Verfügt Pluto über eine Polkappe?

Erstmals konnte die LORRI-Kamera der Raumsonde New Horizons jetzt Helligkeitsunterschiede auf der Oberfläche ihres zukünftigen Ziels – dem Zwergplaneten Pluto – ausmachen. Diese Fotos verleiten die beteiligten Wissenschaftler zu der Annahme, dass zumindestens einer der beiden Pole des Pluto von einer Polkappe bedeckt sein könnte. Zukünftige Aufnahmen der Raumsonde sollen der Öffentlichkeit fast in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JHU/APL, The Planetary Society.

NASA, JHU/APL, SwRI
Diese kurze Videosequenz, aufgenommen zwischen dem 12. und dem 18. April 2015 aus Entfernungen zwischen etwa 111 und 104 Millionen Kilometern, zeigt den Zwergplaneten Pluto und dessen größten Mond Charon. Obwohl diese Aufnahmen immer noch recht verschwommen sind wurden nie zuvor bessere Aufnahmen von diesen beiden Objekten erstellt. In einer Nachbearbeitung lassen sich auf der Oberfläche des Zwergplaneten sogar helle und dunkle Regionen unterscheiden. Die hier gezeigte Sequenz ist direkt auf Pluto zentriert. Die Umkreisung des gemeinsamen Baryzentrums lässt sich dagegen auf einer weiteren Bildsequenz verfolgen.
(Bild: NASA, JHU/APL, SwRI)

Die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde New Horizons nähert sich nach einer Flugdauer von mittlerweile mehr als neun Jahren, in denen eine Distanz von rund fünf Milliarden Kilometern zurückgelegt wurde, immer weiter dem primären Ziel ihrer Reise – dem im äußeren Bereich unseres Sonnensystems beheimateten Zwergplaneten Pluto. Bereits am 15. Januar 2015 – und somit sechs Monate vor dem am 14. Juli um 13:50 MESZ in einer Entfernung von 12.500 Kilometern über dessen Oberfläche erfolgenden Vorbeiflug am Pluto – begann dabei eine systematische Beobachtungskampagne des Zwergplaneten und seiner bisher fünf bekannten Monde. Neben der LORRI-Kamera, welche in regelmäßigen Abständen Aufnahmen des Pluto anfertigen wird, erfolgen dabei gegenwärtig auch Messungen und Analysen der interplanetaren Staubpartikel, der energiereichen Teilchen in dieser Region des Sonnensystems sowie des Sonnenwindes (Raumfahrer.net berichtete).

Bereits am 29. April 2015 veröffentlichte das für den wissenschaftlichen Betrieb der Raumsonde verantwortliche Team weitere Aufnahmen von Pluto und von Charon – dem größten der Monde des Zwergplaneten. Auf diesen Bildsequenzen ist zu erkennen, wie diese beiden etwa 2.310 beziehungsweise 1.212 Kilometer durchmessenden Objekte innerhalb von 6,4 Tagen ihr gemeinsames Baryzentrum umkreisen. Die entsprechenden Aufnahmen wurden von der LORRI-Kamera zwischen dem 12. und dem 18. April 2015 aus Entfernungen zwischen etwa 111 und 104 Millionen Kilometern zum Pluto angefertigt. Aufgrund der dabei verwendeten kurzen Belichtungszeit von jeweils einer Zehntelsekunde sind die restlichen vier Monde des Pluto, welche über deutlich geringere Durchmesser verfügen (Raumfahrer.net berichtete), auf diesen Aufnahmen nicht erkennbar.

Auf den nachträglich bearbeiteten Versionen dieser Fotos sind dafür jedoch zur Überraschung der beteiligten Wissenschaftler erstmals Helligkeitsunterschiede auf der Oberfläche von Pluto sichtbar. Eigentlich wurde erwartet, dass es noch vier weitere Wochen dauern würde, bis die LORRI-Kamera helle und dunkle Oberflächenregionen erfassen und unterscheiden kann. Durch eine spezielle Technik, dem Stacking mehrerer Aufnahmen der LORRI-Kamera, konnte diese ‘Wartezeit’ jetzt jedoch deutlich verkürzt werden.

Einer der dabei allerdings nur unscharf erkennbaren hellen Flecken befindet sich direkt über einer der beiden Polarregionen des Zwergplaneten. Diese Struktur könnte ein Anzeichen dafür sein, dass sich hier eine aus gefrorenem Stickstoff bestehende Polarkappe befindet. Für eine genaue Analyse und Interpretation bedarf es jedoch noch besserer Aufnahmen. Und diese sollen bereits in Kürze angefertigt werden.

NASA, JHU/APL, SwRI, Hal Weaver
Durch das Stacking mehrerer LORRI-Aufnahmen des Pluto können selbst aus größeren Entfernungen erste Helligkeitsunterschiede auf dessen Oberfläche sichtbar gemacht werden.
(Bild: NASA, JHU/APL, SwRI, Hal Weaver)

“Mit der fortschreitenden Annäherung an das Pluto-System werden jetzt immer mehr Oberflächenstrukturen wie etwa diese helle Region in der Nähe des Pols von Pluto sichtbar”, so John M. Grunsfeld, der für das Wissenschaftsprogramm der US-amerikanischen Weltraumbehörde zuständige NASA-Administrator. “Die Daten, welche New Horizons dabei sammeln wird, werden uns dabei helfen, die Geheimnisse von Pluto zu entschlüsseln.”

