Vega Flug VV12 bringt ADM-Aeolus ins All

Beim ersten Flug einer Vega-Rakete im Jahr 2018 brachte Arianespace den Windforschungssatelliten ADM-Aeolus ins All. Der Start für die Europäische Raumfahrtagentur ESA erfolgte am 22. August 2018 vom europäischen Raumfahrtzentrum Kourou in Französisch-Guayana.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Arianespace, Astrium, CSG, DLR, ESA, SBFI.

Vega startet mit ADM-Aeolus an Bord
(Bild: ESA / S. Corvaja)

Gestartet wurde um 18:20 Uhr und 9 Sekunden Ortszeit am 22. August 2018, das war 21:20 Uhr und 9 Sekunden Uhr UTC bzw. 23:20 Uhr und 9 Sekunden MESZ. Zunächst sorgte die erste Stufe der beim Start rund 139 Tonnen schweren, 30 Meter hohen Rakete mit einem Feststoffmotor des Typs P80 für Geschwindigkeits- und Höhengewinn. Sie wurde eine Minute und 54 Sekunden nach dem Abheben abgetrennt.

Danach folgten die planmäßigen Einsätze der Feststoffmotoren ZEFIRO 23 in der zweiten Stufe und ZEFIRO 9 in der dritten Stufe der Rakete. Die zweite Stufe hatte drei Minuten und 37 Sekunden nach dem Abheben ihre Arbeit erledigt, die dritte Stufe sechs Minuten und 30 Sekunden nach dem Abheben. Drei Minuten und 56 Sekunden nach dem Abheben war die Nutzlastverkleidung abgetrennt worden, die ADM-Aeolus beim Aufstieg durch die dichteren Schichten der Erdatmosphäre geschützt hatte.

Öffnung der Nutzlastverkleidung – Illustration
(Bild: ESA)

Anschließend war es Aufgabe der vierten, auf Technik aus der Ukraine basierenden, AVUM für Attitude Vernier Upper Module genannten Stufe, mit ihrem auf dem ukrainischen RD-869-Motor basierenden VG-143-Triebwerk die Voraussetzungen für das Aussetzen des transportierten Satelliten zu schaffen. Nach rund 55 Minuten Flugzeit und zwei VG-143-Brennphasen wurde ADM-Aeolus vom Nutzlastadapter mit einer Masse von rund 77 Kilogramm abgetrennt und ausgesetzt. Die Bahnverfolgungsstation Troll in der Antarktis empfing erste Signale von ADM-Aeolus gegen 0:30 Uhr MESZ am 23. August 2018.

ADM-Aeolus dient der globalen Beobachtung von Wind-Profilen über dem ganzen Planeten Erde. Der Satellit soll Daten, insbesondere für dreidimensionale Karten, liefern, die helfen, die Qualität von Wettervorhersagen zu verbessern und der Unterstützung bei der Klimaforschung dienen. Man erwartet sich eine erhebliche Verbesserung der mittelfristigen Wettervorhersage, also der Prognosen für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen. Beobachten will man in der Troposphäre und der unteren Stratosphäre bis in eine Höhe von 30 Kilometern über der Erde.

Nutzlastverkleidung vor dem Schließen in Kourou
(Bild: ESA/CNES/Arianespace)

Der reinrassige Windforschungssatellit mit Lasertechnik an Bord besitzt als einziges Instrument ein Doppler Wind Lidar namens ALADIN. ALADIN steht für Atmospheric LAser Doppler Instrument. Das Außergewöhnliche an dem Instrument mit einer Gesamtmasse von rund 450 Kilogramm und einem durchschnittlichen Strombedarf von 830 Watt ist, dass ALADIN mit Impulsen eines Ultraviolett-Lasers arbeitet. Die verwendete durch Frequenzverdreifachung erreichte Wellenlänge beträgt 355 Nanometer, die Energie der ausgestrahlten Pulse jeweils 60 mJ.

Pulse des Laserlichts, die vom Satelliten Richtung Erde geschickt werden, werden in der Atmosphäre auf unterschiedliche Art Richtung Weltraum zurückgeworfen. An Bord des Satelliten gibt es ein großes Cassegrain-Teleskop (f 0,9) mit einem Durchmesser von rund 1,5 Metern und einer Masse von rund 55 Kilogramm. Es besitzt keinen besonderen Fokusierungsmechanismus, verfügt aber über Heizelemente, über die der Fokus korrigiert werden kann.

sorgfältige Reinigung des Teleskops vor dem Start (unter den roten Schutzabdeckungen X-Band-Datenantennen)
(Bild: ESA)

