Teleskopverbund ALMA beobachtet staubreiche Supernova

Neue Aufnahmen des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) zeigen zum ersten Mal die Überreste einer Supernova, welche großen Mengen an kosmischen Staub enthält. Durch diese Entdeckung erhoffen sich die Astronomen neue Einblicke in die Prozesse, welche bei der Entstehung von Galaxien ablaufen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), A. Angelich. Visible light image: the NASA/ESA Hubble Space Telescope. X-Ray image: The NASA Chandra X-Ray Observatory
Diese kombinierte Aufnahme zeigt den Überrest der Supernova 1987A im Licht verschiedener Wellenlängen. Die Submillimeterdaten von ALMA (in rot) zeigen neu entstandenen Staub im Zentrum des Supernovaüberrests. Die optischen Daten der Weltraumteleskope Hubble (in grün) und die Röntgendaten von Chandra (in blau) zeigen dagegen die expandierende Schockwelle.
(Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), A. Angelich. Visible light image: The NASA/ESA Hubble Space Telescope. X-Ray image: The NASA Chandra X-Ray Observatory)

Viele Galaxien sind von großen Mengen an interstellarem Staub durchsetzt. Dieser Staub besteht hauptsächlich aus Silizium- und Graphitpartikeln – Mineralien, welche auch auf der Erde zu finden sind. Der Ruß einer Kerze ist dem kosmischen Staub sehr ähnlich. Allerdings verfügen Rußpartikel typischerweise über die zehnfache Größe der kosmischen Staubpartikel.

Astronomen gehen davon aus, dass insbesondere im frühen Universum Supernovae die Hauptquelle für diesen Staub darstellten. Allerdings war die Beweislage für die Staubproduktionsfähigkeit von Supernovae bisher eher dünn und konnte die großen Mengen an Staub, welche in jungen Galaxien beobachtet werden, nicht ausreichend erklären. Durch neue Beobachtungsergebnisse könnte sich dies jetzt allerdings ändern.

„Wir haben eine bemerkenswert große Staubmasse gefunden, die in der zentralen Region der Ausflüsse einer relativ jungen und nahen Supernova konzentriert ist“, so der Astronom Remy Indebetouw von der University of Virginia/USA. „Damit sind wir erstmalig in der Lage, wirklich abzubilden, wo der Staub entsteht. Für das Verständnis der Entwicklung von Galaxien ist das enorm wichtig.“

Für ihre Beobachtungen verwendeten die Astronomen das im März 2013 offiziell in Betrieb gestellte, in den chilenischen Anden befindliche Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (kurz „ALMA“). Der ALMA-Teleskopverbund ist eine internationale astronomische Forschungseinrichtung, welche gemeinsam von europäischen, nordamerikanischen und ostasiatischen Instituten in Zusammenarbeit mit der Republik Chile getragen wird. Im Betriebsmodus erreicht das ALMA ein Auflösungsvermögen, welches die Auflösung früherer Himmelsbeobachtungen um einen Faktor von mehr als 10 übersteigt.

Als Beobachtungsobjekt wählten die Wissenschaftler die Überreste der Supernova SN 1987A, welche sich in der Großen Magellanschen Wolke befindet. Seit ihrer Entdeckung am 24. Februar 1987 ist diese Supernova das Ziel diverser astronomischer Untersuchungen. Diese Arbeiten werden durch den Umstand begünstigt, dass es sich bei SN 1987A um die am nächsten gelegene beobachtete Supernovaexplosion seit der Entdeckung der Supernova von 1604 handelte, welche sich innerhalb unserer Heimatgalaxie ereignete. Zudem war SN 1987A die erste Supernova, bei der die Astronomen den Vorgängerstern identifizieren konnten.

