Überraschung im Kuiper-Gürtel

Mit Hilfe des Weltraumteleskops Hubble wurden drei neue Mitglieder des jenseits der Neptun-Bahn gelegenen Kuiper-Gürtels entdeckt – doch die Astronomen hatten mit 60 Neuentdeckungen gerechnet!

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: NASA/G.Bernstein.

Bewegung des bereits vor drei Jahren entdeckten KBO mit dem Namen 2000 FV53 während eines Zeitraums von zwölfeinhalb Stunden.
(Foto: NASA/G.Bernstein)

Während einer fünfzehntägigen Periode im Januar und Februar diesen Jahres suchten Astronomen mit dem Weltraumteleskop Hubble in Richtung des Sternbilds Jungfrau nach kleinen Brocken aus Eis, Staub und Gestein am Rande unseres Sonnensystems. Anschließend scannten zehn Computer die Hubble-Aufnahmen sechs Monate lang nach den gesuchten Himmelskörpern: weniger als 50 Kilometer große Kuiper-Belt Objects (KBOs), Mitglieder des so genannten Kuiper-Gürtels.
Der Kuiper-Gürtel befindet sich zwischen den Umlaufbahnen von Neptun und Pluto – den beiden äußersten Planeten unseres Sonnensystems – und ist eine ringförmige Region, in der Millionen verschieden großer Brocken aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems um die Sonne kreisen (so genannte „Planetesimale“). Er ist nach dem niederländisch-amerikanischen Astronomen Gerard Kuiper benannt, der schon Anfang der 1950er Jahre die Existenz eines solchen Gürtels mit Überresten aus der Entstehungszeit des Sonnensystems vor etwa 4,5 Milliarden Jahren postuliert hat. Allerdings konnte erst im Jahr 1992 das erste KBO entdeckt werden, seitdem sind rund 1.000 solcher Objekte mit erdgebundenen Teleskopen aufgespürt worden. Die Planeten unseres Sonnensystems sind nach heutigem Kenntnisstand durch Zusammenballungen von KBOs entstanden, die ihrerseits aus der scheibenförmigen Staubwolke hervorgegangen sind, die die frühe Sonne umgab.

Die nun von Hubble aufgenommenen drei kleinen KBOs zählen zu den kleinsten und lichtschwächsten Objekten, die bisher von Teleskopen jenseits der Neptun-Umlaufbahn in unserem Sonnensystem beobachtet worden sind. Die Helligkeit der drei zwischen 25 und 45 Kilometer durchmessenden Objekte ist eine Milliarde mal schwächer als der lichtschwächste Stern, den das menschliche Auge am Nachthimmel gerade noch wahrnehmen kann. Doch wenn solche Objekte durch gravitative Störungen aus dem Kuiper-Gürtel ins innere Sonnensystem geworfen werden und der Sonne nahe kommen, sind sie als Kometen, die von einen Schweif aus Wasser, Gasen und Staub eingehüllt sind, teilweise sogar am Tage sichtbar.

Grafische Darstellung des Kuiper-Gürtels. Die Himmelskörper sind nicht maßstabsgerecht, wohl aber die Entfernung der Planeten-Umlaufbahnen zueinander und die Lage des Kuiper-Gürtels.
(Grafik: NASA/A.Feild)

Die von dem Astronomen Gary Bernstein von der University of Pennsylvania veröffentlichte überraschende Entdeckung ist nun aber, dass die zuvor beschriebene Suche mit Hilfe von Hubble trotz der enormen Empfindlichkeit des Teleskops eben nur drei diesen „schmutzigen Eisbrocken“ zutage gefördert hat – drei anstelle von 60 KBOs vergleichbarer Größe, die die Astronomen aufgrund der angenommenen Eigenschaften des Kuiper-Gürtels zu entdecken gehofft hatten. „Die Entdeckung von deutlich weniger Kuiper Belt Objekten als vorhergesagt macht es schwierig zu verstehen, wie so viele Kometen in Erdnähe erscheinen können, da man dachte, dass viele von Ihnen ihren Ursprung im Kuiper-Gürtel haben“, so Bernstein. „Dies ist ein Zeichen dafür, dass die kleineren Planetesimale in den letzten Milliarden Jahren vielleicht durch Kollisionen miteinander zu Staub zerfallen sind.“

Die wissenschaftliche Bedeutung der KBOs liegt in ihrem ungeheuren Alter und der Tatsache, dass sich ihre Zusammensetzung seit der Entstehung des Sonnensystems nicht verändert hat. Außerhalb des Kuiper-Gürtels sind so gut wie alle Planetesimale entweder durch die Planeten absorbiert worden oder durch gravitative Effekte in den interstellaren Raum geschleudert worden, so dass der Kuiper-Gürtel gewissermaßen ein Archiv aus der Frühzeit unseres Planetensystems darstellt. Mittlerweile sehen übrigens viele Astronomen auch Pluto und seinen Mond Charon als sehr große KBOs und nicht als Planet und Mond an.

Warum nun aber so viel weniger KBOs als erwartet bei der Beobachtungskampagne Anfang des Jahres entdeckt worden sind ist nicht sicher. Diese Frage werden erst weitere Beobachtungen des Kuiper-Gürtels klären können, durch die wir dann vielleicht auch neue grundsätzliche Erkenntnisse über die Entstehung von Planetensystemen gewinnen werden.

Nach oben scrollen