Vestas dunkle Oberfläche

Gewaltige Einschläge von Asteroiden könnten vor Jahrmilliarden kohlenstoffhaltige Materialien auf den Protoplaneten Vesta befördert und Teile seiner Oberfläche mit einer dunklen Schicht überzogen haben. Zu diesem Ergebnis gelangte eine Forschergruppe unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, JPL, DAWN-Journal.

NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA
Ein Höhenprofil des Südpols von Vesta. Die roten und blauen Umrandungen markieren zudem die Lage der beiden dort befindlichen Impaktbecken.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Mit einem Durchmesser von durchschnittlich 525 Kilometern und einer unregelmäßigen Form ist Vesta weder ein Zwergplanet, noch – streng betrachtet – ein Asteroid. Stattdessen wird Vesta von den Wissenschaftlern als ein „Protoplanet“ bezeichnet, eine Art „Vorplanet“, welcher vor etwa 4,5 Milliarden Jahren in einer frühen Phase seiner Entwicklung hin zu einem „vollwertigen“ Planeten stecken geblieben ist. Vesta ist somit eine regelrechte Zeitkapsel aus einer sehr frühen Entwicklungsphase unseres Sonnensystems.

Am 16. Juli 2011 schwenkte die knapp vier Jahre zuvor gestartete Raumsonde DAWN in eine Umlaufbahn um Vesta ein. In den folgenden 13 Monaten wurde dieses drittgrößte Objekt im Haupt-Asteroidengürtel des Sonnensystems mit den drei wissenschaftlichen Instrumenten der Raumsonde, darunter ein unter der Leitung von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau entwickeltes und gebautes Kamerasystem, intensiv erforscht.

Die Aufnahmen dieser „Framing Camera“ zeigten, dass Vesta über eine bewegte Vergangenheit verfügt. Neben einer Vielzahl von Asteroideneinschlägen, bei denen sich im Laufe der Jahrmilliarden unzählige Impaktkrater unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Alters bildeten, wurde die Südpolregion von Vesta in der Vergangenheit von zwei gewaltigen Einschlägen erschüttert, wobei sich zwei sich teilweise überlagernde Impaktbassins mit Durchmessern von jeweils mehreren hundert Kilometern bildeten. Der Zentralberg im Inneren des jüngeren Impaktbassins erreicht dabei eine Höhe von rund 20 Kilometern und gehört somit zu den höchsten Bergen im derzeit bekannten Sonnensystem.

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Der Großteil der dunklen, kohlenstoffhaltigen Ablagerungen auf Vesta befindet sich an den Rändern kleinerer Krater oder als einzelne Sprenkel in deren unmittelbaren Umgebung.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Doch diese gigantischen Einschläge haben anscheinend nicht nur die Form der Oberfläche, sondern auch die mineralogische Komposition von Vesta dauerhaft verändert, denn die Aufnahmen der Raumsonde zeigen ausgeprägte Unterschiede in Helligkeit und Zusammensetzung der Oberfläche. Es gibt auf Vesta Ablagerungen eines sehr helles Materials, welches ein ähnliches Rückstrahlvermögen (Albedo) wie Schnee aufweist, und dunkle Bereiche, die so schwarz wie Kohle erscheinen. Speziell die Untersuchung dieses rätselhaften, dunklen Materials könnte den Planetenforschern weiteren Erkenntnisse über die Entwicklungsgeschichte von Vesta – und somit des gesamten Sonnensystems – liefern.

Eine Forschergruppe unter der Leitung des MPS konnte jetzt nachweisen, dass dieses Material nicht ursprünglich von Vesta stammt, sondern vielmehr erst nach der Formung des Protoplaneten durch die Einschläge von Asteroiden auf die Oberfläche von Vesta verfrachtet wurde.

„Vieles spricht dafür, dass das dunkle Material sehr reich an Kohlenstoff ist“, so Prof. Dr. Vishnu Reddy vom MPS und der Universität von North Dakota in den USA und Erstautor einer neuen Studie. In der Fachzeitschrift „Icarus“ haben er und seine Kollegen die bisher umfassendste Analyse dieses Materials vorgelegt. Die detaillierten Untersuchungen legen einen Zusammenhang zwischen dem dunklen Material und den beiden Asteroideneinschlägen nahe, welche die Südpolregion von Vesta prägten.

