Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA hat heute folgende Presseinformation veröffentlicht.
Ein Beitrag von Dominik Mayer. Quelle: ESA.
Gedenkfeiern
Gestern, am 4. Februar, fand im Johnson Space Center der NASA eine Trauerfeier statt, an der US-Präsident George W. Bush, die Angehörigen der beim „Columbia“-Absturz ums Leben gekommenen sieben Astronauten, zahlreiche Persönlichkeiten sowie Vertreter der internationalen Partner der NASA teilgenommen haben. Für die ESA waren der Leiter des Europäischen Astronautenzentrums, mehrere Astronauten, Vertreter des ESA-Büros in Houston und für Nutzlasten der Mission STS-107 verantwortliche ESA-Bedienstete anwesend.
Am Donnerstag, den 6. Februar, findet in der National Cathedral in Washington D.C. ein Gedenkgottesdienst statt, dem Vertreter der internationalen Partner bei der ISS und anderen Weltraumprogrammen sowie hochrangige Repräsentanten mehrerer europäischer Regierungen beiwohnen werden. Die ESA wird bei diesem Gottesdienst von ihrem Generaldirektor, Antonio Rodotà, und ihrem Direktor für Bemannte Raumfahrt, Jörg Feustel-Büechl, vertreten.
Neuester Stand der technischen Ermittlungen
Der Direktor des Raumtransporterprogramms der NASA, Ron Dittemore, gab auf einer Pressekonferenz folgende Einzelheiten zur Rekonstruktion der letzten Flugminuten der „Columbia“ bekannt:
Um 14.52 Uhr MEZ zeigten drei Temperatursensoren in der Bremsdruckleitung des linken Fahrwerks einen ungewöhnlichen Temperaturanstieg im linken Fahrwerkschacht an (zu diesem Zeitpunkt näherte sich die Raumfähre der kalifornischen Küste).
Um 14.53 Uhr MEZ zeigte ein vierter Temperatursensor in der Bremsdruckleitung der linken Fahrwerksstrebe über einen Zeitraum von fünf Minuten einen Temperaturanstieg um 17 bis 22° C an (die „Columbia“ befand sich über Kalifornien).
Um 14.55 Uhr MEZ zeigte ein fünfter Temperatursensor in der Bremsdruckleitung des linken Fahrwerks einen starken Temperaturanstieg an.
Um 14.57 Uhr MEZ fielen die Temperatursensoren der linken Tragfläche aus, so daß am Boden keine Daten mehr empfangen wurden (die „Columbia“ befand sich zu diesem Zeitpunkt über Arizona).
Um 14.59 Uhr MEZ schließlich, unmittelbar vor Abbruch des Funkkontakts zur Raumfähre, wurde verstärkter Luftwiderstand an der linken Tragfläche registriert, worauf zwei von vier Gier-Steuerungsdüsen auf dieser Seite rund 1,5 Sekunden lang zündeten, um den erhöhten Widerstand auszugleichen. Die „Columbia“ war nach wie vor unter Kontrolle, doch änderten sich die Bahnparameter rascher, als normalerweise zu erwarten war.
Dittemore gab ferner bekannt, daß es noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde, bis die nach Abbruch des Funkkontakts von den Bodencomputern aufgezeichneten Daten weiterer 32 Sekunden ausgewertet und auf ihre Relevanz für die Ermittlungen überprüft sind.
Das Stück Hartschaumisolierung, das sich rund 80 Sekunden nach dem Start vom Außentank gelöst hatte, maß nach den Worten Dittemores etwa 40 cm x 50 cm x 15 cm und dürfte 1,2 kg gewogen haben.
Die Ermittlungen stützen sich nicht nur auf die Bilder von der Mission STS-107, sondern auch auf Aufnahmen eines ähnlichen Zwischenfalls beim Flug der Raumfähre „Atlantis“ im Oktober 2002 (STS-112), bei dem die Mannschaft die Trennung des Außentanks von der Fähre beim Start gefilmt hatte. Damals war man zu dem Schluß gelangt, daß das losgelöste Teil keine Gefahr für die Sicherheit von Mannschaft und Fähre darstellte. Diese Analysen werden nun weitergeführt, um herauszufinden, ob und inwieweit der Zwischenfall möglicherweise zu der Katastrophe beigetragen hat.
Unterdessen geht die Sammlung und Zusammenstellung der Trümmerteile der „Columbia“ weiter, wobei den Teilen, die Daten und Aufzeichnungen enthalten, besondere Aufmerksamkeit zukommt. Jedes Teil wird auf nützliche Hinweise untersucht.
Darüber hinaus führt die NASA eine Reihe von Untersuchungen durch, um die genaue Unglücksursache zu ermitteln. Dabei wird abgeschätzt, in welchem Umfang eine Tragfläche beschädigt sein muß, damit die beim Wiedereintritt der „Columbia“ festgestellten asymmetrischen Luftwiderstandswerte auftreten. Auch soll festgestellt werden, bei wieviel Hitzeschutzverlust eine Raumfähre schrittweise auseinanderbricht, wie es bei der „Columbia“ der Fall war.
Stand der ISS und kurzfristige Planung
Die NASA und ihre internationalen Partner bei der ISS haben bereits erste Besprechungen zur Beurteilung des Stands der ISS und der weiteren Planung abgehalten.
Die Bordmannschaft setzt ihre Arbeit planmäßig fort und entlädt zur Zeit den Progress-Frachter, der wie vorgesehen gestern, am 4. Februar, um 15.49 Uhr MEZ erfolgreich an die Station angedockt hat.
Sämtliche Partner wollen sicherstellen, daß die ISS ständig besetzt bleibt. Es werden verschiedene Vorschläge und Optionen im Hinblick auf die bestmögliche Versorgung der Station mit Sojus- und Progress-Fahrzeugen erörtert. Dabei spielen auch die für April und Oktober dieses Jahres geplanten Flüge zur Auswechslung der Sojus-Kapseln mit Beteiligung von ESA-Astronauten eine Rolle.
Europäische Wissenschaftsdaten der Mission STS-107
In ersten Stellungnahmen haben die Betriebs- und Wissenschaftsteams für die drei ESA-Instrumente, deren Telemetrie- und Videodaten vollständig empfangen werden konnten, ihre große Trauer über das tragische Ende der Mission STS-107 bekundet. Gleichzeitig brachten sie ihre Zufriedenheit mit den wissenschaftlichen Daten zum Ausdruck, die der ausgezeichneten Arbeit der Mannschaft zu verdanken seien.
Die Anlage für Adsorptions- und Oberflächenspannungsmessungen (FAST), die erstmals während der Mission STS-95 im Oktober 1998 (bei der der Veteran der US-Astronauten, John Glenn, und ESA-Astronaut Pedro Duque dabei waren) mitgeführt wurde, hat hervorragend funktioniert. Mit ihr wurden drei Experimente in Folge für ein deutsches und zwei italienische Experimentatorenteams durchgeführt.
Die Einrichtung „Com2Plex“ bestand aus drei Kreislauf-Wärmerohren, die von drei Unternehmen aus Belgien, Frankreich und Deutschland beigestellt worden waren. Die empfangenen detaillierten Daten lassen erhebliche Verbesserungen der Wärmetransportfähigkeit erkennen.
Für alle sieben Flugexperimente mit dem Verbesserten Atmungsüberwachungssystem (ARMS), die für Experimentatorenteams aus Dänemark, Deutschland, Italien und Schweden durchgeführt wurden, liegen exzellente Daten vor.