Thomas Reiter begeistert mit seinem ISS-Bericht

Die ISS, Symbol internationaler Zusammenarbeit, wurde mit dem Langzeitaufenthalt des ESA-Astronauten ein Stück internationaler. Am 18. Januar traf er zum ersten Mal nach seiner Rückkehr von der Mission „Astrolab“ die Medien im Europäischen Astronautenzentrum (EAC) in Köln.

Quelle: ESA.

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Thomas Reiter bei der Pressekonferenz in Köln.
(Bild: DLR)

Gebannt folgten die etwa 80 anwesenden Medienvertreter dem 45minütigen Vortrag Reiters, der von der Astrolab-Mission, dem Leben auf der ISS und der ganz besonderen Perspektive aus dem All erzählte. Reiter begann seine Mission am 4. Juli mit dem Start der US-Raumfähre Discovery. Zwei Tage später meldete er sich als Flugingenieur auf der ISS zum Dienst. Damit war auch erstmals seit Februar 2003, als nach dem tragischen „Columbia“-Unglück die Shuttle-Flüge vorerst ausgesetzt wurden, wieder eine dreiköpfige ständige Mannschaft auf der Station.
„Ein erhebender Moment, wenn es dann endlich losgeht“
Der Start, einerseits einer der Höhepunkte nach so langer Vorbereitungszeit, stelle aber auch eine beachtliche Belastung dar, berichtete Reiter, da man bereits nach neun Minuten den Erdorbit erreicht und die Schwerelosigkeit zu fühlen beginnt.

Nach der zweitätigen Reise in der Enge des Shuttle kam ihm die ISS mit ihrer Ausdehnung von 60 Metern in der Längsachse „richtig geräumig“ vor.

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Thomas Reiter beim Durchführen des Plasmakristall-Experiments an Bord der ISS.
(Bild: NASA)

Leben und arbeiten auf der ISS
Reiter erfüllte sowohl im amerikanischen als auch im russischen ISS-Segment eine Vielzahl von Betriebs- und Wartungsaufgaben. Darüber hinaus bediente er Forschungseinrichtungen zur Unterstützung internationaler wissenschaftlicher Experimente auf Gebieten wie Humanphysiologie und -psychologie, Mikrobiologie, Plasmaphysik und Strahlungsdosimetrie sowie Technologiedemonstrationen. Aber auch Experimente für Industrie- und Bildungszwecke, sowohl für Universitäten als auch für Sekundar- und Grundschulen, gehörten zum straff organisierten Programm des ESA-Astronauten.

Über das große Echo bei Schülern und Studenten freute er sich besonders, denn es gälte, Neugier zu wecken, die als treibende Kraft und Motivation auch hinter seiner Mission stehe.

Nachschub – ab Mitte 2007 auch mit dem europäischen ATV
Zum Arbeitsalltag gehörte neben den insgesamt 19 wissenschaftlichen Experimenten, dem zweistündigen Sportprogramm und der Wartung der Raumstation auch das Entladen der alle drei bis vier Monate ankommenden unbemannten russischen Progress-Versorgungsraumschiffe. Deren 2,5 t Nutzlast umfasst neben Nahrung, Wasser, Kleidung, technischen und medizinischen Versorgungsmitteln auch Briefe und kleine Geschenke der Familie. Im Rahmen der Astrolab-Mission wurde zudem wichtiges europäisches Gerät zur ISS befördert, darunter die ISS-Gefriereinrichtung bei -80° C (MELFI) und die Europäische Modulare Pflanzenzucht-Vorrichtung.

Ab Mitte diesen Jahres soll das europäische Versorgungsraumschiff ATV sogar bis zu 7,5 t Nutzlast zur ISS bringen.

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Sonnenuntergang von der ISS aus.
(Bild: NASA)

Eine andere Perspektive
Seit seiner früheren Langzeitmission „Euromir 95“ ein erfahrener Astronaut, war Reiter trotzdem immer wieder vom Blick auf die Erde, dem Schauspiel der Sonnenauf- und untergänge „in Zeitraffer“ gefesselt:

“Wir können Teile von Kontinenten überschauen und sind begeistert von der Vielfalt der Farben und Formen, welche die Landmassen, das Meer und die Wolken zu bieten haben. Das ist einfach etwas, das unter die Haut geht“, schwärmte er. „Europa überschauen Sie fast mit einem Blick.“

Einen der Höhepunkte seines Aufenthalts markierte daher auch der Außenbordeinsatz (EVA): Am 3. August verließen Reiter und der NASA-Astronaut Jeffrey Williams die Station für 5 Stunden und 54 Minuten. Während dieses Außenbordeinsatzes brachten sie neue Ausrüstung für den weiteren Zusammenbau der ISS sowie eine Reihe von Instrumenten und Experimenten an der Außenstruktur an.