„In einem ersten Schritt haben wir eine genaue Übersichtskarte erstellt, welche die Verteilung des dunklen Materials zeigt“, erläutert Dr. Lucille Le Corre vom MPS. „Dabei haben wir etwas Erstaunliches entdeckt.“

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Die Verteilung von Kohlenstoffablagerungen auf der Südhemisphäre von Vesta. Der gestrichelte Kreis markiert das Impaktbecken Veneneia, der schwarze Kreis das jüngere Impaktbecken Rheasilvia.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Das auf den Aufnahmen der Framing Camera erkennbare dunkle Material gruppiert sich laut diesen Analysen in erster Linie um die Ränder der beiden großen Impaktkrater auf der Südhemisphäre. Genauere Untersuchungen zeigten, dass dieses dunkle Gestein wahrscheinlich mit dem ersten der beiden Einschläge, welcher vor etwa zwei bis drei Milliarden Jahren das Veneneia-Becken bildete, auf den Protoplaneten gelangte. Der zweite Einschlag, in dessen Folge vor rund einer Milliarde Jahren das rund 505 Kilometer durchmessende Rheasilvia-Becken entstand, hat dann einen Teil dieses Materials überdeckt.

Umfangreiche Modellrechnungen der MPS-Wissenschaftler unterstützen diese Theorie der zwei Einschläge und erlauben zudem einen genaueren Aufschluss über deren Verlauf. So konnten die Wissenschaftler in Computersimulationen ermitteln, welche Aufprallgeschwindigkeiten mit den gefundenen Konzentrationen des dunklen Materials vereinbar sind. „Alles spricht für einen vergleichsweise langsamen Zusammenstoß mit Geschwindigkeiten von weniger als zwei Kilometern pro Sekunde“, so Vishnu Reddy.

Nähere Informationen über das dunkle Material lieferten auch die so genannten HED-Meteoriten, welche laut einer allgemein anerkannten Theorie von Vesta stammen. Das Kürzel „HED“ steht dabei für die Gesteinsarten Howardit, Eucrit und Diogenit, aus denen sich diese Meteoriten in erster Linie zusammensetzen. Einige dieser auf der Erde aufgefundenen Meteoriten zeigen dunkle Einschlüsse, welche ebenfalls reich an Kohlenstoff sind. „Durch genaue Analysen des dunklen Materials auf der Vesta und Vergleichen mit Laboruntersuchungen dieser Meteoriten konnten wir nun den ersten direkten Beweis liefern, dass die HED-Meteoriten tatsächlich Bruchstücke von Vesta sind“, so Lucille Le Corre.

„Bei unseren Analysen geht es längst nicht nur darum, die genaue Entwicklungsgeschichte der Vesta zu rekonstruieren“, so Dr. Holger Sierks, Co-Investigator der DAWN-Mission am MPS. Vielmehr wollen die Planetologen die Bedingungen verstehen, welche in der Vergangenheit in unserem Sonnensystem herrschten und die zur Bildung von Planeten und letztendlich zu der Entstehung von Leben führten. Ähnliche Ereignisse wie die Impakte auf Vesta könnten in der Frühzeit unseres Sonnensystems auch die inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars mit Kohlenstoff, einem Grundbaustein organischer Verbindungen, versorgt haben. Als Quellen kommen hierfür die Asteroiden des C-Typs und kohlige Chondriten in Frage.

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In dieser dreidimensionalen Darstellung eines kleineren Impaktkraters auf Vesta ist das dunkle, kohlenstoffreiche Material im Inneren des Kraters zu erkennen.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Nach dem Abschluss der Untersuchungen bei Vesta im Sommer 2012 setzte die Raumsonde ihre Reise durch unser Sonnensystem fort. Im Jahr 2015 wird DAWN ihr zweites Reiseziel, den Zwergplaneten Ceres – das größte und massereichste Objekt im Asteroiden-Hauptgürtel – erreichen und aus einem Orbit heraus über mehrere Monate hinweg untersuchen.

Gegenwärtig befindet sich DAWN in einer Entfernung von rund 2,7 Millionen Kilometern zu Vesta und 57 Millionen Kilometern zu Ceres. Die Entfernung zur Erde beträgt rund 247 Millionen Kilometer, was in etwa 1,65 Astronomischen Einheiten entspricht. Die gegenwärtige Signallaufzeit zwischen der Raumsonde und dem Kontrollzentrum auf der Erde beträgt 27 Minuten.

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