Das Teleskop mit Spiegeln aus gesintertem Siliziumkarbid (Sintered Silicon Carbide, S-SiC) ist in der Lage, von Molekülen, Aerosolen, Staub und anderen Partikeln in der Atmosphäre zurückgestrahltes Laserlicht zu erfassen. Hoch empfindliche Detektoren eines zweikanaligen Empfängers mit Fabry–Pérot-Interferometern für den Raleigh-Kanal (Detection Frontend Unit 1, DFU1) und Fizeau-Interferometer für den Mie-Kanal (Detection Frontend Unit 2, DFU2) sowie eine intelligente Auswerteelektronik können an Hand der Doppler-Verschiebung anschließend bestimmen, in welcher Höhe in der Atmosphäre die Reflektion des Laserlichts erfolgte.

Die erzielbare vertikale Auflösung von ALADIN bewegt sich zwischen 250 Metern und zwei Kilometern, die horizontalen Mittelung liegt bei 87 Kilometer im Abstand von rund 237 Kilometern. Der Beginn zweier jeweils 87 Kilometer langer, in sieben Sekunden Flugzeit abzutastender Beobachtungsabschnitte liegt also jeweils 237 Kilometer, oder rund 28 Sekunden Flugzeit, auseinander. Die Lücken in der Abtastung sind also rund 150 Kilometer bzw. 21 Sekunden lang.

Pro Stunde wird das Instrument Daten für etwa 100 Windprofile erfassen können. Die Genauigkeit bei der Bestimmung der Windgeschwindigkeit liegt dabei im Bereich zwischen einem und zwei Metern pro Sekunde.

Beobachtungsprinzip mit getrennten, je 87 km langen Beobachtungsabschnitten – Illustration
(Bild: ESA)

ADM-Aeolus wurde von Airbus als Hauptauftragnehmer auf Basis eines von der Mars-Sonde Mars Express abgeleiteten Satellitenbus mit einer Leermasse von rund 650 Kilogramm integriert und besitzt eine Startmasse von rund 1,4 Tonnen – nach Angaben der ESA von 1.360 Kilogramm, nach Angaben des Trägerraketenbetreibers Arianespace von 1.357 Kilogramm (Centre Spatial Guyanais/CSG: 1.366 Kilogramm).

ALADIN wurde von Airbus SAS im französischen Toulouse zusammengesetzt, der Satellitenbus bei Airbus Ltd. in Stevenage in Großbritannien. Die Hochzeit von ALADIN und dem Satellitenbus erfolgte im Oktober 2016 in Stevenage, anschließende Tests z.B. auf einem Schütteltisch, bei Intespace in Toulouse und in einer Thermalvakuumkammer des Centre Spatial de Liège (CSL) in Lüttich in Belgien.

Die Auslegungsbetriebsdauer des neuen Erdtrabanten beträgt drei Jahre nach Abschluss einer dreimonatigen Inbetriebnahmephase. Geplant ist, dass der Satellit innerhalb der drei Jahre rund 4,7 Milliarden Laserimpulse abfeuert. Der vorgesehene sonnensynchrone, 96,97 Grad gegen den Erdäquator geneigte Arbeitsorbit liegt in rund 320 Kilometern Höhe über der Erde. Pro Tag umrundet ADM-Aeolus die Erde rund 16 mal, braucht also für einen Orbit 90 Minuten. Alle 111 Umkreisungen oder alle 7 Tage überfliegt der Satellit die gleiche Region am Erdboden.

ADM-Aeolus (links), Testausrüstung (rechts), Druckkammerdeckel (ganz rechts) in Lüttich
(Bild: ESA)

Die RUAG Space Schweiz baute die Satellitengrundstruktur von ADM-Aeolus. Weitere Beiträge des schweizer Unternehmens sind eine Umschalteinheit, die es ermöglicht, zwischen den beiden redundanten Lasersystemen an Bord umzuschalten, und ein Verschlusssystem, das mit einer Klappe die Empfängeroptik im Satelliten immer dann abdeckt, wenn gerade ein Laserimpuls abgeschickt wird. Auf Grund der Laser-Impulsdauer muss die Abdeckklappe dabei mit einer Frequenz von 100 Hertz bewegt werden.

Damit keine durch das Laserlicht verursachten dauerhaften Partikel-Verschmutzungen (Laser Induced Contamination, LIC) in den optischen Systemen entstehen, bekam der Satellit ein System zur permanenten Spülung mit Sauerstoff spendiert. Ein über die Betriebsdauer des Satelliten aufrecht zu erhaltene Sauerstoffatmosphäre mit niedrigem Druck im Bereich von etwa 40 Pascal wird von zwei redundanten 30-Liter-Druchbehältern gespeist. Die Dosierung erfolgt über ITAR-freie Ventiltechnik von Marotta Controls aus Montville im US-Bundesstaat New Jersey. Der Sauerstoffstrom liegt dabei etwa in der Größenordnung vom dem, was eine kleine Topfpflanze auf der Fensterbank kontinuierlich erzeugen kann.

