-100-Plattform gehört ein Solarmodul von rund einem Meter Länge, das 180 Watt liefert. Eine Lithium-Ionen-Batterie (15 Ah) dient als Puffer. Die Flugbahn wird durch ein kleines Hydrazin-Triebwerk mit vier Düsen aufrecht erhalten. Zur Bestimmung von Ausrichtung und Position im Orbit dienen drei Sonnensensoren, ein Sternensensor, ein Magnetometer und eine IRM (Inertial Measurement Unit). Wie für die Erdbeobachtung zwingend notwendig ist die Sonde über seine drei Achsen stabilisiert. Die Feinausrichtung erfolgt über vier Drallräder und mehrere Magnetorqeure, die das Magnetfeld der Erde als Gegenkraft nutzen. Der Flugkörper kann um +/- 30 Grad quer zu Flugrichtung geschwenkt werden. Zur Datenzwischenspeicherung dient ein 64-Gbit-Solid-State-Speicher. Die Kommunikation mit dem Boden erfolgt im X-Band mit 60 Mbit/s für die Bilddatenübermittlung zur Erde und über zwei S-Band-Sender/Empfänger mit erheblich niedrigerer Datenübertragungsleistung (bis 384 kbit/s) zur Satellitensteuerung.
Eigentliches Arbeitsinstrument für die Erdbeobachtung ist das NAOMI (New AstroSat Optical Modular Instrument), eine Entwicklung aus anderen Erdbeobachtungssatelliten der EADS. Es handelt sich um ein kompaktes Teleskop in sogenannter Korsch-Bauweise, die in ganz anderer Dimensionierung auch beim James Webb Space Telescope zur Anwendung kommt. Der Bildsensor hat eine Auflösung von 7.000 Pixeln (panchromatisch) und 1.750 Pixeln (multispektral), das entspricht einer Auflösung von 2,5 Metern beziehungsweise 10 Metern pro Bildpunkt. Die Breite des Aufnahmestreifens beträgt 17,5 Kilometer. Mit den Bilddaten sollen zum einen laufende Umweltveränderungen in Vietnam analysiert werden, zum anderen soll der Satellit bei drohenden oder eingetretenen Naturkatastrophen von oben ad-hoc-Bildmaterial zu Steuerung der Hilfsmaßnahmen liefern. Daneben sollen die natürlichen Ressourcen des Landes besser verwaltet werden.
Inklusive „Startgeld“ beläuft sich der Auftragswert des zwischen der Vietnam Academy of Science and Technology (VAST) und Astrium abgeschlossenen Vertrages auf 55,2 Millionen Euro. Die Projektkosten sind durch einen französischen Entwicklungshilfekredit abgedeckt.
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