Titan im Radar und erstmals Enceladus

Cassini hatte eine geschäftige Woche, in der sie am Titan und erstmals an Enceladus vorbei flog und neue Bilder dieser beiden Saturnmonde zur Erde sandte.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA/JPL/Space Science Institute.

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Radarstreifen vom Oktober 2004 (oben) und Februar 2005 (unten).
(Bild: NASA/JPL)

Bekanntes und Neues vom Titan
Beim dritten Titan-Vorbeiflug am 15. Februar stand diesmal das Radar-Instrument im Vordergrund, das wie schon im Oktober 2004 beim Flug über die Oberfläche in 1.577 Kilometer Höhe die undurchsichtige Atmosphäre durchdrang und einen langen, schmalen Streifen der Oberfläche erfassen konnte. Einige Strukturen wirken schon vertraut, andere noch neu und fremd. Bei diesem Vorbeiflug erfassten erstmals das Radar und die Kameras teilweise die selben Gebiete, wovon sich die Wissenschaftler zusätzliche Erkenntnisse über die wahre Gestalt der Oberfläche erhoffen.

Die neuesten veröffentlichten Radarbilder zeigen einen Krater, Kanäle und Gelände ähnlich dem, in dem Huygens am 14. Januar landete.

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60-km-Krater auf dem Titan (Radar)
(Bild: NASA/JPL)

Der neu entdeckte Krater hat etwa 60 Kilometer Durchmesser. „Das Erscheinungsbild dieses Kraters und der im Radar extrem helle, demnach wohl sehr raue Teppich von umgebendem Material lässt darauf schließen, dass er durch einen Einschlag verursacht wurde“, sagte Dr. Jonathan Lunine, ein interdisziplinärer Cassini-Wissenschaftler von der Universität von Arizona.

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Der 440-km-Krater „Circus Maximus“ auf dem Titan im Radar (zum Vergrößern anklicken). Die „Sägezahnlinien“ stammen von Radareffekten.
(Bild: NASA/JPL)

Bereits vor einigen Tagen veröffentlichte das Radar-Team ein Bild von einem gigantischen Einschlagskrater von 440 Kilometer Durchmesser, den es „Circus Maximus“ nannte. Aus der Größe dieses Kraters schätzen Wissenschaftler, dass er durch einen Komet oder Asteroid von etwa 5 bis 10 Kilometern Größe verursacht wurde, der in die Oberfläche des Titan rammte. Bei dieser Größe wäre erfahrungsgemäß mit einem zentralen Berg im Krater zu rechnen gewesen. Dass er hier fehlt, lässt vermuten, dass er im Laufe der Zeit durch Regen und Wind weg erodiert wurde oder durch andere Einflüsse verschwunden ist.

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Die „Krallenspuren“ im Radar (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: NASA/JPL)

Östlich von „Circus Maximus“ zeigen sich Kanäle, die sich hell abheben (die „Farben“ eines Radarbildes lassen keinen Rückschluss zu auf die tatsächlichen Farben einer Oberfläche – die Kanäle können in Wahrheit tiefschwarz sein). Der längste Kanal ist etwa 200 Kilometer lang. Die Kanäle scheinen von den Hängen des Kraters abzufließen. Die Flüssigkeit war sehr wahrscheinlich Methan, bedenkt man die extrem kalten Temperaturen auf der Titanoberfläche.

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Kanäle an den Hängen des großen Kraters (Radar).
(Bild: NASA/JPL)

Ein weiteres Bild zeigt ein Gebiet, das an die schuttbeladenen Ebenen in der Region erinnert, wo Huygens landete.

Ganz neu sind hingegen die so genannten „Krallenspuren“. Es handelt sich dabei um lange, weitgehend parallel verlaufende und überraschend scharf ausgebildete Strukturen. Deren ungewöhnliche Erscheinung, die so noch auf keinem anderen Mond beobachtet wurden – sie wirken, als seien sie von den Krallen einer Katze gezogen worden – ist sehr interessant, und es wird bereits diskutiert, ob sie durch Wind geformt wurden, wie Dünen, oder vielmehr durch geologische Prozesse.

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Die strahlend weißen Runzeln von Enceladus (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Enceladus‘ glatte Ebenen – gar nicht so glatt
Gerade mal einen Tag nach dem Titan-Vorbeiflug wandte sich Cassini Enceladus zu, einer faszinierenden Eiswelt. Die Raumsonde flog in nur 1.180 Kilometer Höhe über des Mondes strahlend weiße Oberfläche, und weil diese Oberfläche die hellste im ganzen Sonnensystem ist und der Mond auch nicht die Spur einer Atmosphäre hat, blieb der Sonde nichts verborgen – ein Fest für die Kameras.

Enceladus hat einen Durchmesser von 505 Kilometern, ist also nicht viel größer als der eben beschriebene Krater „Circus Maximus“ auf dem Titan.

