Universität Wien: Ein Leben nach Mars-Design

Unser Nachbarplanet Mars gilt heute eher als lebensfeindlich, in jüngeren Jahren könnten aber laut wissenschaftlichen Annahmen viel freundlichere Lebensbedingungen vorgeherrscht haben. Um mehr über mögliche biologisch getriebene Prozesse in der Frühzeit des Roten Planeten zu erfahren, hat ein internationales Team um ERC-Preisträgerin Tetyana Milojevic von der Fakultät für Chemie der Universität Wien nun einen experimentellen einzigartigen Prototyp von mikrobiellem Leben auf echtem Marsmaterial entwickelt. Eine Pressemitteilung der Universität Wien.

Quelle: Universität Wien.

Ein einzigartiger Prototyp von mikrobiellem Leben, gezüchtet auf echtem Marsgestein: Das Bild, aufgenommen mit einem Transmissionselektronenmikroskops, zeigt das inhomogene, robuste und grobkörnige Innere von M. sedula, das mit kristallinen Ablagerungen gefüllt ist.
(Bild: Tetyana Milojevic)

Wie die Forscher*innen in der aktuellen Ausgabe von „Nature Communications Earth and Environment“ zeigen, ist dieses Leben nach Mars-Design eine reichhaltige Quelle marsrelevanter Biosignaturen.

„Es gibt Hinweise, dass das Leben auf dem Mars in der geologischen Vergangenheit einmal den Lebensbedingungen auf der Erde ähnelte und – im Gegensatz zu heute – Körper mit Flüssigwasser, wärmere Temperaturen und ein höherer Atmosphärendruck existiert haben“, sagt Astrobiologin Tetyana Milojevic, Leiterin der Weltraumbiochemie Gruppe. Mögliche frühe Lebensformen hätten die vorhandenen Ressourcen des Roten Planeten nutzen können, also z.B. Energie aus anorganischen Mineralquellen gewonnen und CO2 in Biomasse umgewandelt haben.

Marsgestein als Energiequelle für uralte Lebensformen
„Wir können davon ausgehen, dass Lebensformen ähnlich den uns bekannten chemolithotrophen Mikroorganismen, die aus Gesteinen Energie gewinnen können, auf dem jungen Mars existierten“, so Tetyana Milojevic, die jüngst für ihre Forschung zum experimentellen Design von Lebensformen auf Marsmeteoritengesteinen einen ERC Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates erhielt.

Das in der Studie verwendete Meteoritengestein, die noachische Marsbrekzie Nordwestafrika (NWA) 7034, besteht aus alten (rund 4,5 Milliarden Jahren) Krustenmaterialien vom Mars. Der in der Sahara gefundene Meteorit mit Spitznamen „Black Beauty“ bietet der Forschung einzigartiges Material, um mehr über die Vergangenheit des Mars in Erfahrung zu bringen.

Ankunft einer 4,42 Mrd. Jahre alte Probe von „Black Beatuy“ bei der Weltraumbiochemie Arbeitsgruppe der Universität Wien (Milojevic Tetyana (l.), Kölbl Denise) aus Colorado, USA – ein Fragment des Marsmeteoriten NWA 7034, das in der Studie verwendet wurde.
(Bild: Oleksandra Kirpenko)

Exemplar von „Black Beauty“
Falls es Leben auf dem Mars gegeben hat, könnten entsprechende Spuren in Form von Biosignaturen in den Terrains aus der Noachischen Periode (umfasst die ersten Milliarden Jahre des Mars) – aus denen auch NWA 7034 ursprünglich stammt – erhalten geblieben sein. Diese damals feuchten Gebiete mit Mineralquellen könnten etwa von Chemolithotrophen besiedelt worden sein, so die Annahme der Forscher*innen.

Milojevic und ihr Team züchteten sogenannte thermoacidophile Mikroorganismen der Spezies Metallosphaera sedula, uralte Bewohner terrestrischer Thermalquellen, auf Gesteinsproben von NWA 7034. Diese wurde von Kolleg*innen aus Colorado, USA an die Wiener Forscher*innen geliefert: „Wir mussten für unsere Studie ein paar Gramm des kostbaren Marsgesteins zerkleinern, um frühes Leben auf dem Mars nachzubilden“, so Studienautorin Milojevic. „Es hat sich gezeigt, wie eine dunkle feinkörnige Grundmasse von Black Beauty biotransformiert und verwendet wurde, um grundlegende Teile von mikrobiellen Zellen in Form von biomineralen Ablagerungen aufzubauen.“ Unter Verwendung modernster Techniken wurden die einzigartigen mikrobiellen Wechselwirkungen mit der echten Marsbrekzie bis hinunter zur nanoskaligen und atomaren Auflösung untersucht.

Element-Ultrastrukturanalyse von M. sedula Zellen auf der Noachischen Marsbrekzie „Black Beauty“.
(Bild: Tetyana Milojevic)

Metabolische und mineralogische Fingerabdrücke
Die Mikroorganismen produzierten auf dem Krustengestein spezifische mineralogische und metabolische Fingerabdrücke, mit denen sich vermutete Bioalterationsprozesse der Marskruste ableiten lassen. Die Mikroben bildeten robuste Mineralkapseln, die aus Komplexen von Eisen-, Mangan- und Aluminiumphosphaten bestehen. Neben der massiven Verkrustung der Zelloberfläche haben die Forscher*innen in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Zentrum für Elektronenmikroskopie und Nanoanalyse in Graz intrazelluläre Bildung von komplexen kristallinen Ablagerungen (Eisen-, Mangan-Oxide, gemischte Mangan-Silikate) beobachtet.

„Dies sind einzigartige Biomineralisationsmuster auf der Marsbrekzie, die wir zuvor bei der Kultivierung dieser Mikrobe auf terrestrischen Mineralquellen und einem gewöhnlichen Chondritmeteorit nicht beobachtet haben“, so Milojevic. Das betont die Bedeutung von Experimenten an echten Marsmaterialien für marsrelevante astrobiologische Untersuchungen. „Die astrobiologische Forschung mit Black Beauty und anderen ähnlichen ‚Blumen des Universums‘ kann unbezahlbares Wissen für die Analyse der von Marsmissionen mitgebrachten Proben liefern, um deren potenzielle biologische Signaturen (Biogenität) zu bewerten“, schließt Milojevic.

Publikation in Communications Earth & Environment:
Chemolithotrophy on the Noachian Martian breccia NWA 7034 via experimental microbial biotransformation. T. Milojevic, M. Albu, D. Kölbl, G. Kothleitner, R. Bruner, M. Morgan, Nature Communications Earth & Environment (2021),
DOI: 10.1038/s43247-021-00105-x

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