Taikonautengruppe 1

China konstituierte ein eigenes Raumfahrerkorps zu einem Zeitpunkt, als an bemannte Raumflüge aus eigener Kraft lang noch nicht zu denken war.

Ein Beitrag von Felix Korsch

Im November 1970 übernahm Guo Rumao die Leitung der fünfköpfigen Gruppe und ein geheimes Trainingsprogramm begann. Zur Gruppe zählten verdiente Jagdflieger und treue Parteianhänger, was nicht verwundert, wurde dem chinesischen Raumfahrtprogramm doch damals höchste nationale und vor allem politische Priorität zugeordnet. Die Auswahl erfolgte aus einem Topf von zunächst 340 Aspiranten während einer umfassenden Testprozedur im Pekinger Luftwaffen-Krankenhaus. Im April 1971 ordnete Mao Tse-Tung persönlich die Schaffung einer eigenen Ausbildungsstätte an. Zuvor mussten hierfür improvisiert umgestaltete Militäranlagen herhalten.

Unbekannte Kandidaten beim Training, etwa 1980. Wurde das Raumfahrt-Programm im Geheimen fortgeführt?
(Bild: Wen Hui Bao)

Maos Beschluss, zusammengefasst im Projekt 714, wurde im November 1971 umgesetzt, nachdem Xue Lun (Kommandant der 24. Luftwaffendivision) und Xu Peigen (Stabschef der 24. Luftwaffendivision) im August dieses Jahre in Frage kommende Standorte inspizierten. Eingerichtet wurde dieses chinesische Sternenstädtchen schließlich in Xichang. Ausgestattet war es zunächst mit simplem Trainingsgerät, etwa zum Kraftsport. Erst viel später kamen noch Anlagen wie eine Unterdruckkammer und eine Zentrifuge hinzu. Kurz zuvor, am 10. September 1971, startete von Jiuquan aus die erste Trägerrakete des neu entwickelten Typs Chang Zheng-2 („Langer Marsch“) ins All, Ur-Grundlage für die heute für bemannte Flüge im Einsatz befindlichen CZ-2F. Kaum ein Jahr später, am 10. August 1973, folgte eine Feng Bao-Rakete („Sturm“), eine technisch fast identische Kopie der CZ-2.

Viele folgende Flüge erfolgten suborbital und hatten als Ziel, einen ballistischen Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zu simulieren bzw. zu erproben. Dabei handelte es sich um kleine, unbemannte Kapseln des Typs FSW (Fanhui Shi Weixing), welche in der Lage waren, kleine Nutzlasten aus dem All zur Erde zurückzuführen. In einer modifizierten Version sollte dieses Raumschiff unter dem Namen i>Shuguang („Morgenröte“) mit einer Person an Bord den Chinesen das Tor ins All öffnen. Technisch ähnelte diese Kapsel dem sowjetischen Wostok-System, und tatsächlich hinkte man in China dem Stand der Amerikaner und Russen kaum 10 Jahre hinterher.

Doch bereits 1972 wurde das Programm ersatzlos gestrichen und in Folge die Trainingsgruppe aufgelöst. Vorangegangen waren politische Querelen, nachdem am 13. September 1971 der chinesische Verteidigungsminister Lin Biao bei einem Flugzeugabsturz in der Mongolei ums Leben kamen. In Peking vermutete man hinter dem mysteriösen Zwischenfall einen staatsfeindlichen Akt, glaubte gar, Lin Biao wollte in die Sowjetunion flüchten. Da jener Lin Biao das Projekt 714 vorantrieb und politisch für dieses verantwortlich zeichnete, musste das geplante bemannte Raumfahrtprogramm sterben. Nachdem Peking jegliche Unterstützung für das Taikonautenkorps strich wurde dieses am 13. Mai 1972 formell aufgelöst und alle offiziell getragenen Bestrebungen hin zu bemannten Unternehmen auf Eis gelegt.

Zur Ausbildungsgruppe von 1970 zählten nativ 19 Personen, fünf hiervon sind namentlich identifiziert worden:

  • Dong Xiaohai, männlich, verdienter Kampfflieger, Training aufgenommen 1971, später Kommandant einer Trainingseinheit der chinesischen Luftwaffe
  • Fang Guojun, männlich, geboren 1934 in Henan Yu, verdienter Kampfflieger und Pilotetrainer, ausgebildet in der Sowjetunion, Training aufgenommen 1971
  • Lu Xiangxiao, männlich, Koreaveteran, Training aufgenommen 1971, später Kommandeur der Siebten Armee
  • Wang Zhiyue, männlich, geboren in Shandong Laichau, im aktiven Piloteneinsatz der chinesischen Luftwaffe von 1959 bis 1992, Training aufgenommen 1971
  • Yu Guilin, männlich, geboren in Hainan, Kampffliger und Fluglehrer, Training aufgenommen 1971, kurz darauf ausgeschieden wegen eines Lungenrisses beim Zentrifugentraining, später Fortführung der Pilotenkarriere
    Wahrscheinlich keiner der 19 Taikonauten der „ersten Stunde“ hatte später Kontakt zum Raumfahrtprogramm. Ihr Training erfolgte unter dem Siegel der Verschwiegenheit.
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