Am 30. April endete die Mission der Raumsonde MESSENGER, die mehrere Jahre lang den Planeten Merkur erforscht hatte. Während dieser Zeit konnten zahlreiche neue Erkenntnisse über den sonnennächsten Planeten gewonnen werden.
Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: JHU/APL, ESA, DLR.
Vor fast elf Jahren, am 3. August 2004, startete am Weltraumbahnhof in Cape Canaveral eine Delta II-Rakete. Bei ihrer Nutzlast handelte es sich um eine Raumsonde der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA mit einer Masse von etwa einer Tonne: MESSENGER (Mercury Surface, Space Environment, Geochemistry and Ranging). Ihr Ziel war Merkur, der sonnennächste Planet unseres Sonnensystems. Bei ihm handelt es sich um einen Gesteinsplaneten, der den extremen Bedingungen in der Nähe der Sonne ausgesetzt ist, nämlich hohen Temperaturen und starker Strahlung. Um sich hiervor zu schützen, verfügte MESSENGER über einen Sonnenschild mit dem Abmessungen 2 x 2,5 Metern, lediglich die Solarzellen und der Ausleger des Magnetometers ragten heraus. Die Sonde selbst verfügte neben den für Raumsonden üblichen Komponenten wie Kommunikationssystemen, einem Antrieb oder der Steuerelektronik über insgesamt sieben verschiedene wissenschaftliche Instrumente, um den Planeten näher zu erforschen:
– Mercury Dual Imaging System (MDIS): Hierbei handelte es sich um eine Weitwinkel- und Schmalwinkelkamera, mit der Nahaufnahmen einzelner, interessanter Gebiete und Stereobilder für eine topografische Erfassung der Oberfläche im sichtbarem Licht gemacht werden sollten. – Gamma-Ray and Neutron Spectrometer (GRNS): Mit diesem Instrument sollte die chemische Zusammensetzung des Merkur bestimmt werden. Dazu verfügte es über zwei Spektrometer, das eine erfasste Gammastrahlung, das andere Niedrigenergie-Neutronen.
– Magnetometer (MAG): Dieses Instrument war auf einem Ausleger angebracht, damit keine Störungen durch das Magnetfeld der Sonde auftreten. Mit ihm sollte die Magnetosphere des Merkur vermessen werden. – Mercury Laser Altimeter (MLA): Das MLA sollte Laserpulse aussenden, aus deren Laufzeit sich dann Rückschlüsse auf die Topografie der Oberfläche ergeben sollten. – Mercury Atmospheric and Surface Composition Spectrometer (MASCS): Mit diesem Spektrometer sollte die Zusammensetzung der Merkur-Atmosphäre analysiert werden. – Energetic Particle and Plasma Spectrometer (EPPS): Mit diesem Instrument sollte die Verteilung und Beschaffenheit von geladenen Teilchen in der Atmosphäre erforscht werden. – X-Ray Spectrometer (XRS): Elemente auf der Oberfläche des Merkur können durch die Strahlung der Sonne angeregt und dabei Röntgenstrahlung aussenden. Diese Röntgenstrahlung kann von XRS aufgespürt werden, wodurch erneut die chemische Zusammensetzung des Planeten genauer untersucht werden sollte. Daneben konnte noch die Kommunikationsantenne an Bord dazu verwendet werden, um mithilfe des Dopplereffekts auf minimale Geschwindigkeitsveränderungen der Sonde und so auf die Verteilung der Masse des Planeten zu schließen.
Nach dem Start wurde 2005 ein Swingby an der Erde durchgeführt, um Schwung für die Reise zum Merkur zu holen. Es folgten zwei Flybys an der Venus 2006 und 2007, während denen auch das erste Mal während des Fluges die Instrumente von MESSENGER aktiviert wurden. Dann, am 14. Januar 2008, erreichte die Raumsonde zum ersten Mal den Merkur. Dieses Mal flog sie noch an ihm mit einem Abstand von etwa 200 km vorbei, genauso wie im Oktober 2008 und im September 2009. Bei diesen Swing-Bys wurden nicht nur die Geschwindigkeit von MESSENGER abgebaut, sondern auch erste Messungen durchgeführt und die Oberfläche teilweise kartographiert. Lediglich bei dem letzten Swing-By konnten keine Daten gesammelt werden, weil die Sonde sich unerwartet in den abgesicherten Modus schaltete. Knapp zwei Jahre später, am 18. März 2011, war es dann soweit: MESSENGER zündete sein Haupttriebwerk. Durch diese Geschwindigkeitsänderung um 862,4 m/s gelang es der Raumsonde, in eine Umlaufbahn um den Merkur einzuschwenken. Im April begann dann die erste wissenschaftliche Untersuchungskampagne, die zunächst ein Jahr dauern sollte. Im März 2012 und 2013 wurde diese bis zum März 2015 verlängert.
Nach dieser äußerst erfolgreichen Mission stand diesen April das Ende bevor: Die Raumsonde sollte auf dem Merkur einschlagen. Mit den letzten Tropfen Treibstoff wurde die Umlaufbahn in insgesamt sieben Manövern ein letztes Mal angehoben. Nachdem das Hydrazin aufgebraucht war, begann man bei den letzten vier Manövern, stattdessen den Heliumvorrat zu verwenden. Die letzte dieser Bahnanhebungen wurde am 28. April durchgeführt. Da diese letzten Orbits nur noch in geringer Höhe (5 bis 35 Kilometer) über der Oberfläche stattfanden, gelang es den Wissenschaftlern, noch ein paar letzte Nahaufnahmen von Merkur zu machen. Allen Bemühungen zum Trotz war es dann in den Abendstunden des 30. Aprils soweit: Durch die Schwerkraft der Sonne wurde MESSENGERs Umlaufbahn so stark gestört, dass die Raumsonde planmäßig mit einer Geschwindigkeit von 3, 91 km/s auf die Oberfläche des Planeten stürzte, den sie so lange umrundet hatte. Dieser Einschlag fand auf der sonnenabgewandten Seite des Merkur statt, vermutlich entstand bei dem Aufprall ein neuer Krater mit einem Durchmesser von etwa 16 Metern.