Seit die Voyager-Sonden 1980 und 1981 in deutlich größerer Entfernung an Enceladus vorbei flogen, haben sich Planetenwissenschaftler für des Mondes runzliges Terrain und glatte Ebenen interessiert, von denen einige relativ frei von Einschlagskratern zu sein schienen. Glatte, kraterfreie Oberflächen deuten auf geologisch geringes Alter hin, und Runzeln sind oft Zeichen von tektonischer Aktivität oder von Vulkanismus.
Cassini hat diese Gebiete nun mit einer zehnmal besseren Auflösung als damals Voyager beobachtet“, sagte Dr. Carolyn Porco, die ihre Karriere einst im Voyager-Projekt begann und heute Leiterin des Cassini-Bildteams am Space Science Institute ist. „Interessanterweise hat die eisige Oberfläche von Enceladus Ähnlichkeiten sowohl mit Europa als auch mit Ganymed – bekannte Monde von Jupiter. Sowohl bei Europa als auch bei Ganymed denkt man, dass sie Schichten von flüssigem Wasser, vielleicht ‚Ozeane‘ unter der Oberfläche haben könnten, das macht die Ähnlichkeiten mit Enceladus ziemlich spannend.“

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Mosaik mehrerer Einzelaufnahmen von Enceladus‘ komplexer Oberfläche (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Besonders spektakulär ist ein Mosaik aus vier hoch aufgelösten Bildern. Es umfasst ein Gebiet von etwa 300 Kilometern und zeigt die Myriaden von Verwerfungen, Brüchen, Falten, Rinnen und Kratern, die diesen Mond für Planetenwissenschaftler so interessant machen. Die Voyager-Bilder hatten schon einen Hinweis auf eine tektonisch beeinflusste Oberfläche gegeben, und spätere Bilder von anderen Eismonden hatten die vielen verschiedenen Wege enthüllt, wie tektonische Spannungen sich an der Oberflächenkruste von Eismonden austoben können. Jetzt existieren auch von Enceladus detaillierte Bilder. Sie zeigen bekannte Strukturen, aber auch ganz neue, und die Arbeit, die Rätsel ihrer Entstehung zu lösen, hat gerade erst begonnen.
Die Ebenen, die hier zu sehen sind, waren zu Zeiten von Voyager „glatte Ebenen“ genannt worden, weil sie scheinbar nur wenige topografische Reliefs boten. Nun, in der zehnmal höheren Auflösung der Cassini-Bilder, ist zu erkennen, dass diese Ebenen eigentlich sehr komplizierte Strukturen voller Risse und Falten und neu gebildetem Terrain beinhalten, und in manchen Fällen auch überraschend große Strukturen.
So erstreckt sich von der oberen Mitte des Mosaiks aus über Hunderte von Kilometern ein breiter Gürtel von ineinander verwobenen Verwerfungen. Ein fünf Kilometer breiter Riss durchschneidet diesen Gürtel und läuft in verschiedene älter wirkende Regionen oder „Zellen“ von Gelände aus, die ihrerseits zahlreiche Muster enthüllen.

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Dunkle Flecken bei den Rissen (zum Vergrößern anklicken). (Bild: NASA/JPL/SSI)

Weil Cassini sehr schnell an Enceladus vorbei flog, stammt das Teilbild oben rechts aus einer etwas anderen Perspektive und wurde daher mit weißen Linien abgegrenzt. Der Abstand von dem Mond betrug während dieser Aufnahmen zwischen 17.434 und 26.140 Kilometern, die Auflösung rangiert zwischen 150 Meter pro Pixel im linken und 105 Meter pro Pixel im rechten Bild. Das Bild wurde kontrastverstärkt, um die Sichtbarkeit zu erhöhen.

Eine weitere, hochauflösende Detailansicht zeigt ein komplexes System aus relativ frischen Rissen und älteren Falten. Besonders interessant sind in diesem Bild Serien von kleinen, dunklen Flecken, die an manchen Stellen zu sehen sind und in Form von Ketten parallel zu manchen Rissen zu liegen scheinen. Bisher existiert noch keine Vermutung, worum es sich bei diesen Flecken handeln könnte.

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Falschfarbenbild (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: NASA/JPL/SSI)

Ein Bild mit absichtlich übermäßig verstärkten Farben der Gesamtansicht von Enceladus zeigt, dass manche große Strukturen des Eismondes eine von der Umgebung leicht verschiedene Farbe haben, die hier hellblau erscheint. Verschiedene Arten von Eis können verursacht sein durch unterschiedliche Zusammensetzung des Eises oder andere Kristallgrößen, was wiederum auf unterschiedliche Entstehungsmechanismen oder unterschiedliches Alter hindeuten könnte.

Ein vorläufiges Ergebnis der Beobachtung mit dem Visuellen und Infrarot-Spektrometer (VIMS) der Raumsonde zeigt, dass die Oberfläche von Enceladus aus purem Eis besteht, ohne dass noch weitere Komponenten entdeckt wurden. Man hatte mit Ammoniak, Kohlendioxid oder ähnlichen Komponenten gerechnet, aber die Messungen zeigen nichts davon an. Genauere Analyse mag vielleicht noch andere Elemente finden, aber wenn, dann nur in Spuren. „Die Spektra sehen aus wie die von laborfabriziertem Wassereis, demnach muss dieses Eis sehr rein sein“, sagte Dr. Roger N. Clark, Mitglied des Cassini-Wissenschaftsteams vom U.S. Geological Survey.
Der nächste Vorbeiflug an Enceladus ist am 9. März, also schon in zweieinhalb Wochen, und Cassini wird sich dem Mond dann bis auf 500 Kilometer nähern, mehr als doppelt so nahe wie diesmal.

Am Titan wird die Raumsonde noch mehr als 40mal vorbei fliegen. Wie neulich zu lesen war, ist die detaillierte Vorausplanung der gesamten Saturn-Tour während der Primärmission nach zwei Jahren und neun Monaten Arbeit mittlerweile abgeschlossen, bis hinunter auf die Ebene einzelner Kommandos. Die Primärmission läuft bis 2008 und umfasst insgesamt 41 Sequenzen, momentan arbeitet Cassini Sequenz 9 ab („S09“).

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