Die NASA hat die Gewinner der dritten Runde des kommerziellen Crewprogramms in den USA bekanntgegeben. Boeing und SpaceX bekommen je ca. 400 Millionen US-Dollar und Sierra Nevada Corp ca. 200 Millionen Dollar. Der ATK/Astrium-Vorschlag geht leer aus.
Ein Beitrag von Tobias Willerding. Quelle: NASA.
Heute hat die NASA die mit Spannung erwartete Entscheidung über die nächste Phase des kommerziellen Crewprogramms bekanntgegeben. Gewonnen haben Space Exploration Technologies (SpaceX) mit der Dragon-Kapsel, Boeing mit der Kapsel CST-100 und Sierra Nevada Corporation mit dem Dream Chaser, einem Lifting-Body-Design, das auf ein altes NASA-Projekt zurückgeht (HL-20). Im Rahmen der dritten Phase des kommerziellen Crewprogramms, welche den Namen Commercial Crew Integrated Capability (CCiCap) trägt und 21 Monate dauert, sollen die Konzepte möglichst bis zum Critical Design Review (CDR) weiterentwickelt werden.
Die Gewinner im Einzelnen:
Boeing bekommt 460 Millionen US-Dollar für die Crewkapsel CST-100 für bis zu sieben Personen, die auf der Atlas V von der United Launch Alliance (ULA) gestartet werden soll. Boeings Kapsel verfügt über ein neues Rettungssystem, das – anders als die Feststoffmotoren aus Apollozeiten – mit hypergolen Treibstoffen funktioniert und denjenigen Treibstoff benutzt, der im normalen Fall für die Orbitmanöver verwendet wird. Das Rettungssystem kann den ganzen Weg bis in den Orbit genutzt werden. Gestartet werden soll vom Startplatz 41 der Cape Canaveral Air Force Station, wobei die Atlas V hier in einer Variante der sogenannten Dual-Centaur zum Einsatz kommt. Das heißt, dass die Oberstufe von zwei RL-10 Triebwerken betrieben wird, um ausreichend Schub für die schwere Kapsel zu liefern. Im Rahmen von CCiCap (Commercial Crew-integrated Capability) möchte Boeing wichtige Vorarbeiten vor dem Critical Design Review absolvieren. Dazu gehören Windtunneltests, Avioniktests, Triebwerkstests von Rettungssystem und orbitalem Manövriersystem, Designarbeiten am Atlas-V-Adapter für die Kapsel sowie Tests der Software und dem Zertifizierungsplan. Der letzte Meilenstein ist das Critical Design Review. Sollte nach CCiCap in der finalen vierten Phase des kommerziellen Crewprogramms ausreichend Geld zur Verfügung stehen, rechnet Boeing mit einem ersten bemannten Testflug Ende 2016. Genau wie bei COTS bedeutet dieser Testflug nicht den Start der regulären bemannten Flüge zur ISS, sondern ist lediglich ein bemannter Demonstrationsflug, der nicht zwangsweise zur ISS gehen muss.
SpaceX bekommt 440 Millionen Dollar ebenfalls für eine Crewkapsel für bis zu sieben Personen, die auf der hauseigenen Falcon-9-Rakete fliegen soll und von Startplatz 40 in Cape Canaveral startet. Die Kapsel baut auf der Frachtversion auf, die vor zwei Monaten einen erfolgreichen ersten Flug zur ISS absolviert hat. Im Rahmen der 21 Monate möchte man eine Reihe von Tests und Reviews absolvieren. Besondere Höhepunkte bilden dabei ein Startabbruchtest vom Startplatz und ein Startabbruchtest im Flug. Vor dem Critical Design Review sind zwei separate Preliminary Design Reviews für Bodensysteme/Start und Orbit/Landung geplant. Weiter soll ein Zertifizierungsplan erstellt und die Performance der verbesserten Falcon 9 v1.1 mit erhöhter Nutzlastkapazität verifiziert werden. SpaceX ist etwas optimistischer und rechnet für frühestens Mitte 2015 mit einem bemannten Testflug – optimale Finanzierung vorausgesetzt.
Die Sierra Nevada Corp. bekommt 212,5 Millionen US-Dollar für ein Liftingbody-Design, ebenfalls für bis zu sieben Personen, das wie die Boeing-Kapsel auf der Atlas V gestartet werden soll. Im Gegensatz zu SpaceX und Boeing wird SNC nicht das Critical Design Review bei Ende von CCiCap erreichen. Stattdessen fokussiert man sich auf Risikoreduzierung in einigen wichtigen Bereichen. So soll das Rettungssystem vom Dream Chaser einen Hybridmotor benutzen, bei dem noch weitere Vorarbeiten notwendig sind. Des Weiteren braucht man mehr Zeit, um das „grüne“ orbitale Manövriersystem zu entwickeln, welches offenbar keine hochgiftigen Treibstoffe benutzt. Weiter möchte man Windtunneltests und atmosphärische Testflüge machen.
Und das ATK-Konzept mit europäischer Beteiligung?
Der ATK/Astrium-Vorschlag mit der Liberty-Rakete und Orion-Lite wurde nicht ausgewählt. Die Liberty-Rakete benutzt die Ariane-5-Hauptstufe als Oberstufe, hat also signifikanten europäischen Anteil. Die erste Stufe ist ein Feststoffbooster, wie er schon für die eingestellte Ares I vorgesehen war. Orion-Lite ist eine abgespeckte Version der Orionkapsel, welche für die Exploration jenseits des niedrigen Erdorbits eingesetzt werden soll und von Lockheed Martin gebaut wird. Die genauen Kriterien und Bewertungen für die Auswahl sollen in ca. einer Woche veröffentlicht werden, nachdem man den Firmen ein Feedback über ihre Konzepte abgegeben hat.
Wie gehts weiter?
Nach CCiCap soll in der nächsten Phase die Zertifizierung der Systeme durch die NASA erfolgen, worauf die bemannten Flüge zur ISS starten können. Es ist noch nicht klar, wie genau die nächste Phase aussehen soll. Sicher scheint zu sein, dass ab der nächsten Phase der bisherige Ansatz mit den auf Meilenstein basierenden Space Act Agreements (SAA) verlassen und wieder auf feste Verträge zurückgegriffen wird. Ebenfalls nicht klar ist, ob Zertifizierung und ISS-Auftrag zusammen oder nacheinander ausgeschrieben werden.
In den letzten beiden Jahren gab es bereits die CCDev-Phasen eins und zwei (CCDev = Commercial Crew Development), welche z.B. für Boeing und die Sierra Nevada Corp. mit dem Preliminary Design Review geendet haben. Während das Budget von CCDev1 noch ca. 50 Millionen Dollar betrug, war es bei CCDev2 schon fast 300 Millionen. Für die dritte Phase (CCiCap) werden nun etwas über eine Milliarde US-Dollar für 21 Monate bereitgestellt. Beworben hatten sich unter anderem Boeing, SpaceX, Sierra Nevada sowie ATK zusammen mit Astrium und Lockheed Martin. Eine andere Firma, die noch CCDev-Finanzierung erhalten hatte, Blue Origin, hat offenbar keinen Antrag gestellt. Blue Origin ist ein von Amazon-Gründer Jeff Bezos ins Leben gerufenes Raumfahrtunternehmen, über das nur sehr wenig öffentlich bekannt ist, obwohl dort von Bezos sehr viel Geld investiert wird.
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