Der Messsatellit TIMED der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde (NASA) hat einen schnellen Anstieg des Kohlendioxid-Gehalts in der Hochatmosphäre der Erde festgestellt. Insbesondere über der Nordhalbkugel sind die ermittelten Werte unerwartet hoch.
Autor: Thomas Weyrauch. Quelle: NASA, JUA APL.
Bisherige Klimamodelle hatten vorhergesagt, dass ein Anstieg von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre über den Globus verteilt mehr oder weniger gleichmäßig erfolgen würde.
Die Beobachtung der CO2-Verteilung über der Erde ist nicht nur für die Verbesserung von Klimamodellen wichtig, sie findet Eingang bei der Planung von Satelliten-Orbits.
Statt wie nahe des Erdbodens für eine Erwärmung zu sorgen, bewirkt CO2 in der Hochatmosphäre eine Temperaturabsenkung, und damit eine Verringerung der Restatmosphäre. Weniger Restatmosphäre sorgt für eine geringere Abbremsung von Erdtrabanten, die in entsprechenden Flughöhen unterwegs sind.
Eine in den Geophysical Research Letters am 5. September 2015 veröffentlichte Studie berichtet von der Arbeit mit Radiometer-Daten, die mit TIMED innerhalb von 14 Jahren gewonnen wurden (TIMED steht für Thermosphere, Ionosphere, Mesosphere Energetics and Dynamics).
Vor dem Start von TIMED am 7. Dezember 2001 wurden ausschließlich Höhenforschungsraketen eingesetzt, die jeweils nur eine sehr kurze Einsatzdauer an Bord befindlicher CO2-Sensoren erlaubten. Langfristige Messkampagnen waren vor TIMED nicht möglich, wird Jia Yue, Forscher an der Hampton Universität in Hampton im US-amerikanischen Bundesstaat Virginia, in einer Meldung der NASA zitiert.
CO2 wird auf Grund menschlicher Aktivitäten in die Atmosphäre eingebracht. Solche sind zum Beispiel die Abholzung von Waldflächen und das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle, Öl, etc..
Ein Anstieg des CO2-Gehalts in tiefen Atmosphärenschichten erfolgt mit einer Rate von 5 Prozent alle 10 Jahre. Das bestätigen Daten, die in einem Zeitraum von 56 Jahren gewonnen wurden.
In der Hochatmosphäre etwa bei 112 Kilometern stieg der CO2-Anteil teilweise mit bis zu 12 Prozent alle 10 Jahre. Und obwohl man erwartet hatte, dass trotz einer höheren CO2-Emission auf der Nordhalbkugel in der Hochatmosphäre wegen Vermischung und Diffusion eine gleichmäßige CO2-Verteilung herrschen würde, erfolgte der Anstieg in der Hochatmosphäre über der Nordhalbkugel schneller als über der Südhalbkugel.
Diego Janches, TIMED-Projektwissenschaftler vom Goddard-Raumflugzentrum (GSFC) der NASA in Greenbelt im US-amerikanischen Bundesstaat Maryland, denkt, dass man die Beziehungen zwischen tiefen Atmosphärenschichten und solchen in großer Höhe offensichtlich noch nicht ganz verstehe.
Bisher war man in Wissenschaftlerkreisen laut Janches geneigt, die Beobachtung der Atmosphäre auf verschiedene Disziplinen zu verteilen. Die Erforschung tiefer Atmosphärenschichten könnte man beispielsweise als eine Disziplin der Geowissenschaften verstehen, die Beobachtung der Hochatmosphäre als eine Disziplin der Sonnenphysik. Benötigt wird gemäß Janches aber ein Verständnis der Atmosphäre als Gesamtsystem.
Die Daten aus der im September veröffentlichten Studie korrespondieren gut mit Daten eines Messsatelliten der Kanadischen Raumfahrtagentur. SCISAT 1 kreist seit dem 12. August 2003 um die Erde und lieferte erste Anhaltspunkte für einen beschleunigten Anstieg des CO2-Gehalts in der Hochatmosphäre über einen Zeitraum von acht Jahren. Die Zuverlässigkeit der Daten beider Satelliten wird durch die Tatsache unterstützt, dass die Raumfahrzeuge auf unterschiedliche Messmethoden zur Ermittlung des CO2-Anteils zurückgreifen
Sensor- oder Datenverarbeitungsfehler an Bord von TIMED können also sehr wahrscheinlich ausgeschlossen werden. Der beobachtete schnelle Anstieg ist laut Jia Yue von der Universität Hampton damit bestätigt, er ist ein physikalischer, real vorhandener Trend. Die Bestimmung dieses Trends war nur Dank des sehr lange funktionsfähigen Radiometers namens SABER (Sounding of the Atmosphere using Broadband Emission Radiometry) an Bord von TIMED möglich. Das Gerät an Bord des vom Labor für angewandte Physik (Applied Physics Laboratory, APL) der Johns Hopkins Universität (JHU) in Laurel in Maryland gebauten Satelliten funktioniert aktuell weiterhin wie vorgesehen.
Die Mission von TIMED, dessen Auslegungsbetriebsdauer zwei Jahre betrug, wurde bereits sechs Mal verlängert. Die letzte Verlängerung sieht einen Betrieb bis 2017 vor. Beteiligte Wissenschaftler sind allerdings zuversichtlich, dass TIMED auch darüber hinaus zum Datensammeln eingesetzt werden wird.
Diego Janches vom GSFC betont, dass Langzeitmissionen notwendig sind, um Trends wie den jetzt Bestätigten zu verstehen. Dank der langen Standzeit von TIMED ergaben sich über die Zeit völlig veränderte wissenschaftliche Möglichkeiten.
TIMED, Masse beim Start rund 587 Kilogramm, ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 26.998 sowie als COSPAR-Objekt 2001-055B. Der Satellit kreist auf einer 74,1 Grad gegen den Äquator geneigten Bahn auf Höhen zwischen 610 und 615 Kilometern um die Erde.