Die Titan war lange Zeit eines der Arbeitspferde der USA für Satellitenstarts und sollte als Interkontinentalrakete die UdSSR einschüchtern. Hier der erste Teil zur Titan, beginnend mit der Titan 1 und Titan 2.
Autor: Daniel Maurat.
Entwicklung
Die Geschichte der Titan begann damit, dass die US Air Force eine Ersatzinterkontinentalrakete haben wollte, für den Fall, dass die Entwicklung der Atlas ins Stocken geraten würde. Dafür erhielt die Firma Martin (heute Lockheed Martin) den Auftrag und sollte nun so schnell wie möglich eine Interkontinentalrakete entwickeln. Zunächst nannte die Air Force das Projekt SM-68, doch schon kurze Zeit später wurde es in Titan umbenannt.
Als erstes wurde die Titan 1 entwickelt. Sie war eine konventionell gehaltene Rakete, ganz im Gegensatz zur Atlas. Man verwendete ein zweistufiges Konzept, benutzte sich selbst tragende Tankwände und verzichtete auf die technischen Neuerungen der Atlas. Die Testflüge begannen 1958 und trotz vieler auch zum Teil spektakulärer Fehlstarts wurde die Titan 1 im April 1962 für einsatzbereit erklärt und auf verschiedenen Basen der US Air Force stationiert.
Eines hatten aber beide Träger gemeinsam: sie benutzten die Trebstoffe Kerosin und flüssigen Sauerstoff, wobei der Sauerstoff schon bei -180°C verdampft. Da man die Titan auch in einem Silo, einer bunkerähnlichen Startplattform, starten und verhindern wollte, dass es zu einer Explosion im Silo kommt, musste man die Rakete zunächst aus dem Silo mittels hydraulischner Systeme rausheben, was im Idealfall 20 Minuten dauerte. Diese Zeit hatte man aber bei einem Gegenschlag nicht, weswegen sich die Titan nur als Erstschlagwaffe eignete. Auch war die Hydraulik sehr anfällig, da sie nach einem Atomangriff ausfallen konnte. Deswegen wollte man für die Titan 1 so schnell wie möglich einen Nachfolger entwickeln, was auch von Martin ab 1960 vorgenommen wurde.
Das Produkt war die Titan 2, die im Gegensatz zur Titan 1 größer war und eine andere Treibstoffkombination verwendete, nämlich die hypergolen Treibstoffe Aerozin 50 und Stickstofftetroxid. Sie war auf den Silostart ausgelegt. Auch war sie leistungsfähiger als ihre Vorgängerin. Ihren Erstflug erlebte sie im März 1962 und schon 13 Monate später wurde sie für einsatzbereit erklärt. Sie blieb schließlich bis 1987 stationiert und wurde eingemottet, da die USA zunächst neue Interkontinentalraketen entwickelt haben. Man hat aber auch Abrüstungsverträge mit der UdSSR geschlossen, die die Anzahl der ICBMs der USA reduzierte. Ihre lange Einsatzzeit spricht aber für die Titan, genauso wie die Tatsache, dass 54 Titan 2 etwa 33% des US-Nuklearpotentials starten konnten. Die restlichen 67% verteilten sich auf 1000 (!) Minuteman-Interkontinentalraketen.
Damit war die Titan 1 am Ende: Die 54 stationierten Raketen wurden aber verschrottet, anstatt sie für Orbitalstarts zu benutzen. Zwar wollte man einige Raketen noch für andere Projekte, wie das X-20 Dyna-Soar oder mit einer Juno-Rakete als Zweitstufe, benutzen, doch wurden all diese Pläne aufgegeben.
Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger wurde die Titan 2 immer wichtiger und bekam sogar eine einmalige Chance: die NASA suchte nämlich nach einem Träger für ihr Gemini-Raumschiff und wollte dafür die Titan 2 der US Air Force benutzen. Dafür musste man zunächst mal die Rakete so weit verbessern, dass sie „human-rated“, also sicher genug ist, um Menschen starten zu können. Vor allem war der POGO-Effekt bei der Titan 2 besorgniserregend. Der POGO-Effekt ist die starke Querschwingung einer Rakete, ausgelöst durch herumschwappenden Treibstoff. Im schlimmsten Fall kann die Treibstoffversorgung der Treibwerke unterbrochen werden oder die Besatzung kann das Bewusstsein verlieren und sogar sterben. Doch die Probleme wurden behoben und die Titan 2 wurde von nun an als Titan 2 GLV für „Gemini Lauch Vehicle“ bezeichnet.
Technik Titan 1
Die Titan 1 ist ein gutes Beispiel für eine konventionelle Rakete. Sie bestand aus zwei Stufen:
- Die erste Stufe war 16 m lang, hatte einen Durchmesser von 3,05 m und wog voll betankt 76 t. Sie bestand aus Aluminium und benutzte als Triebwerke zwei Aerojet LR-87-3 mit einem Schub von je 733,5 kN. Diese brannten 138 Sekunden lang und verbrannten dabei den Treibstoff Kerosin (auch RP-1) und den Oxidator LOX (flüssiger Sauerstoff).