Wegen der harschen Bedingungen in seiner Nähe stattete neben MESSENGER bisher nur eine andere Raumsonde Merkur einen Besuch ab: Mariner 10 1974. Anders als MESSENGER schwenkte diese nicht in eine Umlaufbahn um den Planeten ein, sondern flog nur dreimal an ihm vorbei. Dabei konnten lediglich 45 % seiner gesamten Oberfläche fotografiert werden. Auch eine Erforschung durch erdgebundene Teleskope gestaltet sich als schwierig. MESSENGER gelang es dagegen während seiner Mission, die gesamte Oberfläche des Merkur zu kartographieren. Fast 256.000 Bilder wurden zur Erde gesendet, zehn Terrabyte Daten gesammelt. Auch wurden Ende 2013 die beiden Kometen ISON und Encke vom Merkurorbit heraus beobachtet. Darüber hinaus gelang es MESSENGER, zahlreiche neue Erkenntnisse über den Merkur zu gewinnen:
Vulkanismus: Bisher ist man davon ausgegangen, dass Merkur wegen seiner geringen Größe geologisch weitgehend inaktiv war. Durch MESSENGER kam man nun zu einem anderen Schluss: XRS fand große Mengen Schwefel auf der Oberfläche, größtenteils auf der Nordhalbkugel. Auch konnten auf Bildern Gebiete erkannt werden, die offensichtlich durch vulkanische Aktivität geprägt wurden. Dort fanden sich große, glatte Flächen und sogar Vulkankrater. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass Merkur über einen außergewöhnlich großen und dichten Kern aus Nickel und Eisen verfügt. Darüber existiert eine dünne Gesteinskruste. Da sich der Kern im Inneren des Planeten abkühlt und sich so zusammenzieht, „schrumpft“ Merkur jährlich um einige Kilometer.
Eis in Kratern: An dem Nordpol finden sich zahlreiche Krater, in die nie ein Sonnenstrahl trifft. Bereits bei ihrer Entdeckung wurde vermutet, dass sie aufgrund der Kälte in ihrem Inneren Wassereis enthalten könnten. Inzwischen gilt diese Theorie als bestätigt: Das Arecibo-Radioteleskop und das MLA-Instrument hat in den Kratern reflexierende Flächen ausfindig gemacht, mit dem GNRS konnte überschüssiger Wasserstoff in den Kratern gemessen werden und die Temperaturen sind niedrig genug. Über den Eisschichten existiert eine 10 bis 20 cm dicke Schicht aus dunklen, organischen Materialien, die das Eis isolieren. Sie ist wahrscheinlich durch Einschläge von Kometen und Asteroiden entstanden. Auch glaubt man mittlerweile, optische Aufnahmen des Wassereises gemacht zu haben. Insgesamt existieren wohl einer bis 100 Milliarden Kubikmeter Wassereis auf dem Merkur.
Magnetfeld: Bereits in den 70ern wies Mariner 10 ein Magnetfeld auf dem Merkur nach, das etwa ein Prozent der Stärke des Erdmagnetfelds besaß. Ungewöhnlich ist es, dass dieses Magnetfeld asymmetrisch ist: Es ist auf der Südhalbkugel wesentlich stärker als auf der Nordhalbkugel. Da ein Magnetfeld für gewöhnlich durch Zirkulationen geschmolzener Materialien in einem Metallkern entstehen, müsste Merkurs Magnetfeld wesentlich stärker sein. Der Ursprung von Merkurs Magnetfeld ist also weiterhin unklar, genauso wie für seine Asymmetrie.
MESSENGER wird nicht die letzte Mission zum Merkur darstellen: Es wird bereits an einer weiteren Raumsonde zu dem sonnennächsten Planeten gearbeitet, BepiColombo. Diese wird nicht mehr nur aus einer Raumsonde, sondern gleich aus zwei Orbitern und einer Transferstufe bestehen. Beide Orbiter werden auf der Transferstufe, die über einen chemischen und einen solar-elektrischen Antrieb verfügt, angebracht sein: Oben unter einem Sonnenschild der MMO-Magnetosphärenorbiter (Mercury Magnetospheric Orbiter, drallstabilisiert, Kaltgastriebwerke), darunter der MPO-Fernerkundungsorbiter (Mercury Planetary Orbiter, dreiachsenstabilisiert, Hydrazinantrieb). Die Transferstufe und der MPO werden von der europäischen Raumfahrtagentur ESA gebaut, der MMO von der japanischen JAXA. Nach mehreren Vorbeiflügen an der Erde, der Venus und dem Merkur wird die Transferstufe abgeworfen und beide Orbiter schwenken mithilfe ihres eigenen Antriebs in eine Merkurumlaufbahn ein. 2017 soll die Raumsonde auf einer Ariane 5-Rakete starten, 2024 sollen die Orbiter in den Orbit einschwenken. Wer weiß, vielleicht finden sie sogar den Einschlagskrater von MESSENGER?
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