ESO, IAU, Sky&Telescope
Die Große Magellansche Wolke befindet sich im Grenzgebiet der beiden Sternbilder Schwertfisch (Dorado) und Tafelberg (Mensa) am südlichen Sternhimmel.
(Bild: ESO, IAU, Sky&Telescope)

Die Wissenschaftler hatten erwartet, dass sich das bei der „Explosion“ freigesetzte Gas im Zentrum von SN 1987A abkühlt. Anschließend sollten sich Sauerstoff-, Kohlenstoff- und Siliziumatome in den kühlen Zentralregionen des Supernova-Überrests zusammenklumpen und so große Mengen an Staub bilden. Allerdings wurden bei früheren Beobachtungen mit Infrarotteleskopen während der ersten 500 Tage nach der Explosion von SN 1987A nur geringe Mengen „heißen“ Staubs detektiert.

Mit der extrem hohen Auflösung und Empfindlichkeit des ALMA-Teleskopverbunds war das Wissenschaftlerteam um Remy Indebetouw jetzt jedoch in der Lage, Aufnahmen des viel häufiger auftretenden „kalten“ Staubs anzufertigen, welcher im Millimeter- und Submillimeterbereich hell leuchtet. Die Astronomen schätzen, dass der Überrest nun etwa ein Viertel der Sonnenmasse in Form von neu entstandenem Staub enthält. Sie kamen außerdem zu dem Schluss, dass erhebliche Mengen an Kohlenstoffmonoxid und Siliziummonoxid entstanden sind.

SN 1987A ist insofern besonders als dass sie sich nicht mit ihrer Umgebung vermischt hat. Somit ist das, was wir dort sehen, auch dort entstanden“, so Remy Indebetouw. „Die neuen Ergebnisse von ALMA, die die ersten ihrer Art sind, zeigen einen Supernovaüberrest, der voll von Material ist, das einige Jahrzehnte zuvor noch nicht existiert hat.“

ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Alexandra Angelich (NRAO/AUI/NSF)
Diese künstlerische Darstellung der Supernova 1987A zeigt den kühlen inneren Bereich des Überrests des explodierten Sterns (in rot), wo kürzlich durch ALMA große Mengen an Staub nachgewiesen wurden. Diese inneren Regionen stehen im Kontrast zur äußeren Hülle (blau und weiß), wo die Stoßwelle der Supernova mit Gas kollidiert, welches der Vorgängerstern noch vor seinem Lebensende ausgestoßen hat.
(Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Alexandra Angelich (NRAO/AUI/NSF))

Als sich die Schockwelle der Sternexplosion in den Weltraum ausdehnte, prallte diese auf die Gashülle, welche von dem Vorgängerstern bereits kurz vor dessen Lebensende abgestoßen wurde. Bedingt durch diese Kollision entstanden hell leuchtende Ringe, welche auch in früheren Aufnahmen mit dem von der NASA und der ESA betriebenen Hubble Space Telescope zu erkennen sind. Nach dem Auftreffen auf die Gashülle wurde ein Teil der freigesetzten Energiemengen zum Ursprungsort der Explosion zurück reflektiert.

„Irgendwann wird diese reflektierte Schockwelle auf die aufgebauschten Klumpen aus frisch hergestelltem Staub prallen“, prognostiziert Indebetouw. „Wahrscheinlich wird dabei ein Teil des Staubs auseinandergesprengt werden. Es ist schwer vorherzusagen wie viel – vielleicht nur wenig, möglicherweise die Hälfte oder gar zwei Drittel.“ Sollte jedoch ein signifikanter Teil an Staub dieses Ereignis überstehen und aus der Umgebung von SN 1987A in den interstellaren Raum entweichen, so könnten Supernova-Explosionen die großen Mengen an Staub erklären, welche die Astronomen im frühen Universum beobachten.

„Sehr junge Galaxien sind unglaublich staubig, und dieser Staub spielt dann später eine große Rolle in ihrer Entwicklung“, so Mikako Matsuura vom University College London in Großbritannien. „Heute wissen wir, dass Staub auf verschiedenen Wegen gebildet werden kann, aber im frühen Universum muss der Großteil von Supernovae stammen. Wir haben endlich direkte Hinweise gefunden, die diese Theorie stützen.“

Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse werden demnächst unter dem Titel „Dust Production and Particle Acceleration in Supernova 1987A Revealed with ALMA“ in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal Letters“ veröffentlicht.

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Fachartikel von Remy Indebetouw et al.:

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