Ein mit Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllter See auf dem Saturnmond Titan scheint sich auf die gleiche Weise gebildet zu haben wie die Etosha-Pfanne im südlichen Afrika.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, JPL.
Auf der Oberfläche des Mondes Titan, dem größten der 62 bisher bekannten Saturnmonde, konnten Planetologen in den letzten Jahren etwa 400 Seen identifizieren, welche sich hauptsächlich auf der nördlichen Hemisphäre des Mondes befinden. Im Gegensatz zu den Gewässern auf der Erde sind diese Titanseen allerdings nicht mit Wasser, sondern vielmehr mit flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen, speziell mit Ethan, Propan und Methan, gefüllt.
Bei dem Ontario Lacus handelt es sich um einen in der Südpolregion des Titan gelegenen See, welcher über eine Fläche von etwa 15.000 Quadratkilometern verfügt. Der See befindet sich im Inneren eines flachen Beckens, welches von mehreren kleineren Gebirgszügen begrenzt wird.
Im Vergleich mit irdischen Gewässern ähnlicher Ausdehnung scheint der Ontario Lacus allerdings auffallend seicht auszufallen. Verschiedene Abtastungen mit dem RADAR-Instrument an Bord der Saturnsonde Cassini, welche im Juli 2009 und im Januar 2010 erfolgten, ergaben eine durchschnittliche Tiefe des Sees von lediglich 0,4 bis 3,2 Metern bei einer Maximaltiefe von 2,9 bis 7,4 Metern. Dies führt zu einem geschätzten Volumen von etwa 7 bis 50 Kubikkilometern, weniger als ein Dreißigstel des in Nordamerika gelegenen Ontariosees, dem Namensgeber des Ontario Lacus.
Ein Team um Thomas Cornet von der Universität Nantes/Frankreich wertete jetzt weitere Radar-, Spektrometer- und Bilddaten des Ontario Lacus aus, welche bei mehreren Titan-Vorbeiflügen der Raumsonde Cassini gesammelt wurden. Dabei entdeckten die Wissenschaftler im südlichen Bereich des Sees deutliche Hinweise auf mehrere Kanäle, welche über dessen Boden verlaufen.
„Aus diesen Beobachtungen schlussfolgern wir, dass in diesem Bereich des Sees der feste Boden des Ontario Lacus offenbar frei liegt“, so Thomas Cornet. Des Weiteren entdeckten die Wissenschaftler in der Umgebung von Ontario Lacus die Sedimente früherer Küstenlinien – ein Hinweis darauf, dass der Flüssigkeitsstand des Sees in der Vergangenheit höher als zum Zeitpunkt der Aufnahmen ausgefallen sein muss.
Die Wissenschaftler schließen aus diesen Beobachtungen, dass sich der „Wasser“-Spiegel des Ontario Lacus abhängig von dem „Grundwasser“-spiegel hebt und senkt. Solche Veränderungen des Wasserstandes können auch bei verschiedenen irdischen Gewässern beobachtet werden.
Am ehesten, so die Wissenschaftler, ist der Ontario Lacus dabei mit der Etosha-Pfanne im nördlichen Namibia vergleichbar – einer flachen Senke, welche sich nur bei starken Regenfällen aufgrund eines Anstieges des Grundwasserspiegels mit Wasser füllt.
Wie die Etosha-Pfanne in Namibia, so das Team um Thomas Cornet, hat sich auch der Ontario Lacus somit vermutlich durch die langfristige Erosion einer oberflächennahen Schicht aus leicht löslichen Mineralien gebildet. Die immer wieder aus dem Untergrund aufsteigende Flüssigkeit hat diese Mineralien im Laufe der Zeit ausgewaschen und so zur Entstehung der flachen Senke geführt, welche jetzt mit flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllt wird.
„Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der vergleichenden Planetologie in der modernen Planetenforschung“, so Nicolas Altobelli, ESA-Projektwissenschaftler der Cassini-Huygens-Mission. „Die Suche nach [von der Erde her] vertrauten geologischen Besonderheiten auf fremde Welten wie Titan erlaubt es uns dabei, die Theorien zur Erklärung ihrer Entstehung zu überprüfen.“
Die hier vorgestellte Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Icarus publiziert.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.
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- Abstract des Fachartikels (engl.)