Überflutungen und Venustransits

Ein chinesischer Experte sorgte für große Schlagzeilen, als er behauptete, einen Zusammenhang zwischen den Venustransits und Überschwemmungen am Gelben Fluss zu erkennen. Kann dies wirklich stimmen?

Autor: Julian Schlund

Für Astronomen ist der Blick durchs Teleskop auf den Venustransit ein spektakuläres Erlebnis.
(Bild: astronomie.de)

Am 8. Juni 2004 befand sich unser innerer Nachbarplanet Venus direkt zwischen Erde und Sonne. Von der Erde aus betrachtet sah das astronomische Spektakel wie eine Mini-Sonnenfinsternis aus. Vor allem Astronomen verfolgten das sechsstündige Ereignis Venustransit mit großer Begeisterung.

Nach Ansicht eines chinesischen Wissenschaftlers, war der Venusdurchgang sogar noch erstaunlicher. „Nach dem Venustransit besteht nun die Gefahr einer Flutkatastrophe am Gelben Fluss.“, zitierte die chinesische Nachrichtenargentur Xinhua am vergangenen Sonntag den Experten Geng Guoqing. Dieser hatte zuvor durch den Vergleich bis zu 2200 Jahre alter historischer Aufzeichnungen einen Zusammenhang zwischen den Venustransits und Überschwemmungen am Gelben Fluss festgestellt. Er behauptet, daß es eine „freie Wechselbeziehung“ zwischen Venustransits und der Überschwemmung des Gelben Flusses gibt!

Er betrachtete historische Aufzeichnungen, die 2187 Jahre zurückgehen (die Chinesen sind bekannt dafür, dass sie Aufzeichnungen lange behalten!) und hat schließlich herausgefunden, dass Chinas zweitgrößter Strom, der Gelbe Fluss, zu der Zeit überschwemmte, als der Venusdurchgang stattfand. Aber nur, weil zwei Sachen gleichzeitig geschehen, bedeutet dies nicht, dass sie in Verbindung zueinander stehen müssen! Ist Gengs Behauptung also sinnvoll?

Eher nicht! Auf der einen Seite wird überschwemmt der Gelbe Fluss die ganze Zeit. Man nennt ihn wohl nicht umsonst auch die „Sorge Chinas“! Nach der „Gelben Fluss-Überschwemmungseite“ gab es dort seit 602 v. Chr. über 1500 Überschwemmungen. Das ist viel, durchschnittlich über ein Mal in zwei Jahren! Die Seite erklärt auch, dass die Hauptfluten 1194, 1642, 1855 A.D. geschahen; in keinem dieser Jahre gab es einen Venustransit.

Der Venusdurchgang soll laut Gengs Behauptung die Erde beeinflussen.
(Bild: astronomie.de)

Man muss seine Behauptung jedoch sehr skeptisch betrachten:

Außerdem treten, entsprechend dieser Seite, mehr als 70% der Fluten zwischen Juli und August auf. Aufgrund der Umlaufbahnen der Erde und der Venus können Venustransits nur von Ende Mai bis Anfang Juni sowie Ende November bis Anfang Dezember auftreten.

Das andere „Problem“: Was könnte Venus tun, um solch eine Flut zu verursachen?

Kurz zusammengefasst: Nicht viel! In den Newsartikeln spekuliert Geng, dass Venus, die die Strahlung der Sonne blockiert, den Fluss möglicherweise irgendwie beeinflussen könnte. Folgendes spricht jedoch dagegen: Während eines Transits, blockt die Venus ungefähr 0.1% des Sonnenlichtes. Die ist eine winzig kleine Menge. Von Wolken alleine wird viel mehr Licht aufgehalten!

Seltsam ist auch, dass wir keine Wechselbeziehung zwischen Sonnenfinsternissen (ausgelöst durch den Mond) und Überflutungen bemerken. Niemand hat je darüber berichtet. Aber möglicherweise dauern Sonnenfinsternisse nicht lang genug, um soche Wechselbeziehungen zu erkennen! Ein weiterer Widerspruch: Jede Nacht blockiert der Großteil der Erde selbst 100% des Sonnenlichts, und der Gelbe Fluss überschwemmt definitiv nicht jede Nacht.

Die letzte mögliche Erkärung ist die Schwerkraft! Schließlich muss die Venus während einem Durchgang möglichst nahe an der Erde sein, da sie sich zwischen uns und der Sonne befindet. Tatsächlich beträgt die kürzeste Entfernung der Venus zur Erde während eines Venustransits nur ungefähr 40 Millionen Kilometer. Jedoch ist unser Nachbarplanet dann immernoch ziemlich weit weg, um unseren Planeten Erde durch die geringe Schwerkraft zu beeinflussen. . Diese ist nur 0.006 Mal so groß wie die des Mondes, also ein unglaublich kleiner Effekt, der keine realen messbaren Änderungen hier auf unserem Heimatplaneten verursachen kann.

Fazit: Überschwemmungen am Gelben Fluss geschehen so oft, während Venustransits verhältnismäßig selten sind. Hinzuzufügen ist, dass es keine eindeutige Methode gibt, wie die Venus solch ein Ereignis auf der Erde verursachen kann. Die Hypothese des chinesischen Experten Geng Guoqing, dass die Venustransits in Wechselbeziehung mit Überflutungen an Chinas zweitgrößtem Strom stehen, ist demnach mehr als fraglich und scheint in keinster Weise überzeugend vertretbar zu sein.

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