Den Urknall enträtseln: Sebastian Bramberger erhält Carl-Ramsauer-Preis. Der AEI-Wissenschaftler wird für seine Doktorarbeit ausgezeichnet. Eine Information des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut).
Quelle: Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut).
Die Physikalische Gesellschaft zu Berlin honoriert mit dem Preis Dr. Brambergers ausgezeichnete Dissertation mit dem Titel „Cosmological Singularity Resolution – Classical and Quantum Approaches“. Der mit 1.500 Euro dotierte Preis wird ihm am 18. November 2020 im Magnus-Haus in Berlin verliehen.
„Ich freue mich sehr über diese Anerkennung, denn sie würdigt meine Forschungsarbeit“, sagt Sebastian Bramberger, der am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Potsdam promoviert hat. „An der theoretischen Kosmologie hat mich von Anfang an fasziniert, dass sie sich philosophischen Fragen mit mathematischen Mitteln nähert. Dabei hat mich die Rolle der Quantenmechanik bei der Entstehung des Universums besonders interessiert, und hier hatte ich das Privileg, mit ausgezeichneten Forscherinnen und Forschern zusammenzuarbeiten.“
Brambergers Doktorarbeit befasst sich mit dem wohl größten Rätsel der Kosmologie – dem Urknall. Will man den Ursprung des Universums untersuchen, so steht man vor dem Problem, zwei bislang nicht miteinander vereinbare Theorien gleichzeitig anwenden zu müssen: Die Quantentheorie und Einsteins allgemeine Relativitätstheorie. Denn am Anfang war nach den gängigen Vorstellungen das gesamte Universum auf einen winzigen Punkt konzentriert, aus dem dann mit dem Urknall Materie, Raum und Zeit entstanden und das Universum begann, sich auszudehnen. Das Verhalten von Materie auf winzigen Abständen beschreibt die Quantenmechanik, das der riesigen Massen jedoch die Relativitätstheorie. Beide sind nicht miteinander vereinbar, es kommt zu einer sogenannten „Singularität“, und die Theorie bricht zusammen. „Es ist unklar, wie man diese Singularität überwinden kann. Häufig wird angenommen, dass eine radikal neue Physik notwendig sein wird, um auf diesem Gebiet Fortschritte zu erzielen“, sagt Dr. Jean-Luc Lehners, in dessen Arbeitsgruppe „Theoretische Kosmologie“ Bramberger seine Dissertation angefertigt hat. „Sebastian Bramberger hingegen stellt verschiedene Ansätze vor, die mit kleinstmöglichen Änderungen der bereits bekannten Physik auskommen, und dennoch das Potenzial haben, den Urknall zu erklären.“
„Herr Bramberger hat in seiner Arbeit mehrere bemerkenswerte Resultate erzielt“, erläutert Prof. Hermann Nicolai, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam, der Bramberger ebenfalls betreut hat. „Er hat eine exakte mathematische Lösung der Einsteinschen Relativitätstheorie gefunden, die zeigt, wie sich das Universum auf ein Minimum zusammenziehen kann und sich dann unter Einfluss der Dunklen Energie wieder ausdehnt.“ Bramberger hat auch das Phänomen des Quantentunnelns neu formuliert. Er hat entdeckt, wie man Quantensprünge mathematisch kontinuierlicher beschreiben kann. Diese Methoden erlauben es, neue Lösungen zu finden, in denen das Universum rund um den Urknall herum tunnelt.
Auch die „ewige Inflationstheorie“, eine immer noch rätselhafte Beschreibung des frühen Universums, gemäß der sich ständig neue Universen bilden, hat Bramberger erforscht und sie mathematisch genauer beschrieben. Er hofft nun, im nächsten Schritt eine erste vollkommen quantenmechanische Behandlung der ewigen Inflationstheorie formulieren zu können.
Sebastian Bramberger (geb. 1991) hat an der McGill University in Montreal, Kanada, Physik und Mathematik studiert und dort 2015 den Bachelor of Science abgelegt. Anschließend kam er ans AEI, wo er 2019 in der Arbeitsgruppe „Theoretische Kosmologie“ und der Abteilung „Quantengravitation und Vereinheitlichte Theorien“ mit einem Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes promovierte. Seit Abschluss seiner Dissertation forscht er als Postdoktorand am AEI.
Der Carl-Ramsauer-Preis wird zu Ehren des Experimentalphysikers Carl Ramsauer (1879-1955) von der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin vergeben. Seit 2002 werden jährlich jeweils vier hervorragende Doktorarbeiten in Physik und angrenzenden Gebieten an den Berliner Universitäten und der Universität Potsdam ausgezeichnet.