Zum ersten Mal in der Geschichte konnten die Winde in der Atmosphäre der Venus in einer dreidimensionalen, eine vollständige Hemisphäre umfassenden Darstellung beschrieben werden, berichtete die europäische Weltraumorganisation ESA am 18. September 2008.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA.
Dass die Venusatmosphäre sehr starke, sehr schnelle Winde hervorbringt, war lange bekannt. Jetzt konnte aus den Daten der ESA-Sonde Venus Express ein Modell geschaffen werden, dass die Geschehnisse in der Atmosphäre der Südhalbkugel wiedergibt.
Seit Beginn der Beobachtungen 2006 hat Venus Express kontinuierlich Daten aufgezeichnet. Dabei kam den wissenschaftlichen Ergebissen die Fähigkeit der Sonde zugute, durch die dichten Atmosphärenschichten hindurchschauen und Daten aus verschiedenen Höhen über der Oberfläche der Venus sammeln zu können.
Venus Express wurde am 9. November 2005 von Baikonur aus auf einer Sojus-FG-Rakete auf den Weg gebracht. Die Sonde schwenkte am 11. April 2006 nach Verzögerung durch ihr S400-Hauptriebwerk in eine Umlaufbahn um die Venus ein.
Unter den sieben Instrumenten aus fünf europäischen Ländern an Bord ist ein Spektrometer, eine Adapatierung eines für die Rosetta-Mission entwickelten Gerätes. Es entstand in französich-italienisch-deutscher Koproduktion. Das Gerät namens VIRTIS (Venus Express Visual and Infrared Thermal Imaging Spectrometer) wurde eingesetzt, um Wolkenbänder im sichtbaren und infraroten Bereich zu beobachten. Dafür gibt es drei Beobachtungskanäle. Die Wellenlängen liegen bei 0,25 bis 1 µm für den sichbaren, bei 1 bis 5 µm für den nah-infraroten und bei 2 bis 5 µm für den infraroten Bereich.
Aus dem Zug der Wolken in definierten Höhen konnte die dort jeweils herrschende Windgeschwindigkeit bestimmt werden. Die gesamte südliche Hemisphäre vom Pol bis zum Äquator wurde im Höhenbereich zwischen 45 und 70 Kilometern über Grund untersucht.
Da VIRTIS je nach der zur Beobachtung verwendeter Frequenz durch verschiedene Wolkenschichten hindurchschauen kann, war es möglich, die Untersuchungen der Wolkenschichten in drei unterschiedlichen Höhen durchzuführen. Dort wurden jeweils hunderte von Wolken verfolgt.
Insgesamt wurden 625 Wolken bei etwa 66 Kilometern Höhe über Grund verfolgt, 662 bei etwa 61 Kilometern Höhe und 932 im Bereich zwischen 45 und 47 Kilometern Höhe. In den einzelnen Wolkenschichten wurde jeweils über mehrere Monate immer zwischen ein bis zwei Stunden am Stück beobachtet. In diesem zeitlichen und räumlichen Umfang und auf unterschiedlichen Wellenlängen hat dies nie zuvor stattgefunden.
Es wurde festgestellt, dass die Winde im Gebiet zwischen Äquator und dem Bereich 50 bis 55 Grad südlicher Breite stark variieren. Bei 66 Kilometern über Grund maß man Winde von 370 Stundenkilometern, im Bereich zwischen 45 und 47 Kilometer über Grund Winde von 210 Stundenkilometern.
In den Breiten oberhalb 65 Grad ist die Situation dramatisch anders: Dort spielt die wirbelsturmartige Struktur über den Polen die Hauptrolle. In allen beobachteten Höhen ziehen die Wolken mit gleicher Geschwindigkeit, die zum Auge des Wirbels hin immer weiter abfällt.
Die Geschwindigkeit von Winden, die sich parallel zu bestimmten Breitengraden bewegen, hängt auch stark von der Venus-Tageszeit am beobachteten Ort ab. Abends war die Windgeschwindigkeit jeweils höher als zu Beginn eines Venustages, was auf die Erwärmung der Venus durch die Sonne zurückgeführt und als Solarer Tideneffekt bezeichnet wird.
Regelmäßig alle fünf Tage, so wurde noch festgestellt, ändern die Winde ihre Geschwindigkeit. Was Auslöser für diesen Rhythmus ist, muss noch genauer untersucht werden.