Die schweizer Connova AG (ehemals Brühlmeier Modellbau AG) ist Hersteller der Primärstruktur von ALADIN. Die Neodym-dotierte Yttrium-Aluminium-Granat-Impulslasersysteme sind eine Konstruktion der Galileo Avionica S.p.A. aus Italien. Thales Laser Diodes stellte die Laserdioden zur Verfügung, und die Thales Alenia Space Schweiz AG steuerte die Mie- und Rayleigh Spektrometer für ALADIN bei.

Die Einbauorte einzelner Komponenten – Illustration
(Bild: ESA)

Die eigentliche Sende- und Empfangsoptik für den UV-Laserstrahl ist eine Entwicklung der OHB System AG München. Von der Syderal SA aus der Schweiz kommt die Elektronik zur Steuerung von ALADIN und das Datenmanagement für die wissenschaftlichen Daten an Bord. Die Tesat-Spacecom GmbH aus Backnang lieferte Referenzlaser für ALADINs Reference Laser Heads (RLHs) und das Kommunikationssystem.

Die Weiterverarbeitung der Daten von ADM-Aeolus am Boden erfolgt nach dem Empfang durch die Bodenstation Svalbard in Norwegen (insbesondere auf 8.040 Megahertz im X-Band mit einer Datenrate von 10 Mbps) und einer Vorverarbeitung im norwegischen Tromsø im Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW, auch European Centre for Medium-Range Weather Forecasts, ECMWF) im englischen Reading, das die Daten auch europäischen Wetterdiensten zur Verfügung stellen wird, und in ESAs Europäischem Weltraumforschungsinstitut (European Space Research Institute, ESRIN) im italienischen Frascati.

Zwei Solarzellenausleger versorgen ALADIN und die raumflugtechnischen Systeme von ADM-Aeolus mit elektrischer Energie – bei Betriebsende des Satelliten sollen sie zusammen noch rund 2.200 Watt bereitstellen können. Jeder der Ausleger mit Triple-Junction-Galliumarsenid-Zellen besteht aus drei je 1,1 x 2,2 Meter messenden Paneelen. Die Gesamtfläche der Ausleger beträgt zusammen rund 14,5 Quadratmeter. Zur Stromspeicherung gibt es an Bord einen Lithiumionenakkumulatorensatz mit einer Kapazität von 64 Amperestunden.

Organisation von Missionskontrolle und -Management – Illustration
(Bild: ESA / ATG Medialab)

Struktur und Mechaniken der Solarzellenausleger basieren auf einem Konzept namens FRED von Dutch Space aus den Niederlanden. Auf FRED basierende Ausleger wurden zuvor z.B. vom Automated Transfer Vehicle (ATV) und dem Galileo-Testsatelliten GIOVE-A verwendet. Für die Rotation der Ausleger von ADM-Aeolus um 45 Grad und eine anschließende Verriegelung wurden besondere Solarzellenauslegerrotationsmechanismen (Solar Array Rotation Mechanisms, SARMs) entwickelt.

Der Lageregelung und Ausrichtung von ADM-Aeolus dienen vier Reaktionsräder, von den drei für den normalen Regelbetrieb benötigt werden, sowie drei sogenannte magnetic torquers (MTQs), die mit dem Erdmagnetfeld interagieren können, als kalte Reserve. Außerdem können bedarfsweise zehn je fünf Newton starke Hydrazin aus zwei jeweils 132 Liter fassenden Oberflächenspannungstanks zersetzende Triebwerke eingesetzt werden.

Überwacht und gesteuert wird ADM-Aeolus vom Europäischen Satellitenkontrollzentrum (European Space Operations Centre, ESOC) in Darmstadt, wo ein dedizierter Kontrollraum eingerichtet werden sollte. Die notwendige Kommunikation dafür erfolgt über die Bodenstation Salmijärvi (Kiruna). Der Kommandouplink zum Raumfahrzeug läuft mit einer Datenrate von 2 Kbps im S-band auf 2.030 Megahertz, der Telemetriedownlink mit 8 Kbps auf 2.205 Megahertz.

ADM-Aeolus alias Earth Explorer 4 aus ESAs Living Planet Programm ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 43.600 und als COSPAR-Objekt 2018-066A.

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