“Nach einer über neun Jahre andauernden Reise durch das Weltall ist es atemberaubend zu verfolgen, wie sich Pluto von dem kleinen, unscheinbaren Lichtpunkt, den er von der Erde aus betrachtet darstellt, vor unseren Augen in einen real existierenden Ort verwandelt”, so Dr. Alan Stern vom Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder im US-Bundesstaat Colorado, der für die New Horizons-Mission verantwortliche wissenschaftliche Projektleiter. “Diese unglaublichen Bilder sind die ersten Aufnahmen, auf denen Details von Pluto erkennbar sind. Sie zeigen uns, dass Pluto über eine komplexe Oberfläche verfügen muss.”
Derzeit ist die Raumsonde New Horizons noch etwa 85 Millionen Kilometer von ihrem Ziel entfernt und nähert sich dem für den 14. Juli 2015 angepeilten ‘Treffpunkt’ mit Pluto dabei gegenwärtig mit einer Geschwindigkeit von 13,8 Kilometern pro Sekunde an. Stündlich aktualisierte Angaben dieser Entfernungs- und Geschwindigkeitswerte finden Sie auf dieser Internetseite des Applied Physics Laboratory an der Johns Hopkins University (JHU/APL) in Laurel im US-Bundesstaat Maryland. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich die Qualität der Aufnahmen der Raumsonde somit immer weiter verbessern.

NASA, JPL-Caltech, JHU/APL
Der Weg der Raumsonde New Horizons durch unser Sonnensystem. Bereits in wenigen Wochen wird dabei der Zwergplanet Pluto erreicht. Nach dem Passieren dieses Ziels wird New Horizons den Flug fortsetzten und dabei vermutlich in der ersten Hälfte des Jahres 2019 ein zweites im Kuiper-Gürtel des Sonnensystems gelegenes Objekt erreichen ( Raumfahrer.net berichtete ).
(Bild: NASA, JPL-Caltech, JHU/APL)

“Wir können derzeit nur Vermutungen darüber anstellen, welche Überraschungen wohl enthüllt werden, sobald New Horizons im Sommer [genauer gesagt am 14. Juli 2015] die Oberfläche von Pluto in einer Abstand von lediglich 12.500 Kilometern überfliegt”, so Hal Weaver, der zuständige Projektwissenschaftler der New Horizons-Mission vom JHU/APL. Eines dürfte jedoch sicher sein: Das Wissen der Menschheit über die im Kuiper-Gürtel unseres Sonnensystems befindlichen Himmelskörper wird sich dabei ungemein erweitern.

Zeitnahe Freigabe der Aufnahmen
Leider war es in der Vergangenheit üblich – und ist es stellenweise immer noch – dass die im Rahmen einer interplanetaren Forschungsmission erstellten Aufnahmen die interessierte Öffentlichkeit erst mit einer deutlichen Verzögerung von mehreren Monaten oder teilweise sogar erst Jahren erreichten. Diese Vorgehensweise wurde und wird von den beteiligten Wissenschaftlern damit begründet, dass sie einen gewissen Zeitraum benötigen, um anhand dieser Daten – welche ja immer wieder zuvor unbekannte Regionen unseres Sonnensystems offenbaren – wissenschaftliche Publikationen zu erstellen und zu publizieren. Sollten die entsprechenden Daten jedoch ‘zeitnah’ freigegeben werden, so hätten auch nicht direkt an der Mission beteiligte Personen die Möglichkeit, diese Daten zu nutzen, auszuwerten und daraus resultierende Ergebnisse zu veröffentlichen.

Glücklicherweise sind die direkt in die Mission der Raumsonde New Horizons involvierten Wissenschaftler jedoch einer anderen Meinung. In der Regel lediglich maximal 48 Stunden nachdem die Aufnahmen der LORRI-Kamera die Erde erreichen, so eine kürzlich veröffentlichte Mitteilung, sollen diese Fotos zukünftig auf einer speziellen Internetseite der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die entsprechende Seite kann hier aufgerufen werden.

Die dort veröffentlichten Aufnahmen sind nicht bearbeitet oder kalibriert und zeigen somit lediglich die Originalaufnahmen, welche dabei zudem in dem verlustbehafteten JPEG-Format dargestellt werden. Allerdings werden neben Informationen zu der Entfernung zu dem abgebildeten Zielobjekt, dem Aufnahmedatum und der Belichtungszeit auch kurze Beschreibungen zu dem Foto veröffentlicht. Ein entsprechendes Beispiel finden Sie hier.

Mit einem gewissen zeitlichen Einsatz, einer guten Bildbearbeitungssoftware und etwas Übung und Geschick dürften sich aus diesen RAW-Aufnahmen jedoch trotzdem ansehnliche Wiedergaben des Pluto-Systems erstellen lassen. Weitere für die Dekodierung und Bearbeitung dieser Aufnahmen behilfliche Informationen finden Sie auf dieser Internetseite der Planetary Society in englischer Sprache.

Unabhängig davon sollen die dann kalibrierten Daten der Raumsonde New Horizons auch in Zukunft in regelmäßigen Abständen innerhalb von neun Monaten bis spätestens einem Jahr nach ihrem Eingang auf der Erde im Planetary Data System (abgekürzt PDS) der NASA veröffentlicht werden.

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