- Die zweite Stufe war 9,8 m lang, hatte einen Durchmesser von 2,26 m und wog voll betankt 20,59 t. Das einzelne Triebwerk vom Typ Aerojet LR 91-3 wurde, die die erste Stufe, mit RP-1 und LOX betrieben und leistete einen Schub von 357 kN.
Technik Titan 2
Die Titan 2 war eine Weiterentwicklung der Titan 1 und beruhte deswegen auf demselben Konzept. Sie bestand ebenfalls aus zwei Stufen:
- Die erste Stufe war mit 22,29 m Länge deutlich größer als die der Titan 1, hatte aber wie ihr Vorgänger einen Durchmesser von 3,05 m und wog voll betankt ganze 115,7 t. Sie bestand aus Aluminium und benutzte als Triebwerke zwei Aerojet LR-87-5 mit einem Schub von je 1.096 kN, die an den neuen Treibstoff angepasst wurden. Sie brannten nun schon 159 Sekunden lang und verbrannten dabei den Treibstoff Aerozin 50 und den Oxidator Distickstofftetroxid.
- Die zweite Stufe wurde vollig überarbeitet. Sie war nun 7,9 m lang, hatte wie die Erststufe einen Durchmesser von 3,05 m und wog voll betankt 28,9 t. Ihr einzelnes LR-91-5-Triebwerk hatte einen Schub von 445 kN und brannte 180 Sekunden lang. Wie die Erststufentriebwerke verwendete es als Treibstoff Aerozin 50 und als Oxidator Stickstofftetroxid. Eine Besonderheit der Stufe ist, dass sie gestartet wird, während die erste Stufe noch läuft. Dabei entweichen die Abgase durch einen speziellen Stufenadapter, der bei der Trennung förmlich zerrissen wird. Diese in den USA eher seltene, dafür aber in Russland weit verbreitete Methode wird auch „heiße Stufentrennung“ genannt.
Starts
Die Startstatistik der Titan 1 ist durchwachsen: von den zwischen dem 6.2.1959 und dem 5.3.1965 durchgeführen 67 Starts waren sechs Fehlstarts und ganze 16 nur Teilerfolge, wobei die meisten Fehlstarts und Teilerfolge in der frühen Phase der Tests stattfanden. Die Titan 1 wurde vor allem von den Startkomplexen LC-15, LC-16, LC-19 und LC-20 in Cape Canaveral und OSTF, SLTF und LC-395 von der Vandenberg AFB aus eingesetzt.
Die Titan 2 dagegen war wesentlich erfolgreicher: von ihren 81 Starts, die zwischen dem 16.5.1962 und dem 27.7.1976 stattfanden, waren zwar wieder sechs Fehlstarts, dafür aber nur acht Teilerfolge und dies in einer frühen Phase der Tests. Hierfür fanden die Starts von den Startkomplexen LC-15, LC-16 und LC-19 in Cape Canaveral und von LC-395 und SLC-4W der Vandenberg AFB statt.
Die Titan 2 GLV schließlich war die erfolgreichte Version: all ihre zwölf Starts waren erfolgreich, wovon zehn Starts mit bemannten Gemini-Kapseln durchgeführt wurden. Sie startete ausschließlich vom Startkomplex LC-19 der Cape Canaveral Air Force Station.
Wiederbelebung der Titan 2
Nachdem die letzte Titan 2 1987 außer Dienst gestellt wurde, wurden 14 der Raketen von Martin Marietta umgerüstet, um sie für Satellitenstarts zu nutzen. Die Modifikationen betrafen die Elektronik, eine neue Oberstufe vom Typ Star 37 XFP sowie eine neue Nutzlastverkleidung. Als Startkomplex wählte man SLC 4W der Titan 3B in Vandenberg und baute ihn für die Titan 2 um. Um sie von anderen Titanversionen zu unterscheiden, nannte man sie Titan 23G (der Name erinnerte aber an Versionen der Titan 3B, was das Namensgeflecht der Titans noch verwirrender machte). Der Erstflug fand am 5. September 1988 statt. Als Nutzlasten startete man vor allem Wettersatelliten der US Air Force, doch auch die NASA reservierte sich einige Titan 23G, mit denen unter anderem die Mondsonde Clementine sowie der Erdbeobachtungssatellit Landsat 6 (wobei bei diesem Start der neue Star 37 XFP-Antrieb und nicht die 40 Jahre alte Titan versagte) gestartet wurden. Es gab nur einen Fehlstart, nämlich wie gerade erwähnt den Ausfall beim Start von Landsat 6. Schließlich wurden 13 der 14 Titan 23G gestartet, wobei der letzte Start am 14. Oktober 2003 stattfand.
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