„Draußen arbeiten bedeutet, in einer Höhe von 400 km mit einer Geschwindigkeit von 27.000 km pro Stunde an der Station herumzuklettern. – Ein überwältigendes, ein fast unbeschreibliches Gefühl.“, berichtet Reiter.

Auch wenn die Raumanzüge technisch und ergonomisch kleine Wunderwerke darstellten, sei jede Bewegung in der Schwerelosigkeit anstrengend wie eine sportliche Aktivität. Dass er seinen Außenbordeinsatz zusammen mit seinem amerikanischen Kollegen Jeffrey Williams trotzdem eineinhalb Stunden vor der veranschlagten Zeit beendete und so zusätzliche Aufgaben erledigen konnte, spreche für seine gute Vorbereitung und die hohe Qualität der europäischen Astronautenausbildung.

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Thomas Reiter während seines Außenbordeinsatzes.
(Bild: NASA)

Kann man sich auf der ISS heimisch fühlen?
Ja, denn der Abschied von den beiden Crewmitgliedern sei Thomas Reiter nach vielen gemeinsamen Erlebnissen recht schwer gefallen: „Es gibt gute Tage und es gibt schlechte Tage, man erlebt das zusammen.“

Am 22. Dezember 2006 kehrte er gemeinsam mit seinem schwedischen ESA-Kollegen Christer Fuglesang, der im Rahmen der Celsius-Mission am 10. Dezember die Crew der ISS ergänzte, an Bord der Discovery zurück zur Erde.

Nach dreitägiger Rückreise an Bord der Raumfähre fühlte sich Reiter nach der Landung in Cape Canaveral, Florida, relativ gut – „das hält dann so lange an, bis man versucht, aufzustehen…“ Dank des täglichen Sportprogramms auf der ISS gehe die Rehabilitationsphase, die noch weitere sechs Monate andauert, jedoch zügig voran.

Zurück auf der Erde
Die beiden großen Ziele der Mission, das europäische Programm an Bord der ISS zu absolvieren und den Start des Columbus-Labors in diesem Jahr vorzubereiten, wurden erreicht. In den nächsten Monaten heißt es nun, die Ergebnisse auszuwerten.
Michel Tognini, Leiter des EAC, und ehemaliger Astronaut lobte Thomas Reiter als den europäischen Astronauten mit der meisten Erfahrung. Für die Astrolab-Mission verbrachte Thomas Reiter 171 Tage im Weltraum. Aufgrund der 179 Tage, die er bereits von September 1995 bis Februar 1996 im Rahmen von „Euromir 95“ im All war, hält er damit den neuen europäischen Rekord. Auf die Frage, ob er noch einmal ins All wolle antwortete Reiter mit einem Schmunzeln „Ich habe die Nase noch nicht voll“.

Als Vorsitzender des ESA-Rates und DLR-Vorstand bedankte sich Prof. Sigmar Wittig für die ausgezeichnete Kooperation aller Partner und war stolz, dass die Europäer ihren Teil zum Aufbau der ISS beitragen. Dazu gehöre für Deutschland insbesondere auch das Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen.
Astrolab wurde auch vom Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei München aus überwacht.

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Columbus (Schnittdarstellung).
(Bild: ESA / D.Ducros)

Europa bleibt auf der ISS
Astrolab ermöglichte Europas Raumfahrt, wichtige Erkenntnisse im Bereich der bemannten Langzeitmissionen zu erlangen und die Ankopplung von Europas Columbus-Labor in diesem Jahr vorzubereiten.

2007 sollen mindestens zwei ESA-Astronauten für Montagemissionen zur ISS fliegen. Die ESA verhandelt außerdem über eine Fluggelegenheit für einen dritten Raumfahrer, der als zweiter ESA-Astronaut als Mitglied der ständigen Bordmannschaft für eine längere Zeit auf der ISS leben und arbeiten würde.

Bereits genehmigt sind die Flüge des Italieners Paolo Nespoli, der im Rahmen der Mission STS-120 im Sommer den Verbindungsknoten 2 zur ISS bringen soll, und des Deutschen Hans Schlegel mit Flug STS-122, mit dem im Herbst das Columbus-Labor gestartet wird. Über den Langzeitflug des Franzosen Léopold Eyharts wird gegenwärtig mit der NASA diskutiert.

Text und Bilder übernommen von www.esa.de

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